Kat Frankie, Konzerthaus Dortmund, 13.10.2023

Altbekannt und ziemlich cheesy, aber: Nichts verbindet Menschen, die sich eigentlich gar nicht kennen, so schnell miteinander wie Musik. Die Faszination für Konzerte kommt ja nicht von irgendwo. Wenn sich hier die Trennlinien zwischen eigentlich separaten Individuen auflösen und Platz machen für eine im Alltag ganz unbekannte Nähe, ist das ziemlich stark. Mit ihrem Acapella-Projekt und dem zugehörigen Ensemble “BODIES” treibt die australische Indie-Queen Kat Frankie diesen Fakt seit einigen Jahren auf die Spitze. Nach einer Corona-Pause geht es für dieses Projekt wieder auf die Bühne. Und alle, denen Musik auch nur etwas bedeutet, sollten diese Tour ganz oben auf der Bucketlist haben.

Ist das noch ein Kollektiv oder schon ein Organismus?

Auf der Tour werden anders als bei Kat Frankies Solo-Touren keine Indie-Clubs und Venues abgeklappert, sondern die Spielstätten mit dem richtig guten Sound. Elbphilharmonie, Isarphilharmonie… you name it. Das Konzerthaus in Dortmund muss sich da natürlich auch nicht verstecken. Warum es quasi alternativlos ist, dieses Projekt auf die etwas hochklassigeren Locations zu verteilen, wird schon in Sekunde 1 deutlich. Schicht für Schicht, Ton für Ton schmieren die acht Musikerinnen dem vollen Saal Honig in die Ohren. Und das mit so viel Präzision, Virtuosität & Melodienliebe, dass selbst Atmen wie eine Beleidigung dieses Raums erscheint. Vom ersten, noch recht zarten Beginn des Abends ausgehend klettert das Ensemble durch die verschiedensten Stimmungen und Klänge, behält diese Urgewalt aber immer bei.

Neben den vielen, fraglos beeindruckenden Stärken dieses Projekts, ist dabei vor allem die gleichzeitig so körperliche und doch körperlose Art der Darbietung. Hätte man sich bei dem Titel des Ensembles natürlich denken können. Und doch ist selbst das Maximum an offenem Mund und Gänsehaut noch nicht genug für das, was hier passiert. Wie eine der Sängerinnen eine kurze und doch wunderschöne Melodie im unaufhaltsamen Loop singt, die anderen Schicht für Schicht darauf legen, wie ein Meer aus Wohlklang. Und dann kommt auch noch Kat Frankie mit den Lead Vocals und bringt das Ganze endgültig in Weltklasse-Niveau. Gemeinsam füllen sie den Saal mit so viel Imposanz, als stünden sie eigentlich nur in Vertretung für 500 andere Stimmen, die lieber im Hintergrund bleiben wollten. Und obwohl durch Mimik und Gestik natürlich klar erkennbar ist, welcher Teil dieses Klang-Spektakels aus welchem Körper kommt – gerade bei den großen Endstücken dieser Songs fließt alles übergangslos ineinander und lässt die Idee der einzelnen Person nichtig erscheinen.

Mehr geht nicht

Selbst absolute Gesangs- und Musik-Grünschnäbel können sich das beachtliche Handwerk hinter diesem Auftritt vorstellen. So ganz ohne Instrumente sind die einzelnen Stimmen der einzige Referenz-Rahmen für die Songs, geben Takt, Intensität, Tonhöhe, Harmonie – einfach alles vor. Wenn da auch nur ein einziger Part kurz ins Straucheln gerät, bringt das im Zweifel das gesamte Gerüst ins Wanken. Und: In diesen auf den perfekten Klang ausgerichteten Spielstätten wäre auch jeder Patzer deutlich hörbar. Gefordert ist also: 100% Präzision – und 100% Gefühl. Klar, kein Thema. Scheinbar wirklich nicht für dieses Ensemble, das sich mit einer Leichtigkeit und doch auch einer Gefühlsdichte durch dieses Set spielt, als wären sie doch für diesen Grund überhaupt jemals auf eine Bühne gegangen.

Dieser Umstand der absoluten Verschmelzung verschiedener (Klang-)Körper wäre ja schon für sich wunderschön genug. Aber dazu kommt natürlich auch noch die Musik an sich. Und die ist eben nicht Acapella im herkömmlichen Sinne. Bei dem Wort denken die meisten wohl an ein geschmacklich fragwürdiges Gebilde irgendwo zwischen den Wise Guys und Pitch Perfect, was beides sicherlich auch seine Daseinsberechtigung hat. Damit hat das heute Abend aber wirklich nichts zu tun, denn weder Beatboxing noch sonstige stimmlichen Rhythmusspielchen sind Teil des Sounds. Stattdessen bleibt jede Stimme beim Singen. Alle Körper werdeng dann gemeinsam zur großen Loop Station mit angedocktem Chor-Feature. Neben den zarten, bittersüßen Balladen kommen die poppigeren Stücke mit mehr Druck, mit gemeinsamen Fußstampfen, mit Klatschen und Choreos. Nie aber wirkt das verkrampft oder erzwungen.

Ein paar der Highlights auf der Setlist:

  • “Bad Behaviour” und “Headed for the Reaper” – klar, die erwartbaren Banger. Doch in diesem neuen Gewand wirken sie gleich noch unaufhaltsamer
  • “Versailles” – eine musikalische Darbietung der französischen Revolution wird zur bild- und klangewaltigen Hymne
  • 7 vs Kat Frankie: der Frust übers Leben im Kapitalismus im humoristischen Call-and-Response-Gewand
  • Sommer in Australien: Kat Frankie und zwei Kolleginnen singen in Ventilatoren (!), ihre Kolleginnen entspannen derweil auf der Bühne
  • “How To Be Your Own Person”: unbeschreiblich, wie die Stimmen hier scheinbar ein ganzes Stadion füllen könnten

Das ist von Sekunde 1 bis zum letzten Atemzug maximal unterhaltsam und doch auch in sich ruhend, anspruchsvoll und doch so locker leicht, schlicht und doch kraftvoll in der Performance und vor allem so verdammt musikalisch. Der Beifall hört und hört nach den knapp 90 Minuten nicht auf. Und ganz ehrlich: Ich werde innerlich noch viele Monate nicht mit dem Klatschen aufhören.

BODIES sind:

Albertine Sarges
Barbara Greshake
Erika Emerson
Fama M’Boup
Kat Frankie
Liza Wolowicz
Tara Nome Doyle
Trini Doherty
Kat Frankie

Und so hört sich das an:

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Beitragsbild von Cathleen Wolf.

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