Post-Rock-Konzerte sind immer wieder eine besondere Angelegenheit. Hat man Glück, schafft es das Publikum, während die Bands spielen, größtenteils den Mund zu halten, Handys erblickt man nur vereinzelt und die Zuschauer tanzen ausgelassen, aber rücksichtsvoll und feiern die Band. Manchmal scheint es sogar so, als sei hier die Zeit stehen geblieben und Trends wie Snapchat, Instagram und Co. gäbe es gar nicht. Das ist nicht nur eine angenehme Abwechslung zu normalen Hardcore- und Rock-Shows, sondern oft ebenso musikalisch sehr spektakulär. Auch als die britische Post-Rock-Band And So I Watch You From Afar mit ihrem fünften Album „The Endless Shimmering“ im Gebäude 9 in Köln Halt machte, sah das nicht anders aus.
Als Support durften jedoch erstmal KID DAD aus Paderborn ran. Die vier Studenten, alle noch blutjung, bewiesen in ihrer halbstündigen, sehr professionellen Show zum wiederholten Mal, warum wir sie noch immer zu den heißesten Newcomern und Hoffnungen des nächsten Jahres zählen. Oft von atmosphärischem Licht und Nebel unterlegt, verausgabten sich die Jungs, die teilweise auch mit einer Zeitmaschine aus den 90ern angereist sein könnten, an ihren Instrumenten und spielten fast ausschließlich neue, unveröffentlichte Songs, die sich stilistisch ein wenig vom Grunge-Rock der Debüt-EP „Disorder“ entfernen und neben vielen krachigen Riffs auch etliche atmosphärische instrumentale Parts enthielten. Der Support-Slot vor And So I Watch Your From Afar ergibt demnach durchaus Sinn. Als letzten Track kramte man dann doch eine alte Klamotte aus der Hintertasche und knallte der sichtlich begeisterten Menge das hymnische „Rehab“ um die Ohren. Wenn im nächsten Jahr hoffentlich das Debütalbum dieses talentierten Quartettes erscheint, für das man laut eigener Aussage momentan noch spart, wird das sicherlich extrem wachsen. Ganz großes Kino. Hier könnte man da mal reinhören.
Kurz darauf standen auch schon And So I Watch You From Afar, oft als ASIWYFA abgekürzt, auf der Bühne und knallten dem für einen Sonntag erstaunlich tanzfreudigen Publikum ihre vertrackten, oft getappten Riffs vor die Stirnlappen. Mal erhoben alle vier Bandmitglieder ihre Stimmen zu „Eh-Oh“-Chören, mal ließen die Bandmitglieder komplett die Musik für sich sprechen. Das tat diese auch wunderbar, lud zum headbangen, tanzen und träumen ein. Das Publikum lauschte brav, erwiderte die Chöre der Band und wusste in den richtigen Momenten in Getümmel durcheinander zu springen. Unterlegt wurde der Auftritt der Post-Rock-Band vor allem von reichlich Stroboskoplicht – Epileptiker sollten sich hier in Acht nehmen!
Der 85-minütige Gig von Schlagzeuger Chris Wee, den Gitarristen Rory Friers und Niall Kennedy und dem in der Mitte thronenden Bassisten Jonathan Adger hielt einen Querschnitt durch die komplette Diskographie der Band, die seit 2005 besteht, bereit. Die fast Breakdownartigen Übergänge in die Soundausbrüche leitete vor allem Gitarrist Friers mit in die Höhe schießenden Whammy-Tönen ein. Die Songs des Quartettes sind jedoch facettenreich genug, als das beim Hörer nur ansatzweise so etwas wie Langeweile entstehen könnte, obwohl Ausbruch auf Ausbruch folgt. Nach einem letzten Blitzlichtgewitter hinterließen And So I Watch You From Afar das Gebäude 9 mit offenen Mündern und Erinnerungen an einen tollen Konzertabend, der dank der Musik vor allem auch durch das entspannte Publikum zu dem wurde, was ihn auszeichnete. Hach sind Post-Rock-Konzerte doch schön!
Und so hört sich das an:
And So I Watch You From Afar: Website / Facebook / Twitter / Instagram / Bandcamp
KID DAD: Website / Facebook / Instagram
And So I Watch You From Afar + KID DAD live 2017:
14.11. – Essen, Zeche Carl
15.11. – Hamburg, Knust
Fotos von Jonas Horn.
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