Beartooth, Kulttempel Oberhausen, 20.08.2018

Metalcore hat es wirklich nicht leicht. Den meisten großen Bands wird wenig Innovation vorgeworfen, nur wenige Bands schaffen den großen Sprung. Wieso gelingt es gerade Beartooth, diesem angestaubten Genre so viel abzugewinnen? Woher kommt der Hype, der rasend schnell den Kulttempel an zwei aufeinander folgenden Tagen ausverkaufte?

Im sehr atmosphärischen Kulttempel fühlt man sich wirklich wie in einer Stätte irgendeiner Sekte. Skelette hängen an der Wand, riesige Heiligenbilder zieren die Fenster, der Bau erinnert an eine steinerne Kirche. Auf die Bühne dürfen zuerst Skywalker, die eine klassische Verbindung aus Post-Hardcore und Metalcore präsentieren. Klingt direkt sehr eingespielt, nur der große Hit scheint noch zu fehlen. Zum Ende des Sets lässt Sänger Jay einige schöne Statements zu Themen Diversität und Mental Health fallen – ein ordentlicher Einstieg, die Moshpits haben auch schon funktioniert. Als nächstes stürmen Loathe die Bühne, Sänger Kadeem France stellt sich mit einer zerrissenen Maske vor das Publikum, extra aufgestellte Bildschirme flackern, der Saal ist stockduster. Die kirchliche Atmosphäre ist definitiv passend – hier aber eher für eine satanische Messe. Im Folgenden spielen die Briten ein knallhartes Metalcore-Set, das zwar auch Synthies und einige Clean Vocals zulässt, größtenteils aber in viel härteren Ligen spielt als die anderen Bands des Abends. Das haut ziemlich rein, das Publikum ist aber dennoch eher etwas überfordert und irritiert.

Der Laden ist ausverkauft. Das merkt man, als endlich Beartooth auftreten, denn schon beim Opener “The Lines” geht ein riesiger Ruck durch den Kulttempel – und gefühlt jede einzelne Person drängt nach vorne, in den Pit. Schon nach dem zweiten Song “Beaten In Lips” zeigt sich Sänger Caleb Shomo sichtlich begeistert und stellt fest, dass dieser Abend definitiv noch krasser sei als der erste der beiden Oberhausen-Auftritte. Die Crowd dankt es ihm, indem sie mal eben durch das gesamte Set die gleiche Energie aufrechterhält. Jeder einzelne Song wird gefeiert, mit riesigen Moshpits, mit lautem Gesang, mit empor gerreckten Fäusten. Der Kulttempel erweist sich zwar als wunderschön, der Sound stimmt auch, dennoch hätten 100 Leute weniger dem Publikum auch gut getan. Sei’s drum, auch eingeengt geben die Fans alles für ihre Band, die den Metalcore beherrscht, als würden sie seit 20 Jahren auf der Bühne stehen. Man vergisst gerne, wie jung die Band erst ist. Schlagzeuger Conor Denis feiert heute seinen 22. Geburtstag. Auf der Bühne einer der beliebtesten Metalcore-Bands der Stunde. Das muss man auch erstmal schaffen!

Beartooth bieten viel Material für die Pits und dennoch wären sie es, die ich Leuten empfehlen würde, die mit Metal generell nicht viel anfangen können. Denn trotz der Härte einiger Riffs und der Ausbrüche Shomos bieten die Songs so einen hohen Mitsing-Effekt, wie es sonst nur Pop- und Mainstream-Lieder schaffen. Vermutlich könnte man am Sonntag zum ersten Mal bei Beartooth gewesen sein und Montag schon alle Refrains mitsingen. Das zeugt vielleicht von keiner sonderlichen Raffiniertheit der Musik, aber das wollen Beartooth auch gar nicht. Sie wollen die Pits, die Eskalation. Und die kriegen sie eben mit genau diesen Songs. Ende September erscheint das neue Album der Band, “Disease”, zu dem Shomo ebenfalls Mental Health Statements äußert. Er sei sich sicher, dass die Musik zumindest helfen würde und schließlich doch alle zusammenhalten würden, die heute hier sind. Drei Songs sind bereits erschienen, sie passen so hervorragend zu dem restlichen Set, dass man sich da wohl keine Sorgen machen muss, dass sie plötzlich doch keine Lust mehr auf Metalcore haben.

Zu “Body Bag” wird schließlich Kadeem von Loathe zum härtesten Song des Abends auf die Bühne geholt, Sänger Jay von Skywalker darf bei “In Between” mithelfen. Übrigens natürlich immer noch der größte Beartooth-Song. Woran man das heute messen kann? Es schien, als hätte das Publikum sich zuvor abgestimmt, mit der Crowdsurfer-Anzahl ausdrücken zu wollen. Klarer Sieg geht an “In Between”, es wirkte, als wäre der ganze Saal auf ein Mal oben und würde einzig von der Musik getragen werden. Der Schweiß tropft von allen Körpern, die Show ist nach 14 Songs vorbei, es fühlte sich viel länger an, so viel Energie wurde heute da reingesteckt. Beartooth perfektionieren die Metalcore-Party. Was könnte man mehr wollen?

Und so hört sich das an:

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Rechte am Beitragsbild liegen bei Julia Köhler.

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