The Weeknd – After Hours

Der erste Nummer-1-Hit in Deutschland! Passend zum 30. Geburtstag steht „Blinding Lights“ von The Weeknd an der Spitze der Singlecharts. Und das in Zeiten, in denen ansonsten nur Deutschrap in den oberen Plätzen anzufinden ist. Ok, und der „Dance Monkey“. Ein kleines Wunder bleibt es trotzdem.

Mit seinem vierten Longplayer After Hours versucht Abel Makkonen Tesfaye, so The Weeknds bürgerlicher Name, seinen Siegeszug fortzusetzen. Dabei nahm man den Kanadier hierzulande gerade zu seinen Anfangszeiten 2013 wenig wahr. Erst der Beitrag „Earned It“ zu dem kommerziell äußerst erfolgreichen Film Fifty Shades of Grey brachte Aufmerksamkeit, die sich dann jedoch Stück für Stück steigerte. „The Hills“, „Can’t Feel My Face“, „Starboy“, „I Feel It Coming“. Alles Hits, die auch nach Jahren im Kopf geblieben sind. Dazwischen Kollaborationen mit Lana del Rey, Disclosure, Travis Scott, SZA, Ed Sheeran, Kendrick Lamar, Drake, Sia, Ariana Grande und Beyoncé.

Dementsprechend hoch liegen die Erwartungen bei einem der absoluten Topalben 2020. Knapp dreieinhalb Jahre dauerte die Wartezeit zwischen dem Vorgängerwerk „Starboy“ und der neusten Veröffentlichung. Als Produzenten fungierten neben The Weeknd selbst zum wiederholten Male DaHeala, Illangelo und das facettenreiche Pop-Genie Max Martin. Unter den Songschreibern tauchen außerdem alte Black Music-Hasen wie Mario Winans auf.

56 Minuten lang präsentiert The Weeknd auf 14 Tracks verteilt, dass die Grundbausteine Hip-Hop und Urban sich problemlos sowohl mit viel R’n’B und Soul als auch ein wenig mit New Wave und 80s-Pop verbinden lassen. Allerdings ist vor dem Hören ein wenig Vorsicht geboten: gerade Fans von „Blinding Lights“ und Neuentdecker des Künstlers könnten am Ende enttäuscht werden.

Die Discokugel, die nämlich mit dem Überhit angeworfen wurde, bleibt auf dem restlichen Album mit dem etwas abschreckenden Cover fast komplett ausgeschaltet. Statt den 80er-Dancing Shoes ist der Sound insgesamt eher klinisch-steril und kühl. Die ebenfalls bereits erschienenen Tracks „Heartless“ und „After Hours“ geben da schon besser den Takt an. The Weeknds Kopfstimme wirkt oft maschinell, ein wenig hypnotisch und liefert mit treibenden, dunklen Beats gute Songs für melancholische Serienszenen oder etwas lethargische Stunden. Gerade die erste Hälfte des Albums setzt stark auf sphärische Atmosphäre statt auf catchy Hooks („Alone Again“, „Snowchild“, „Escape from LA“). Natürlich stecken in der nur oberflächlich wirkenden Monotonie mehr Tiefen als zunächst erkennbar, aber etwas Langatmigkeit kann man der Platte nicht absprechen.

Demgegenüber stehen Trip-Hop-Nummern mit Liebesschmerz („Hardest to Fall“) und Refrains mit Elton Johns „Your Song“-Sample („Scared to Live“). The Weeknd liefert hier und da kleine Parts, die dem bereits ausgestorbenem 2000er-R’n’B huldigen. Richtig gute Momente kommen aber erst auf, wenn man eine Zeit durchgehalten hat. Nachdem der Retrosound in „Blinding Lights“ aufgetischt wird, gibt es mit „In Your Eyes“ (steht als nächste Single schon in den Startlöchern) den absoluten Höhepunkt des gesamten Albums. Poppige Melodie, Eingängigkeit und eine geschickte Kombination aus alten und neuen Klängen. Die Kirsche auf dem Sahnehäubchen stellt ein unverschämt gutes Saxophonsolo im Mittelteil dar. Auch der Anschlusstrack „Save Your Tears“ hebt sich hervor und erinnert ein wenig an „We Are The People“ von Empire of the Sun. Wer herausgefordert und gleichzeitig überrascht werden mag, muss sechs Minuten Aufmerksamkeit auf den Titeltrack legen und wird auch da beschenkt, um anschließend beim Rauswerfer „Until I Bleed Out“ wieder etwas unbefriedigt zurückgelassen zu werden.

After Hours ist für Chorus-Fanatiker eine Geduldsprobe und für Alternativhörer wohl zu poppig. Ein mutiges Album mit fordernden Titeln, spannenden Klängen, ein paar sicheren Charterfolgen und ein wenig Leerlauf.

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