An manchen Abenden ist etwas in der Luft. Lysistrata sind eine dreiköpfige Post-Hardcore-Band aus dem Süden Frankreichs. Mit ihrem Debütalbum „The Thread“ verdrehten die blutjungen Musikern in den letzten anderthalb Jahren zunächst Musikkritikern, dann Fans in ihrer Heimat, später auch in ganz Europa den Kopf. Gleich drei Mal tourte die Band im vergangenen Jahr durch Deutschland, momentan spielt man sogar über einen Monat verteilt Konzerte in zehn verschiedenen europäischen Ländern. Eins dieser Konzerte fand im charmanten Sonic Ballroom im Kölner Szene-Viertel Ehrenfeld statt. Hier lag eine magische Spannung in der Luft.
Théo Guéneau drischt auf die Gitarre ein. Die Sounds und verspielten Melodielinien, die seinem Instrument entweichen, klingen trotz des rauen Vortrags definiert und sauber. Er lehnt sich einige Zentimeter vor, brüllt in sein Mikrofon. Ihm gegenüber macht sich auch sein Kollege Max Roy an seinem Mikro zu schaffen. Sein Instrument trägt der Bassist so hoch, dass es fast unter der Brust hängt. Der Bass schneidet durch den Raum. Etwas hinter den beiden konzentriert in der Musik vertieften Musikern, knüppelt Ben Amos Cooper präzise auf sein Schlagzeugkit ein, während auch er in Richtung eines Mikros singt. Die drei Mitglieder von Lysistrata stehen fast die gesamten 60 Minuten – so lange dauert ihr Auftritt – auf dieser beschaulichen halbkreisförmigen Fläche der eh schon nicht sonderlich großen Bühne. Dieses kleine Spannungsfeld zwischen den Musikern bietet den unkonventionellen, von Takt- und Laut-Leise-Wechseln und vielen dreistimmigen Passagen dominierten Stücken der Band den perfekten Nährboden.
Nur ein Bruchteil der Songs, die Lysistrata heute darbieten, stammen von den bisherigen Veröffentlichungen der Franzosen. Zu diesen gehört das fulminante Finale „Sugar And Anxiety“, das in einen minutenlangen Jam ausartet, sich immer weiter steigert und schlussendlich im Krach untergeht, während der Bassist zwischen den Zuschauern umherirrt und der Gitarrist mit nacktem Oberkörper in der Bühnenecke den immer gleichen Satz brüllt. Der anschließende Applaus ist der intensiven Darbietung entsprechend lautstark. Vor dem ekstatischen Endpunkt konzentriert das Trio sich auf neue Songs, von denen es eine Handvoll performt. Eins dieser unveröffentlichten Stücke verliert sich ebenfalls in einem langgezogenen Jam-Part, der sich repetitiv bis zu seinem Höhepunkt immer weiter aufbaut. Dass Lysistrata auch nachdenklicher und eingängiger können, beweist das Trio im Gegensatz zu diesen vielen kraftzerrenden und Aufmerksamkeit fordernden Momenten in einem anderen neuen Song.
Neben dieser komplexen musikalischen Welt existiert zwischen den Songs ein geordnetes Chaos aus Stimmgeräuschen, leisen Unterhaltungen aus dem Publikumsraum und französisch gehaltenen Absprachen zwischen den Bandmitgliedern – der Abwesenheit einer niedergeschriebenen Setlist geschuldet. Es scheint fast als müsse das Trio neben der bis ins Letzte professionellen musischen und performerischen Show ein Konstrukt schaffen, das sie zwischenzeitlich kurz aus ihrer verkopften Kunstwelt herausholt und ihr Bewusstsein am Boden hält. Mit einem hoffentlich alsbald erscheinenden neuen Studioalbum in der Tasche stehen Lysistrata nämlich die Türen nach ganz oben offen: hier bahnt sich etwas an.
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Und so hört sich das an:
Lysistrata live 2019:
07.06. – Hannover, Lux
08.06. – Orange Blossom Special (Beverungen)
11.06. – Mainz, Schon Schön
13.06. – Karlsruhe, kohi
16.06. – Kimiko Festival (Aachen)
Foto von Jonas Horn.
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