Bring Me The Horizon – Post Human: Survival Horror

Cover von Bring Me The Horizons "Post Human: Survival Horror".

Einen Schritt zurück. Nach dem durchwachsenen „amo“ und einer zwar spannenden, doch schnell wieder in der Versenkung verschwundenen EP mit unsagbar langem Titel scheint der Erfolg der eigentlich für einen Videospielsoundtrack geschriebenen Single „Ludens“ neue Energien in Oli Sykes und Co hervorgekitzelt zu haben. Unter dem Banner „Post Human“ möchten Bring Me The Horizon in den kommenden zwölf Monaten gleich vier EPs herausbringen. Die erste davon nennt sich „Survival Horror“, hat gleich mehrfach Pandemie-Bezug und atmet die befreiende Härte, die das letztjährige „Ludens“ freigesetzt hatte. Manchmal lohnt es sich eben Verschnaufpausen zu nutzen und sich seiner eigentlichen Stärken bewusst zu werden.

Bei über 35 Millionen Streams empfiehlt es sich natürlich, das offensichtlich Inspiration anregende „Ludens“ gleich mit auf die EP zu nehmen. Darüber hinaus gibt „Post Human: Survival Horror“ sieben weiteren Songs und einem Interlude ein Zuhause. Durch die ersten drei Vorab-Auskopplungen befeuerte Befürchtungen, die Band könne sich mit der EP selber in eine stilistische Sackgasse befördert haben, erledigen sich dank der vier anderen Stücke zum Glück flugs. Brachte „Ludens“ noch eine düstere Electronica-Instrumentierung mit opulentem Rock-Chorus und Metalcore-Breakdowns zusammen, konzentrieren sich sowohl „Parasite Eve“ als auch „Obey“ darauf, ebenjene Metal- und Dance-Elemente mit höchst eingängigen Pop-Refrains zu vereinen. Diese Klein-Experimente gelingen, doch wie gehen Bring Me The Horizon in größerem Rahmen mit dieser doch eher repetitiven und vorhersehbaren Formel um?

Einen ersten Hinweis darauf gibt der Arena-Rocker „Teardrops“, der knapp eine Woche vor der EP-Veröffentlichung Ende Oktober erscheint. Gitarren? Ja. Metalcore? Nein. Mit ähnlichem Sound gelang zuletzt noch Don Broco der Sprung von den immergleichen Clubs in kleinformatige Hallen, die Bring Me The Horizon selbstverständlich schon lange hinter sich gelassen haben. Tatsächlich gesellen sich auf „Survival Horror“ – die Songs entstanden nicht nur größtenteils während des Lockdowns, sondern behandeln teilweise auch die Gesundheitslage der Welt – zum eigenen Vorteil noch mehr Stilausflüge. Dass die Reise nicht nur in Richtung Pop und Electronica geht, sondern auch in die Vergangenheit, rotzt „Dear Diary,“ engstirnigen Szene-Kids aufdringlich und provokant vor die Füße. Ja, so knarzig klangen die Briten seit der „Sempiternal“-Era nicht mehr. Vielleicht ist „Dear Diary,“ sogar der bislang ausgecheckteste Core-Song des Quintettes.

Die Grenzen dieser Spielwiese aus Pop- und Synthie-getränktem Metalcore testen Bring Me The Horizon im EP-Verlauf weiter aus: „Kingslayer“ ist eine hoch energetische Synth-Metal-Party mit den J-Pop-Superstars Babymetal, „1×1“ mit den Nova Twins ein Brückenschlag von breiten Gitarrenwänden zu Electronica-Passagen und „One Day The Only Butterflies Left Will Be In Your Chest As You March Towards Your Death“ mit Evanescence-Frontfrau Amy Lee ein intensives Piano-Stück, das sich zum Schluss hin beständig verdichtet, bloß um in einem einzelnen, einsam im Mix stehenden Ton auszuglühen. 

Im Gegensatz zum jeglichen Faden missenden „amo“, gelingen all diese Wagnisse: Vielleicht ist das auf all die Kollaborationen zurückzuführen, die gerade nicht die naheliegenden Genre-Kollegen, sondern ungewohnt viele aufstrebende Künstler und vor allem Künstlerinnen nach vorne stellen. Oder eben darauf, dass die stilistische Streuung insgesamt kleiner ausfällt und die Songs sich daher genug Charakter beibehalten. „Survival Horror“ jedenfalls ist die wohl spannendste Bring Me The Horizon-Veröffentlichung seit dem Metalcore-Meilenstein „Sempiternal“. Dafür hat sich die Besinnung doch gelohnt.

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Die Rechte für das Cover liegen bei RCA Records.

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