Interview mit Milliarden über “Berlin”!

Zweite Alben sind immer ein ganz besonderer Moment in der Karriere einer Band, so definieren sie meist, wie es weitergehen soll, der Stil wird gefestigter – oder auch nicht. Das Duo Milliarden widmet seine zweite Platte der Hauptstadt “Berlin” und konnte uns mal wieder mit einem Werk voller Ohrwürmer und toller Geschichten faszinieren (Rezension hier). Im Zuge des Release durften wir den beiden einige Fragen zum neuen Album, Einflüssen und Filmmusik stellen.

minutenmusik: Hallo erstmal! Ich will mich im Namen von ganz minutenmusik dafür bedanken, dass ihr euch die Zeit nehmt, uns ein paar Fragen zu beantworten! Euer erstes Album “Betrüger” ist ja direkt super angekommen und hat euch eine sehr erfolgreiche Tour beschert. Wie habt ihr nun den Druck für das zweite Album empfunden?

Milliarden: Wir haben uns relativ schnell entschlossen, das 2te Album zu machen, da unsere Ideen und Inspirationen einfach nicht aufhören wollten und wir den Überdruck einfach kompensieren mussten. Somit war es mehr eine Erleichterung als ein angstbehafteter Moment. Wie Van Holzen sagen würden: NORD.

minutenmusik: Hat sich das auf den Aufnahme- und Schreibprozess des Albums ausgewirkt? Würdet ihr sagen, dass ihr jetzt einige Dinge, die ihr beim Debüt gemacht habt, nicht mehr so machen würdet?

Milliarden: Wir haben gemerkt, dass wir uns unbedingt nicht zu viel Zeit geben wollen, um Dinge zu perfektionieren oder weiter zu schreiben, da wir kein Ende kennen.

minutenmusik: Überhaupt – wie läuft der Schreibprozess bei euch ab? Bist du, Ben, für die Texte zuständig? Woher gewinnt ihr eure Ideen?

Milliarden: Wir schreiben permanent. Es gibt keine Schreibzeiten. Es passiert, wenn es passiert.

minutenmusik: “Kokain und Himbeereis”, “Betrüger”, jetzt “Berlin”. Haben Titel für euch eine große Bedeutung? Beim Hören kommt es mir vor allem bei diesem Album vor, dass es wie ein kleines Konzeptalbum zu der Hauptstadt funktioniert. So ganz unproblematisch ist euer Verhältnis scheinbar nicht – was fasziniert euch dennoch so an Berlin?

Milliarden: Wir können keine Konzepte. Komm halt mal auf ein Konzert von uns. Sowas ist uns fremd. Als wir die Lieder anhörten, die wir aufgenommen haben, spürten wir den biografischen und Milieu lastigen Bezug unserer Themen und Biografien, die darin vorkommen. Dieser Titel ist ein Versuch, das vergewaltigte und geschändete fancy, crazy, sexy Werbewort zurückzuerobern… und mit unseren eigenen Geschichten zu bewahrheiten. Und ja, unser Verhältnis wird immer angespannter und zwingt uns förmlich unseren Lebensraum aus dieser „Arm aber Sexy“-Lüge herauszuboxen.

minutenmusik: Im Song “Rosemarie” und dem dazugehörigen Video besingt ihr eine scheinbare Kiez-Legende. Als Nicht-Berlinerin stellt sich mir die Frage: kennt ihr wirklich solche Legenden? Basiert sogar Rosemarie auf einer Person, die ihr kennt?

Milliarden: Ja, es gibt sie. Rosemarie ist eine Frau, die wir gleichzeitig fürchten und bewundern, sie geht über die Grenzen hinweg auf die wir nur draufstarren.

minutenmusik: Neben den vielen Songs, die sich direkt auf Berlin beziehen, dürfen natürlich auch persönlichere Stücke wie “Ultraschall” nicht fehlen. Vor allem diese können einen emotional schon sehr berühren, denn ihr traut euch an Themen, die ansonsten eher umgangen werden. Seid ihr bewusst auch mal den schwierigen Weg gegangen? Woher kam das Interesse an einem Song zu diesem Thema?

Milliarden: Ultraschall ein schmerzhafter Moment in dem man ein Leben abtreibt, das man selbst hätte leben können, aber zu schwach war zu begreifen, dass es nur einen Weg gibt, wenn man auch losgeht. Bei der Jagd nach sich selber, treibt man sich selbst gleichzeitig ab. Berlin.

minutenmusik: Auf das Album haben es auch drei Interludes geschafft, die das Werk scheinbar strukturieren. Hängen die drei Stücke zusammen? Welche Bedeutung haben sie für euch und für das Album?

Milliarden: Sie sind Rampen und Brücken, die direkt von der Straße kommen. Die Lieder fallen dadurch in eine riskantere Welt. Die vor meinem Haus.

minutenmusik: Häufig werdet ihr mit den legendären Ton Steine Scherben verglichen, ihr durftet sogar schon mit ihnen auf Tour gehen. Gibt es noch andere Vorbilder in der Musikbranche? Gibt es bestimmte Bands, mit denen ihr gerne auf Tour gehen würdet?

Milliarden: Das mit Ton Steine Scherben hören wir grad zum ersten Mal. Schönes Kompliment. Danke! Wir wären gerne als Vorgruppe vom unschlagbaren Doppelpack „Frank Zander und Harald Junke“ mit durch Europa gereist.

minutenmusik: Mit eurem Debüt wurdet ihr schnell als hoffnungsvolle Newcomer-Band gefeiert. Kennt ihr kleine Bands, von denen ihr glaubt, dass sie mal ganz groß werden?

Milliarden: Ganz klar: Heisskalt!!! Die haben echt Potential.

minutenmusik: Unterscheiden sich die musikalischen Einflüsse für dieses Album von den vorherigen? Was läuft im Milliarden-Tourbus für Musik?

Milliarden: Im Tourbus gibt es nur eine Sache: „New York -Addis – London: The Story of Ethio Jazz“ … und ja, unsere Einflüsse sind immer noch die gleichen.

minutenmusik: Apropos! Neben dem neuen Album habt ihr auch eine Tour angekündigt. Habt ihr euch für die kommenden Auftritte neue Elemente überlegt?

Milliarden: Oh ja, es wird noch riskanter… und damit meinen wir gefährlicher.

minutenmusik: Obwohl ihr auf der Bühne mit mehreren Tourmusikern unterwegs seid, ist die Band weiterhin ein Duo. Wollt ihr das irgendwann eventuell ändern oder bleibt Milliarden ein Zweierteam, zumindest musikalisch?

Milliarden: Wir sind kein Duo. Die Musiker sind unsere besten Freunde, wir sind nur die zwei Typen, die die vielen Fragen beantworten.

minutenmusik: Schon nach zweimaligem Hören laden eure Songs zum Mitsingen ein, das Album scheint noch geradliniger und flüssiger als das erste Werk! Hand aufs Herz – hört ihr eure eigene Musik auch oder reichen euch die Auftritte?

Milliarden: Hand aufs Herz: Live klingt es immer noch am besten.

minutenmusik: In “Milliarden Milliarden” wird die Gleichschaltung thematisiert. Habt ihr das Gefühl, dass in Zeiten von Internet und sozialen Netzwerken Menschen zu weniger eigenständigem Denken erzogen werden?

Milliarden: Auf der einen Seite, gibt es ein 360grad – Buch auf das wir permanent zugreifen können und uns quer durch das Makro-Hirn unserer Zeit fressen können. Auf der anderen Seite gleichen sich alle Bedürfnisse, Vorstellungen und Visionen immer mehr den großen Oberflächen an, auf die wir wollen oder nicht, permanent draufglotzen. Im Endeffekt heißt es: entdecke deinen eigenen Rausch oder lass dich berauschen…

minutemusik: Ihr habt mit “Freiheit ist ‘ne Hure” schon einen Song zu einem Soundtrack beigesteuert – zu “Tod den Hippies – Es lebe der Punk!”. Welcher Song des neuen Albums würde sich für einen Soundtrack eignen? Gibt es einen Film, für den ihr gerne ein Lied geschrieben hättet?

Milliarden: Gerne für Roberto Antione’s Meisterwerk: „Geschichten aus der 40-Grad heißen Baustelle/ ein Sexpackt“ mit dem Song „Baukran“. Das wäre ein Traum. Als krankhafte Chineasten haben wir für Soundtrackanfragen immer ein offenes Ohr.

minutenmusik: Ihr tretet häufiger bei linken Veranstaltungen, wie dem “Laut gegen Nazis”-Festival in Cottbus, auf, eure Texte sprechen auch für sich, was eure Einstellung angeht. Findet ihr, dass es die Pflicht von Künstler*innen ist, sich für etwas einzusetzen?

Milliarden: Nein, es ist die Pflicht jedes Einzelnen sich einzusetzen.

minutenmusik: Wie sieht es mit der Zukunft von Milliarden aus? Gibt es noch irgendwelche Träume, die ihr euch als Band unbedingt erfüllen wollt?

Milliarden: Das Milliarden-Musical.

minutenmusik: Ich finde euer neues Album jedenfalls grandios und sehe es als konsequente Weiterentwicklung des Debüts. Die Vorfreude auf die Tour steigt! Danke für alles und bis hoffentlich bald!

Und so hört sich das an:

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Milliarden live 2018

  • 26.09.2018 Schlachthof Bremen
  • 27.09.2018 Grünspan Hamburg
  • 28.09.2018 Gebäude 9 Köln
  • 29.09.2018 Sputnikhalle Münster
  • 03.10.2018 Batschkapp Frankfurt am Main
  • 04.10.2018 Wizemann Stuttgart
  • 05.10.2018 Bogen F Zürich
  • 06.10.2018 Werk 2 Leipzig
  • 11.10.2018 Backstage Halle München
  • 12.10.2018 Flex Café Wien
  • 13.10.2018 Nürnberg Pop Festival
  • 18.10.2018 Astra Berlin
  • 19.10.2018 Scheune Dresden
  • 20.10.2018 Factory Magdeburg

Rechte am Beitragsbild liegen bei Puria Safary.

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