Musik möchte auch in geeigneten Räumlichkeiten aufgeführt werden. Der zum tanzen einladende Mittvierziger-Indie von Get Well Soon, dem Solo-Projekt des Mannheimer Produzenten, Songwriter und Multiinstrumentalisten Konstantin Gropper, gehörte bislang stets in den gehobeneren Club. Da eigneten sich die Lokalitäten des Kölner Gloria Theaters bestens, um bei genug Bewegungsfreiheit nicht zu enthusiastisch das Tanzbein zu schwingen. Mit seinem sechsten Album, dem vertonten Unbehagen „The Horror“, wagte das Ausnahmetalent Mitte des Jahres einen gelungenen Ausflug in Richtung Bombast und erweiterte seinen Sound durch einen guten Schuss orchestraler Elemente. Somit passt es also, dass die zu der Platte gehörige Tournee den Musiker mit seiner 13-köpfigen Bigband durch die deutschen Theater, Konzertsäle und Philharmonien jagt.
Mitte Oktober stand dann die zwar nicht randvoll, aber ordentlich gefüllte Kölner Philharmonie auf dem Plan. In der durfte pünktlich zu Konzertbeginn – man befindet sich ja in einem seriösen Konzertsaal – zunächst Sam Vance-Law, auch Mitglied der Get Well Soon Bigband, ran. Ebenfalls ist es natürlich ein großer Zufall, dass Gropper auch das Debütalbum „Homotopia“ des Kanadiers mitproduzierte. Der spielt sich mit seinen Mitmusikern eine unterhaltsame halbe Stunde durch seinen Erstling, der den Hörer auf wunderschön-humoristische Weise durch das Leben als homosexueller Mensch im Jahr 2018 führt. Da wär die Religionskritik in „Faggot“, in dem das lyrische Ich seine Liebe zu Gott äußert, gleichzeitig jedoch bemerkt, dass dieser seine Liebe seiner Sexualität wegen nicht erwidert, das die endlich rechtlich mögliche gleichgeschlechtlichen Eheschließung preisende „Let’s Get Married“ oder die Gay-Fantasie eines verheirateten Mannes in „Isle Of Man“.
Um die Liebe ging es auch in den Songs des Musikers, wegen dem wohl jeder, der in der Domstadt etwas auf sich und seinen Musikgeschmack gibt, in die Innenstadt gependelt war. „Love“ heißt das vorletzte Studioalbum Get Well Soons, das sich gänzlich auf innige zwischenmenschliche Beziehungen fokussierte und dem Projekt mit „It’s Love“ sogar einen kleinen Hit spendierte. Der folgte im Set natürlich pünktlich zur Zugabe. Einige Minuten zuvor hatten die Musiker mit dem reduzierten „33“ einen emotionalen Höhepunkt geschaffen, der etwas später musikalisch vom grandiosen Ausbruch in „Marienbad“ – ebenfalls von dieser Platte – abgelöst wurde. Ansonsten konzentrierten sich die vierzehn Menschen auf der Bühne vor allem auf das Werk, das man nun betourte: „The Horror“.
Gleich zehn Stücke seines aktuellen Werkes performte Mastermind Constantin Gropper mit Unterstützung von Violine, Euphonium, Posaune, Trompete, dem Geräusch eines joggenden Mannes (genial!) und zahlreichen anderen Instrumenten. Dabei blieben die Protagonisten teilweise gänzlich im Dunkeln. Die simple, aber effektive Lichtshow stellte nicht einzelne Musiker oder gar den Anführer der bunten Truppe in den Vordergrund, sondern unterstütze stets die Atmosphäre der Stücke. Besonders den eher ruhigen Songs stand diese Untermalung.
Knapp 105 Minuten klebten alle Anwesenden an den Lippen und Händen des Mannheimers und dessen Mittstreitern, die auf unterhaltsame Ansprachen verzichteten. Der Musik würden allzu lockere Späße jedoch auch nicht gerecht werden. Der Auftritt Get Well Soons wurde der anspruchsvollen sechsten Platte gegensätzlich dazu absolut gerecht, zu dem der eindrucksvolle Konzertraum, der perfekte Sound und die tollen Musiker einen nicht unerheblichen Anteil beitrugen. Da setzt man sich doch gerne mal einfach nur hin und lauscht!
Und so hört sich das an:
Get Well Soon live 2018:
28.10. – Stuttgart – T1 Theaterhaus
Foto von Jonas Horn.
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