ARXX im Gebäude 9 in Köln: Weinen in der Waschstraße

Warum sich der Blood-Red-Shoes-Drummer Steven Ansell an einem herbstlichen Montagabend mit 400 FLINTA und 2,5 Gummi-Hunden zum Song “Weinen in der Waschstraße” im Kölner Gebäude 9 aufhält? Logisch – Auslöser kann nur die größte ARXX-Headliner-Show ever (bis jetzt!) sein. Ansell ist als Produzent beider Alben des Duos natürlich dabei, wenn Hanni und Clara in knapp 80 Minuten jegliches Herz im Club erobern. Wie das auch nach der Verabschiedung aus der Punk-Ära und dem Eintritt in die Synth-Pop-Welt so unglaublich gut funktioniert? Sagen wir euch.

Kollektives Weinen mit Grandma’s House

Wer das Gebäude 9 viele Monate vor dem Konzert ausverkauft, darf natürlich auch einen tollen Support-Act mitbringen. Der kommt heute in Form von der vierköpfigen Band Grandma’s House auf die Bühne. Die kann zur Hälfte überraschend gut Deutsch, zu 3/4 unglaublich gut singen und zu 100% atmosphärischen Grunge mit Melodie-Verliebtheit spielen. Musikalisch ist das hier sehr klug komponiert, die drei verschiedenen Gesangsstimmen machen mit ihrer heiseren Melancholie einiges her. Ganz großer Geheimtipp! Sympathisch sind die vier dazu auch noch – kein Wunder, dass sie gemeinsam versprechen, nach ihrer ersten Köln-Show überhaupt erstmal gepflegt mit ARXX zum Abschied nach der gemeinsamen Tour zu weinen. Fühlt das Publikum und feiert die Band sehr lieb.

Überhaupt lieb: Das ist dieser Abend von der ersten bis zur letzten Sekunde sowieso. Selbst in der Umbaupause erklingt die FLINTA-Playlist, die queere Herzen höherschlagen lässt. Zu Fletchers “Becky’s So Hot” wird erstmal ein größerer Chor aufgefahren, als viele Konzerte je erlebt haben – es ist nun mal kein Zufall, dass das ARXX-Konzert wenige Tage nach dem Support-Gig für Fletcher in Köln ausverkauft war. Um 21 Uhr ist dann aber auch Zeit für Hanni und Clara, die mit dem Synth-lastigen “Trouble” starten und direkt das hittige “Deep” folgen lassen. Zwei Hits zum Start, klar, das können die beiden nach Album Nummer 2 locker bringen. Besonders toll wird es aber dann, wenn die Brit*innen auch aus dem chaotischen Nähkästchen plaudern.

ARXX sind schüchtern, aber niemals langweilig

Und plaudern tun Clara und Hanni beide sehr gern. Beziehungsweise – eigentlich nicht, wie Hanni zwischendurch zugibt. Dafür dass die beiden sich selbst aber sehr schüchtern und unsicher bezeichnen, bieten sie aber mehr Unterhaltungswert als die meisten großen Poser*innen. So gibt es zwischen den Songs kleine, persönliche Anekdoten zu den Songs (oder auch dazu, wie 2,5 der Gummihunde, die zu “Good Boy” geworfen werden, die Tour nicht überlebt haben), jede Menge Selbstironie , aber auch direkte Interaktionen mit dem Publikum zu bereits bekannten Fans. Das ist durchweg maximal lieb, maximal witzig und maximal herzerwärmend. Clara und Hanni sind eine Einheit, das merkt man also auch zwischen den Songs. Musikalisch sowieso: Clara pusht die Songs am Schlagzeug kompromisslos nach vorn, mal im knackigen Punk der alten Tage (“Ride Or Die”), mal poppig im elektronischen Cover von Sophie Ellis-Baxtors “Murder On The Dancefloor”, mal repetitiv nach vorn wie im aktuellen Albumtitelsong “Good Boy”.

Hanni ist derweil mit einer gleichermaßen schönen wie kräftigen Stimme gesegnet. Die nutzt Hanni, um erstmals im maximal intimen Rahmen über persönliche Dinge zu singen: Über den Tod einer geliebten Person im Klavier-getragenen “Ocean”, aber auch über die eigene Story als non-binäre Person in der Trans-Hymne “Swim”. Queer Joy und bittere Tränen gibt’s hier aus einem angenehm ‘authentischen’ Setting, aber eben auch: Jede Menge Liebe & Sex. Das wird mal hymnisch gefordert wie im breiten Refrain von “Love Me Again”, mal im Autotune-Regen zelebriert wie in “All Night”. Einmal die ganze emotionale Bandbreite also (“Iron Lung” fehlt als einziger Hit in der Setlist!) – und das Publikum liebt’s. Laut wird jedes Wort mitgesungen, immer wieder erklingt ein “We love you!” durch den Raum. Dazu gibt es noch kleine Deutschlern-Kurse für Hanni. Und das führt auch zum ikonischsten Moment des Abends: Beim Fletcher-Konzert hatte Hanni noch versprochen, einen Song auf deutsch zu performen, wenn sich die Köln-Show ausverkauft. Gesagt – getan: Zu “Weinen in der Waschstraße” feiert das gesamte Gebäude 9 diese maximal liebe Band mit diesen maximal hittigen Songs.

Die nächste ARXX-Tour darf gerne auch noch größer werden. Wer hätte es sonst so verdient?

Und so hört sich das an:

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Beitragsbild von Julia.

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