Plattenkrach: Gwen Stefani – Love, Angel, Music, Baby

Gwen Stefani - Love Angel

Die Frontfrau von No Doubt, die Pop-Queen Luis‘ Herzens, veröffentlichte vor 14 Jahren ihr Solodebüt. Für die einen ist dies eine Platte von vielen, für manche ist sie mehr als das. Mit Yvonne und Luis haben sich zwei geeignete Repräsentanten der beiden Seiten gefunden. Lest in diesem Plattenkrach, was man von „Love, Angel, Music, Baby“ von Gwen Stefani heute noch halten kann – oder eben nicht.

Luis sagt:

2004 war eine andere Zeit. Gefühlt bestand Pop-Musik damals nur aus zeitlosen Hits und heute nur aus Chainsmokers-Schrott. Eine der Königinnen dieser Zeit – wenn nicht die eine – ist meiner Meinung nach Gwen Stefani. Sie wird zu Unrecht seltener neben Sternchen wie Britney oder Beyonce erwähnt, dabei brachte sie so viel mehr Qualität. Einen besonderen Status hatte sie schon vor ihrer Solokarriere als No Doubt-Sängerin. Doch erst mit dem ersten von drei Soloalben konnte sie sich als Legende beweisen. „Love, Angel, Music, Baby“ ist, anders als die meisten Pop-Alben, durchweg gut. Mit Unterstützung von unter anderem André 3000 oder Dr. Dre kombinierte sie gekonnt den damals aktuellen Pop- mit klassischem 80er-Sound. Dies war wohl keineswegs ein leichtes Unterfangen und das Album auch kein Hingeklatschtes. Ich stelle mir jede Menge Kopfzerbrechen während der knapp zweijährigen Produktionsphase vor. Für 12 Songs, die bis heute einen besonderen Klassiker bilden.

Mit „What You Waiting For?“ startet das Album. Ein kräftiger Clubbanger, der das Gefühl beschreibt das Gwen zum Album trieb: Sie ist in ihrer Blütezeit, es ist Zeit Hits zu schreiben. Trotz persönlich formulierten Zeilen wie „Look at your watch now, you‘re still a super hot female/ You got your million dollar contract, and they‘re all waiting for your hot track!“ spricht der Song vorallem alle jungen Leute an. „Take a chance you stupid hoe“, eine Hymne zum Zweifel ablegen und sich fallen lassen. Mit ähnlichen Motiven arbeiten die folgenden Songs „Rich Girl“ und „Hollaback Girl“. Sie gehen so sehr nach vorne wie Songs nur nach vorne gehen können und sind deshalb noch heute Hits. Gwen betont hier vorallem gute Laune, Frauenpower und Angriffslustigkeit. „Hollaback Girl“ kann als Disstrack in Richtung Courtney Love gesehen werden, die Gwen abwertend als Cheerleaderin der Popwelt bezeichnete. Im zugehörigen Musikvideo trieb die Sängerin das Cheerleadertum dann auf die Spitze.

„Cool“ ist eine weitere Singleauskopplung des Albums und der erste Song, der in eine deepe Richtung geht. Gwen sagt mit wenigen Worten viel und besingt die spätere Freundschaft zu einem früheren Partner. „After all that we’ve been through – I know we‘re cool“ ist so schaurig-schön, das es Gänsehaut hervorbringt. Dieser und der nächste clubtaugliche Banger „Bubble Pop Electric“ sind persönliche Highlights. Letzterer enthält einen Dialog zwischen Gwen und ihrem Lover, der sie heute Nacht verführen soll. Dieser wird von niemand geringerem als Johnny Vulture, bekannter als André 3000, gesprochen, der auch auf dem Outro des Albums mitsingt.

Auf den folgenden sieben Songs zieht sich, um an dieser Stelle nicht auf jeden einzelnen einzugehen, vorallem der 80s-Vibe durch den Sound. Die Hitdichte bleibt dabei mehr als dicht – dass die Hälfte der Albumsongs als Singles ausgekoppelt wurde, geschieht der anderen Hälfte fast unrecht. „Crash“ und „The Real Thing“ sind weitere persönliche Favoriten, die zeigen, dass Gwen sich 2004 in ihrer kreativen Hochphase befand: Jeder Refrain sitzt, alles ist hittauglich ausproduziert. Was dies unterstreicht ist der Fakt, dass der zwei Jahre später veröffentlichte Nachfolger „The Sweet Escape“ ursprünglich aus Songs entstand, die es nicht auf „Love, Angel, Music, Baby“ geschafft haben. Übrigens auch ein gutes Album.

Eine Zeit wie diese wird es so wohl in naher Zukunft nicht wieder geben. Pop ist nicht mehr das was er mal war, das musste auch Gwen als eine von vielen damaligen Stars feststellen: Das zuletzt veröffentlichte Album ist zwar gut, kann aber nicht an frühere Erfolge anknüpfen. Zum Glück bleiben Alben aber für die Ewigkeit und dieses wird noch lange Zeit immer wieder in meinem Spotify auftauchen. Auch wenn im Gedächtnis der heutigen Jugend höchstens „Hollaback Girl“ bleibt, so ist dieser immerhin noch hin und wieder an der einen oder anderen Ecke zu hören.

Yvonne entgegnet:

Als feststand, dass Luis und ich gemeinsam in den Plattenkrach ziehen würden, war ich mir sicher, irgendein monotones Pop-Punk-Album vorgesetzt zu bekommen, das ich vermutlich am Ende selbst noch gefeiert hätte. Umso überraschter war ich, als ich mir plötzlich „Love Angel Music Baby“ von Gwen Stefani anhören musste.

Ja, zugegeben, die ersten Sekunden Klavierintro am Anfang der Platte waren noch ganz in Ordnung, doch kaum startete das sich immer und immer wiederholende „Tick Tock“ des Songs „What You Waiting For?“ war mir wieder klar, wieso ich mir die Sängerin von No Doubt schon damals nie auf Albenlänge angehört hatte. Innerhalb der ersten drei Songs – alles Hits Hits Hits! Erinnerungen! Nostalgie! – schafft Gwen es einfach schon unzählige Male, aus dem einfachen Wort „Girl“ ein nervenzerreißendes „Gööörl“ zu ziehen. Und was soll ständig dieses weinerliche in ihrer Stimme? Auch tiefgründige Liebeserklärungen wie „I give you all my love in the backseat“ in „Bubble Pop Electric“ gehen emotional leider völlig an mir vorbei. Zum einen liegt das wohl an meinem Kopfkino einer mittlerweile 46-Jährigen Gwen in Schulmädchenuniform, das sich beim Hören breit macht, und zum anderen an dem grausamen 90er-Jahre-Trash-Beat im Hintergrund, der den Song einfach nur nervig macht.

Später gibt es noch einige random verwendete Japanisch-Vokabeln und Katzengeräusche. Mir stellt sich dauerhaft die Frage: WARUM? Warum feiert Luis das? Und wann ist diese Platte endlich vorbei?

Mehr Plattenkrach: Hate it or love it – was für den einen ein lebensveränderndes Monumentalwerk ist, ist für die andere nur einen Stirnrunzler wert! Ein Album, zwei Autor*innen, ein Artikel, zwei Meinungen! Mehr Auseinandersetzungen findest du hier.

Und so hört sich das an:

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Die Rechte für das Albumcover liegen bei Interscope.

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