„Die Band JEREMIAS hat definitiv kein Glück gehabt“
Nach einer langen Pause von Jeremias stehe ich jetzt vor einer echt schweren Entscheidung: Soll ich diese Review schreiben oder lieber lassen? Nach dem Skandal im letzten Jahr habe ich die Band komplett gemieden. Ich habe sie bei Spotify ausgeblendet, meinen Merch nicht mehr getragen und meine Tickets verkauft oder zurückgegeben.
Doch was ist eigentlich passiert?
JEREMIAS haben kurz nach ihrer Ankündigung des dritten Studioalbums einen großen Shitstorm abbekommen, nachdem sie ein viel zu unüberlegtes Statement auf ihrem Instagram gepostet haben. Ihrem ehemaligen Fotografen wurde vorgeworfen, Machtmissbrauch in Form von Manipulation, der Ausnutzung von Safer Spaces und Gaslighting begangen zu haben. Daraufhin haben sie im August die Zusammenarbeit mit ihm eingestellt. Doch wenige Monate später taucht er wieder in den Credits beim Musikvideo zu „Sag mir, was ich nicht weiß“ auf. Fans kritisieren dieses Vorgehen scharf, denn Täter sollten nicht geschützt werden – das gilt meiner Meinung nach auch bei der Arbeit in privaten Räumen ohne Fans.
Dieser Fehler hat die Band viel gekostet – die sinkende Followerzahl ist nur ein Punkt. Viele Fans kehren der Band den Rücken zu, boykottieren die Konzerte und schmeißen ihren Merch weg.
Doch auch bei den daraufhin folgenden Änderungen ihres Albums blieb die Band nicht transparent. Mehrere Künstlerinnen, die als Feature-Acts auftreten sollten, sagten kurzfristig ab. Es herrschte Schweigen seitens der Band. Nur Zartmann meldete sich in einem Instagram-Live-Chat zu Wort, die anderen Künstler*innen blieben stumm. Plötzlich sollte das Album nur noch 12 statt 14 Songs enthalten – eine Information an die Vorbesteller gab es nicht, nur eine Überarbeitung der Tracklist auf ihrer Webseite. Lediglich haben sie eine kurze Mail mit den Informationen bekommen, dass der Release um 3 Monate nach hinten verschoben wird. Genauso, wie die Termine der Releasekonzerte – aber auch hier fehlte die klare Kommunikation, ob man die Tickets aufgrund der Verschiebung zurückgeben kann oder nicht.
Vertrauen (trust /trʌst/) konnte ich ihnen zu diesem Zeitpunkt aber nicht mehr schenken, deshalb habe auch ich meine Bestellung storniert. Spätestens jetzt wurde mir bewusst, dass an allem ein Preisschild hängt und nichts für die Ewigkeit ist. Es war ein langer Weg – nicht nur für sie. Nach offenen Gesprächen und der Erkenntnis, dass sie noch jung sind und Fehler machen, aber daraus lernen. Jetzt versuchen sie es besser zu machen. Sei es durch mehr Transparenz bei Konzerten oder den offenen Austausch mit den Fans.
Neues Kapitel..
Nun ist das Ganze bereits ein halbes Jahr her, und so langsam nähere ich mich ihrer Kunst – der Musik wieder an. Was mit Funko Indie begann, sind mittlerweile sanfte Melodien, die die Songs auf dem neuen Album sehr eingängig machen und zum Nachdenken anregen. Alle Songs sind in den letzten zwei Jahren entstanden. Nach dem enttäuschenden letzten Album „Von Wind und Anonymität“ war ich umso gespannter, was sie jetzt kreieren. Jeremias ist eine typische Boyband der heutigen Zeit: gutaussehend, individuell und bei ihren Liveauftritten immer nah an den Fans.
„Trust“ ist ein gewagter Name nach dem Shitstorm, aber irgendwie passt er auch wieder – denn sie versuchen, das Vertrauen der Fans mit diesem Album wieder aufzubauen.
Das Album beginnt mit „This is“, einem Intro, wie man es von ihren Konzerten kennt: eine Erzählerstimme, die einen ins Album einführt. Dennoch habe ich das Gefühl, dass „This is“ und „Mamita“ nur als Lückenfüller dienen sollen – zwei Titel, die das Album sofort voller wirken lassen, aber eigentlich nichts mit echten Songs zu tun haben.
Ich glaube, ich bin nicht die Einzige, wenn ich sage, dass ich die meisten Songs schon vor dem Hören des Albums kannte. Nicht nur, weil vier der Songs bereits als Singles veröffentlicht wurden – ähnlich wie beim vorherigen Album „Von Wind und Anonymität“, das mir das Album insgesamt versaut hat, weil ich viele Songs bereits vorher kannte und ich sie mir gefühlt schon vorher überhört hatte. Außerdem haben sie viele Songs live gespielt, sodass das Album für mich kaum Überraschungen bereithielt. Dennoch gab es auch einige positive Aspekte.
Die Liveversion von „Luna“ hat mich letztes Jahr schon total begeistert, und auch die Studioversion ist beeindruckend. In dem Lied singt Jeremias: „Und sie ist so schön, wie Dinge, die vergehen. Sie scheint in der Nacht, jeder kann sie seh’n.
Wir spielen eine Show, jeden Abend ausverkauft. Wenn ich was poste, passt die Hälfte nicht aufs Display. Und was das mit mir macht, das werde ich später sehen. Ich sehe Gesichter im Tunnel, alle schreien. Wir sind da, schau dich um, es ist wahr – die ganze Zeit gerannt, die ganze Scheiße, nach 5 Jahren.“ Ein Rückblick auf ihre bisherige Bandkarriere, eine Achterbahnfahrt in der Musikbranche.
Gestartet sind JEREMIAS 2018 mit einer Vision, was sie künstlerisch erreichen wollen. Anfangs noch ziemlich diffus und ungelenkig, sind sie nach sieben Jahren zu einer festen Größe in der deutschen Indie-Pop-Szene geworden. Sie haben die Herausforderungen gemeistert, sind erwachsen geworden und sind als Band immer enger zusammengewachsen. Dabei haben sie für sich erkannt, dass Zusammenhalt und die Liebe zur Musik das Wichtigste sind – und bleiben. Durch ihre neue Musik wollen sie erforschen, wer sie wirklich sind, was sie wollen und was Liebe ausmacht.
Mein Highlight auf dem Album ist und bleibt der Song „Ein Vogel“: kraftvoll, energiegeladen und mitreißend. Sensibel, warm und voller Liebe – dieser Song hat bei mir Tränen hervorgerufen. Es ist ein sehr interpretativer Song über Vermissen, Trauer und mehr.
„Trust“ – Vertrauen.
Vertrauen in das eigene Gefühl, den richtigen Weg. Auch, wenn dieser nicht immer glatt ist und manchmal Schlaglöcher hat. Vertrauen in das, was uns verbindet – die Kraft der Offenheit und Reflexion, die Kommunikation, Freundschaft und Liebe. Liebe und Vertrauen haben ihren Preis. Beides erfordert Aufrichtigkeit: die andere Person zu sehen, Fehler zu erkennen und einzugestehen. Vertrauen wieder aufzubauen, wenn es verloren gegangen ist. Liebe ist Lernen voneinander und miteinander – manchmal ein schmerzhafter Prozess. JEREMIAS arbeiten genau daran.
Und so hört sich das an:
Live-Daten:
Tour Sommer / Festivals
20.06.2025 – Southside Festival / Neuhausen ob Eck
22.06.2025 – Hurricane Festival / Scheessel
26.06.2025 – Campus Festival / Dresden
27.06.2025 – Open Air St. Gallen / CH St. Gallen
28.06.2025 – Lido Sounds / A Linz
16.07.2025 – Gurten Festival / CH Bern
17.07.2025 – Festung Ehrenbreitstein / Koblenz
18.-20.07.2025 – Deichbrand Festival / Cuxhaven
15.08.2025 – San Hejmo Festival / Weeze
Tour Herbst
29.09.2025 – Leipzig / Haus Auensee
01.10.2025 – Hamburg / Sporthalle
02.10.2025 – Münster / Halle Münsterland
04.10.2025 – Frankfurt / myTicket Jahrhunderthalle
05.10.2025 – Düsseldorf / Mitsubishi Electric Halle
06.10.2025 – Zürich / The Hall
08.10.2025 – Stuttgart / Porsche-Arena
09.10.2025 – Köln / Palladium
10.10.2025 – Köln / Palladium (Zusatzshow)
11.10.2025 – Hannover / Swiss Life Hall
13.10.2025 – Wien / Gasometer (Zusatzshow)
14.10.2025 – Wien / Gasometer
15.10.2025 – München / Zenith
17.10.2025 – Berlin / Max-Schmeling-Halle
Die Bildrechte liegen bei Maira Mühlberg.
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