Daði Freyr, Club Bahnhof Ehrenfeld Köln, 27.04.2022

Manchmal zieht man im Leben einfach die dickste Arschkarte. Dadi Freyr – ok, streng genommen “Daði”, aber das kriegt in Deutschland ja sowieso niemand hin – war einem Sieg beim Eurovision Song Contest zum Greifen nah. Zumindest im Konjunktiv. Denn der fand 2020 bekanntlich gar nicht statt.

Zwar gab es mit The Roop aus Litauen eine Konkurrenzband, die nicht außer Acht gelassen werden darf, aber der Isländer war einfach schlichtweg schon mehrere Wochen vorher in aller Munde und galt als absoluter Gewinner. Das wäre der erste Sieg für das nördlichste Land Europas beim größten Musikwettbewerb der Welt gewesen. Sie haben es wirklich schon ewig probiert, aber eben nie geschafft. Doch dann kommt diese kleine, böse Pandemie und damit die Absage. Wie ein Sechser im Lotto – man hat nur den Lottoschein verbummelt.

Glücklicherweise wurde dem herrlich nerdigen 2,08m-Typen eine zweite Chance gegeben und Dadi fuhr mit seiner Truppe 2021 nach Rotterdam. Zwar hatte man auch da erneut einen ziemlich guten Song und eine aufregende Performance am Start – nur erneut wieder unfassbares Pech. Kurz vor dem großen Tag erkranken einige Mitglieder der Band an Corona. Kollektiv entscheidet man sich dazu, nicht aufzutreten und stattdessen nur die vorab aufgenommene Probe zu zeigen. Das reichte zwar trotzdem für einen starken vierten Platz. Was wäre passiert, wenn…?

Egal. Es lohnt sich nicht, sich weiterhin in optionalen Szenarien zu verrennen. Denn eines hat das Ganze doch gebracht: Eine ziemlich fette Fanbase. Dadi verkörpert eine Art Mensch, die wohl den perfekten Zwischenweg aus Talent, Kreativität, Lockerheit und ein wenig Verrücktem darstellt. Damit lassen sich bekanntlich auch Hallen ausverkaufen. So auch in Köln. Der Club Bahnhof Ehrenfeld ist laut Angaben des Künstlers die kleinste Venue der Tour. Richtig intim und kuschelig. Und selbstredend bis zum Äußersten gefüllt.

Das Publikum trudelt sehr entspannt erst kurz vor Beginn des Konzerts vollständig ein. Rechtzeitig anwesend zu sein, lohnt heute alle Male. Denn zuvor darf um 19:55 Uhr Florence Arman auf die Bühne. Die in Österreich geborene und lebende Künstlerin stammt aus einer britischen Familie, quatscht mit der Crowd auch nur auf Englisch mit bloody britischem Akzent und spielt 35 Minuten lang extrem coolen, sehr modernen Indie-Pop mit Hip-Hop- und Electro-Versatzstücken, die an Billie Eilish zu ihren Anfangszeiten erinnern. Das Publikum klatscht für einen Voract außergewöhnlich laut. Völlig berechtigt. Songs wie “Naked” und “In a Heartbeat” zünden auf Anhieb. Einmal fix bei Spotify abonnieren bitte, danke!

Der Hauptact betritt um Punkt 21 Uhr die Bühne und läuft dafür einmal durch den gesamten Club am Publikum vorbei. Das scheint auch Dadi Freyr untypisch zu finden und macht es noch vor dem ersten Song zum Thema. Von dem Moment an geht es aber für fast 80 Minuten mit Power, Enthusiasmus und unverschämt viel Coolness durchs Programm.

Ja, welches Wort soll man hier eigentlich sonst wählen? Der Wahl-Berliner, der bald 30 Jahre jung wird, ist einfach die Coolness in Person. Mit seinem E-Gitarristen und einer talentierten E-Drummerin gibt es innerhalb weniger Sekunden Dancefloor-Feeling als wäre es 2008. Die Indie-Clubs sind wieder geöffnet, man hört einen hookigen Track nach dem nächsten und kann nicht mehr aufhören zu tanzen. So scheint es sehr vielen im Raum zu gehen, denn hier wird durchweg geschwoft und gelächelt.

Wer “10 Years” und “Think About Things” aus den beiden letzten ESC-Jahrgängen liebte – natürlich befinden sich beide im letzten Viertel des Programms – kann an jenem Abend noch eine ganze Menge anderer Songs entdecken, die dem Ganzen an Catchyness sehr nah kommen. Highlights sind der sensationelle Ohrwurm “Sabada”, der Anfang März als Single erschien, der bisher nur live zu hörende “Thank You” und genauso auch die isländischen Titel, bei denen es überhaupt nicht stört, das man kein Wort versteht.

Dazwischen reißt der Mann in den schwarzen Klamotten und den langen blonden Haaren Situationskomikgags am laufenden Band und unterhält einfach verdammt gut. “Ich spiele jetzt Musik und ihr werdet es lieben”. Wo er Recht hat. Trotz Selbstüberzeugung kommt das Indie-Pop-Talent nie überheblich rüber, sondern bleibt einfach der Buddy, mit dem man mit einem Bier in der Hand am liebsten direkt zu seinen Songs abspacken will.

Ein sehr kurzweiliger Abend mit Liedern, die man schnell wiederhören mag. Ja, auch das “Durch den Monsum”- und “Ententanz”-Cover. Kann man sich nicht ausdenken. Ein Typ, den man schnell wiedersehen möchte. Und ein Konzert, bei dem sich alles einfach wieder so herrlich leicht und gut anfühlt. Pre-Covid. Kalender gezückt: Am 25.7. ist der Jung wieder in Kölle.

Und so hört sich das an:

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Bild von Christopher.

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