Die Schlange vor der Kantine ist lang an diesem feucht-kalten Nikolaustag. Nur langsam bewegt sich die unbeabsichtigte Menschenkette erst durch das Metalltor auf das Kantinen-Gelände und dann in die Halle rein zu Garderobe und Bühne. Auf letzterer stehen mit wenig Verspätung dann Brockhoff und Band, im Gepäck eine halbe Stunde Traumtanz. Brocki aka Lina Brockhoff leitet routiniert durch das Set, das etwa zur Hälfte aus Songs ihrer „Sharks“-EP sowie unveröffentlichtem Material besteht. Vor und auf der Bühne lauscht und tanzt man währenddessen in sich hinein, lässt Alltag und Sorgen für eine Zeit passé sein. Dann ein letzter begeisterter Applaus. Gemurmel. Bar- und Klogang. Getümmel auf der Bühne. Umbaupause.
Betterov spielte – das erzählt der 28-Jährige – in Vorpandemiezeiten selbst einmal mit seiner damals noch jungen Musik im Vorprogramm der Kaiser Chiefs in der Kantine. Heute haben die knapp 1000 Personen im Raum – das Konzert ist erst aus dem Luxor hochverlegt worden und nun seit einigen Wochen ausverkauft – nur für ihn gezahlt. Das Auftreten ist ein für eine erste eigene größere Tour ambitioniertes: Scheinwerfer schneiden zum Einstieg durch den Saal, imitieren in Bewegung und Puls den Bombast-Einspieler. Es flackert, es flimmert. Es rauscht, es wummert. Das heute betourte Debüt Betterovs hört eben nicht umsonst auf den Namen „Olympia“. Hauptprotagonist und Band treten anschließend aus dem Backstage an ihre Instrumente und auf das reguläre Albumintro – die „Eröffnungsfeier“ – folgt der Gedankenkreis-Lobgesang „Schlaf Gut“.
Innerhalb der nächsten 80 Minuten wird Betterov mit seinen drei Mitstreitern das komplette Album darbieten und auch nahezu alle anderen bisherigen Veröffentlichungen. Seine zwei größten Stücke – den „Dussmann“ sowie „Viertel Vor Irgendwas“ – wird er gar doppelt servieren. Nach einer Handvoll Songs nämlich verlässt die Band die Bühne und ein E-Piano wird herbeigetragen. Zweistimmig singen Betterov und Fans so lauthals die zwei Songs, die eine solche Wucht entfalten, man möchte fast von Hymnen denn von Liedern sprechen.
Bis zu diesen ausgedehnten Momenten liegt eine gewisse Spannung in der Luft, so als seien gewisse Energien zwar vorhanden, aber noch nicht ganz freigesetzt. Wenn anschließend die drei Mitmusiker wieder zu ihrem Lärmgerät greifen, dann scheinen sich diese Energien zunehmend ihren Weg in den Raum zu bahnen. Spätestens als Betterov zum zweiten Mal die ersten Zeilen von „Viertel Vor Irgendwas“ ansetzt – diesmal in der Vollversion – mutiert bedächtiges Tanzen zu (un)kontrollierter Körperakrobatik in Pit und Umgebung. Hatte Brockhoff eingangs noch den O.S.T. zum Gedankenschweifen geliefert, so schreibt Betterov kollektive Ekstase aus. Abschließend kommt die Crew auf die Bühne: Verbeugung. „Siegerehrung“. Ströme aus der Halle hinaus. Und wieder: Menschenstau. Schlange stehen.
Und so hört sich das an:
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Betterov live 2023:
26.01. Konstanz, Kulturladen
31.01. Nürnberg, Z-Bau (hochverlegt)
01.02. Magdeburg, Moritzhof
03.02. Hannover, Musikzentrum (ausverkauft)
04.02. Osnabrück, Haus der Jugend (ausverkauft)
05.02. Heidelberg, Karlstorbahnhof
07.02. Essen, Zeche Carl
08.02. Fulda, Kuz Kreuz
10.02. Kaiserslautern, Kammgarn
11.02. Koblenz, Circus Maximus
12.02. Freiburg, Jazzhaus (hochverlegt)
14.02. Stuttgart, Im Wizemann (Club)
15.02. Dresden, Beatpol (hochverlegt)
16.02. Jena, Kassablanca
17.02. Bremen, Schlachthof (hochverlegt)
18.02. Hamburg, Uebel & Gefährlich (Zusatzshow)
Foto von Jonas Horn.
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