20 Jahre Hopes and Fears: Keane, Palladium Köln, 21.04.2024

Jubiläenstouren sind die absolute Feuerprobe: Entfacht eine Platte auch nach all den Jahren noch annähernd die gleiche Begeisterung oder bleibt die nostalgische Verklärung nur zwischen den Platten-Rillen bestehen? Diese Frage beantworten Keane aktuell bei ihrer großen 20-Jahre „Hopes and Fears“ Jubiläumstour. Die Nachfrage in NRW ist jedenfalls mindestens so groß wie 2004: Aus einer angekündigten E-Werk-Show wurde ein Palladium-Stopp, dann 2 ausverkaufte Palladium-Tage und ein Zusatzkonzert beim Bonner Kunstrasen. Das britische Quartett ist am ersten dieser drei NRW-Stopps bereits sichtlich berührt von so viel Interesse – und gibt entsprechend viel zurück.

„Oh simple things, where have you gone?“

Zuerst aber kommt mit den Sherlocks ein Act auf die Bühne, der Keane ähnelt und doch völlig anders ist: Auch dieses junge britische Quartett erfreut sich gerade einer immer größeren Fanbase, auch ihr Sound hat ein Bärenherz für Stadion-Hymnen und sucht immer wieder die große Geste, ohne dabei viele Instrumente zu benötigen. Der reduzierte Indie-Rock ist aber deutlich Pathos befreiter, dafür aber deutlich generischer. Keine Frage, die Band aus Sheffield liefert ein gutes Set ab. Wirklich herausragende Momente, Melodien oder Songs bleiben aber nicht.

Das kann man von Keane natürlich nicht behaupten – Songs wie „Somewhere Only We Know“, „This is the Last Time“, „Everybody’s Changing“ oder „Crystal Ball“ haben die 00er Jahre bestens überstanden und sind teils sogar bei der Gen Z angekommen. Das ist etwas absurd, denn – und das wird heute Abend mehr als deutlich – Keanes Sound ist wirklich alles andere als am Puls der Zeit. Diese gleichzeitig herzzerreißende, aber auch unbekümmerte Hymnenhaftigkeit, die die vor allem durch Klavier und Sänger Tom Chaplin ausgezeichnet ist, wirkt wie aus einer anderen Zeit. Einer, in der die (Musik-)Welt noch eine andere war und solche Gesten noch den Zeitgeist bestimmten. Es ist aber vor allem der Live-Qualität dieser Band zu verdanken, dass die Songs immer noch genau so ins Herz schießen wie vor zwei Jahrzehnten.

Mehr als Nachlassverwaltung

Keane lieben ihre Songs. Was bei vielen Bands, die schon lange dabei sind, nicht mehr wirklich abkaufen mag, beweist das Quartett mit jeder Faser: Pianist und Backing Sänger Timothy James Rice-Oxley spielt das Klavier mit seinem ganzen Körper, Chaplin tanzt, taumelt und feiert auf der Bühne, Bassist und Gitarrist Jesse Joseph Quinn (kam übrigens erst 2011, also nach dem Hype dazu) sowie Schlagzeuger Richard David Hughes genießen mit geschlossenen Augen. Dazu gibt es eine reduzierte Bühnendekoration, die die behutsamen Balladen in sanftes Licht taucht und zuckt in den Indie-Rock-Momenten durch die Gegend. Das ist schön und fühlt sich zu jedem Zeitpunkt nach viel Liebe zum Projekt und nicht nach Cash Cow an. Und vor allem: zu jeder Sekunde nach Keane. Die Sache mit dem Trademark-Sound hat das Quartett jedenfalls durchgespielt.

Wie es sich für eine Jubiläumstour gehört, spielen Keane das gesamte „Hopes and Fears“-Album, dazu kommen die großen Hits aus anderen Alben wie eben „Crystal Ball“ oder „Is It Any Wonder?“. Die Songs aus „Hopes and Fears“ bilden dabei die hymnische Grundlage, die in Tracks 7-10 ein Mini-Stimmungstief erfährt. Der kantigste Track des Albums „Untitled 1“ sprengt dann an Setlist-Platz 13 die Skala und bringt die Halle vor zerfransten und dysharmonischen Vibes zum Beben, danach bleibt das Konzert bis zum Ende ein reiner Fiebertraum. Wie viele Hits hat diese Band bitte? Wie schön singt das Kölner Publikum mit? Wie unfassbar schön ist dieser tief-melancholisch-zum-Weinen-gemachte Sound? Und vor allem: Wie unfassbar gut singt Tom Chaplin bitte? Gesanglich war das hier mit das Beste, was die Indie-Welt zu bieten hat. 2024 wie 2024.

Dieser Abend wird dabei noch lange nachhallen – und „Hopes and Fears“ hat damit die Feuerprobe ohne einen einzigen Kratzer überlebt. Keane sei Dank.

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