Es kreischt, fiept, lärmt. „Vielen Dank, Düsseldorf! Wir sind Biffy… Fuckin… Clyro!“, plärrt Simon Neil über die Lärmkulisse in sein Mikrofon. Dann tritt er einen Schritt zurück und schreitet von der Bühne. Das Hallenlicht wird hochgefahren. Michael Jackson säuselt aus der PA. Ein Menschenstrom schiebt sich, tanzt Richtung Ausgang. Vorausgegangen sind dem ein 105-minütiges Arena-Spektakel ganz ohne typische Gesten. Biffy Clyro eben.
Die Schotten gehören seit jeher zu der Kategorie Arena-Rock, die sich trotz der übergroßen Refrains und pompigen „Ahhs“, „Ohhs“, „Wohs“ und „Heys“ immer ihre Kanten bewahrt haben. Die Band – live wächst die Truppe mittlerweile auf Septett-Größe an – nämlich hat die Angewohnheit ihre Stadion-Hymnen fies aus dem gewöhnlichen 4/4-Takt zu ziehen, hier und da mal eine kurze Pause oder Verschiebung einzubauen und zwischendrin auch einfach mal eines zu wollen: Lärmen. Arenen füllt das Ganze mittlerweile trotzdem – auch weil so mancher Single-Edit die krachigen Ausbrüche ausradiert und so problemlos im Radio laufen kann. Die Düsseldorfer Mitsubishi Electric Halle kennt die Band gut, hier spielte sie 2013 bereits mit dem Arena-Katapult „Opposites“ im Gepäck. Damals war ebenjene Halle zwar ein wenig voller, an Inflation und Covid-Pandemie dachte da jedoch noch niemand.
Heute touren Biffy Clyro anlässlich gleich zweier neuer Alben, erschienen 2020 und 2021. Von denen gelangen acht Songs in das insgesamt 22-Lieder starke Set. Drei davon stehen gleich zu Anfang: „DumDum“ übernimmt vom Richard Strauss-Einspieler und strickt ein dichtes Geflecht aus Synthesizer und Gitarrensounds. Träge schleppt sich der Song über die Ziellinie, nur um dann in das opulent-zackige „A Hunger In Your Haunt“ abzubiegen. Sich zu seiner vollen Größe aufschichten möchte der Song aber nicht. Dafür fehlt vielen Anwesenden vermutlich ein wiederholter Live-Eindruck der in seiner Struktur doch sperrigen Nummer. „Tiny Indoor Fireworks“ hat es leichter. 2018 bereits festivalerprobt reduziert der die Takt-Tricksereien auf ein Minimum und schafft so erste Singalongs. Von da an reiht sich lange erprobtes Altmaterial an Jungfräuliches, Balladeskes an Hymne. Besonders eskalativ: „That Golden Rule“ und „Bubbles“. Besonders nahbar: Neil und Gitarre in „Machines“ und „Re-Arrange“ (Klatschspielchen: Lieber lassen).
Anfangs noch in dunklem Regenparka, später dann oberkörperfrei, spielt Neil den düsteren Rock-Beschwörer und kitzelt mit aufgekratzten deutschsprachigen Ausrufen vor den hymnischen Hooks immer die letzte Energie aus den Fans. Er und die Zwillinge Ben und James Johnston an Schlagzeug und Bass werden wie gewohnt von den Ex-Oceansize-Tüftlern Mike Vennart und Gambler unterstützt. Erstmals fügen den Songs zusätzlich zwei Violinistinnen eine weitere Dimension hinzu, die so bislang nur in den Studioaufnahmen stattfand. Dementsprechend breit ist die Soundwand, die aus den Boxen auf die Zuschauer*innen niederprasselt. Fernab davon umschiffen Biffy Clyro jegliches die Massen begeisterndes Standardrepertoire. Es gibt keine Feuerwände, keine minutenlangen Spielchen zwischen den Songs, keine B-Bühne, kein Konfetti. Im Mittelpunkt steht die Band und deren Musik, in Szene gesetzt von einer beeindruckend abgestimmten Lichtshow, die flackert, blitzt, blinkt. Mehr nicht. Und mehr braucht es auch nicht. Die Moshpits sind groß, die Chöre laut. Vor der Zugabe dann schallen nicht die typischen Forderungen nach mehr durch die Halle: es sind „Biffy Clyro“-Chöre.
Mehr Biffy Clyro gibt es hier.
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Foto von Jonas Horn.
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