Das Genre des folkigen Singer/Songwriter-Pops scheint ein wenig auserzählt zu sein. Nach der Omipräsenz von Ed Sheeran ist der Bedarf an melancholischer Mucke mit Klampfe gedeckt. Gerade aus UK gab es eine nahezu unüberschaubare Anzahl an Musiker*innen, die mit ihren leicht-beflügelten Songs die Charts dominierten und einen Gegenentwurf zum am Computer gebastelten Sound darstellten. Eine unter ihnen: Schottin Amy Macdonald, die sogar schon einige Jahre vor dem Herrn mit den roten Haaren Hits landete.
Gerade im Fall der 33-jährigen aus Bishopbriggs, einem Vorort von Glasgow, ist deutlich erkennbar, dass die Zuhörerschaft sich in neue Gefilde aufgemacht hat. Mit dem Debüt „This Is The Life“ gelang 2007 im zarten Alter von 20 Jahren ein absoluter Volltreffer. Fast 2,5 Millionen Verkäufe, fast zwei Jahre Plätze in den deutschen, österreichischen, schweizerischen und britischen Verkaufscharts, zig Platinauszeichnungen und die Radiohits „Mr Rock & Roll“, „Run“ und insbesondere der Titeltrack selbst, der in Österreich bis an die Chartspitze kletterte.
Der zweite Longplayer „A Curious Thing“ machte das solide nach und sah mit einer Million Verkäufe ähnlich gut aus – mit dem Drittwerk „Life In A Beautiful Light“ und noch mehr mit der letzten Platte „Under Stars“ schienen aber nur noch Fans etwas anfangen zu können. Dass das Album aus 2017 nur noch 100.000 Mal über die Ladentische ging, liegt jedoch nicht nur an dem Trend Richtung „Streaming“, sondern auch an der Einfältigkeit der Musik. Irgendwie scheint sich Miss Macdonald seit Anbeginn ihrer Zeit auf einen Stil fokussiert zu haben und den in äußerst überschaubarer Abwandlung fortzusetzen.
Ob das mit Longplayer Nr. 5 anders wird? Drei Jahre nach „Under Stars“ kommt zur Herbsthochzeit Ende Oktober The Human Demands. Wer sich fragt, ob sich die etwas schüchterne Schottin mit dem prägnanten Bloody Accent und der Alt-Stimme nach der Wiederholung von der Wiederholung traut, etwas Neues zu wagen, bekommt hier die Antwort: Nein. Soundtechnisch liefert The Human Demands 1:1 genau das, was die ersten vier Alben auch schon parat hielten. Klassischen Singer/Songwriter-Pop mit ordentlich Folkeinschlag und leichten Indie-Rock-Motiven. Mal etwas flotter, mal ruhiger. Und dennoch ist The Human Demands qualitativ besser als seine zwei Vorgänger.
Mit 40 Minuten Spielzeit fasst sich Amy ein wenig kürzer als gewohnt. 10 Tracks, die im Instrumental exakt keine einzige Überraschung bieten. Doch Abwechslung und Kreativität sind das eine, gute Melodien das andere – und die hat Amy tatsächlich wieder in petto. Einschlägige Refrains bleiben spätestens nach dem dritten Hören im Ohr, ohne krampfhaft auf Radiohit getrimmt worden zu sein. Stattdessen ist LP Nr. 5 genau das richtige für Liebhaber der ersten Werke.
Amy bleibt gesanglich zwar in ihrer bekannten Range und bricht selten nach obenhin aus, konzentriert sich dafür jedoch auf berührende Zusammentreffen zwischen Menschen mit Lagerfeueratmosphäre („Young Fire, Old Flame“) und rockt sogar mal in leichter Bryan Adams-Manier treibend nach vorn („We Could Be So Much More“). Richtig tolle Songs sind „Crazy Shade of Blue“ und „The Hudson“ mit einer Kompositionsqualität, die zuletzt vor genau zehn Jahren von ihr geboten wurde. Das erste durch seine schweren Streichereinsätze und Countrymomente, das zweite durch die mitreißende Hook, die auch einen fünf Minuten-Track kurzweilig erscheinen lässt. Der Rauswurf mit dem stampfenden „Something in Nothing“ ist ebenfalls gelungen.
Es ist ein wenig schade, dass alle Titel der Künstlerin auf Random laufen könnten und nicht wirklich auffällt, aus welcher Schaffensperiode sie stammen. Andererseits ist gerade die Homogenität und der sofort erkennbare Klang ein starkes Merkmal von Amy Macdonald. Fans werden keinesfalls enttäuscht, Gelegenheitshörer könnten sich ein wenig langweilig („Fire“, „Strong Again“). Im Radio sollte der eine oder andere Song aber trotzdem laufen.
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