Mit 48 das erste Soloalbum herauszubringen, ist vergleichsweise spät. Trotzdem scheint für viele Künstler eben das ein wichtiger Schritt in der Selbstverwirklichung zu sein – frei nach dem Motto „Besser spät als nie“. Myles Kennedy stimmt dem offensichtlich zu und brachte vor wenigen Monaten sein erstes eigenes Werk „Year Of The Tiger“ auf den Markt, nachdem er jahrelang mit seiner Band Alter Bridge Musik machte, auf drei Alben von Guns n’Roses-Gitarrist Slash zu hören war und zwei davon sogar im Alleingang einsang.
Aber die zweite Geige ist für einen Mann dieser Größenordnung eben nicht genug. 2018 soll es also mal nur um seine eigenen Ideen gehen. Sein erster Longplayer schaffte in Deutschland einen ordentlichen 14. Platz bei Media Control und stellt demnach auch die Basis für die Tour, die am 16.07. in der ausverkauften Christuskirche in Bochum haltmacht.
Rock in einer Kirche hört man nicht alle Tage. Könnte also ein durchaus spannendes Konzert werden. Schon zum Einlass steht ein Großteil der knapp 900 Gäste gesittet in Reihe und Glied vor den Türen und bildet eine ordentliche Schlange. Was Zeiten angeht, fluppt die gesamte Veranstaltung perfekt: Punkt 19h Einlass, 20h Vorband, 21h Myles. Läuft!
Als Support darf der Franzose Dorian Sorriaux 30 Minuten sein Können unter Beweis stellen. Der sympathische Gitarrist, der ohne Band auftritt, spielt einige Songs im akustischen Gewand und sorgt leider durch seinen überschaubaren Ideenreichtum recht schnell für Langeweile. Das Publikum hört spätestens beim dritten Titel nicht mehr zu, applaudiert dafür zumindest anerkennend nach jedem Stück. Nett und völlig unspektakulär.
Bereits das Vorprogramm ließ Böses erahnen: der Sound scheint nicht so ordentlich zu funktionieren. Ob das bei Myles Kennedy wohl besser klappt? Neben dem Hauptact treten um 21:00 ein Bassist und ein Drummer auf die Bühne. Die Leute am Mischpult scheinen allerdings für Kirchenakustik wenig übrig zu haben. Leider bleibt der Bass das gesamte Konzert über viel zu laut und Myles‘ Stimme zu leise – nur die Drums kommen auf den Punkt.
Etwas mehr als die Hälfte der 95minütigen Show spielen die drei Musiker zusammen, der Rest wird von Mr. Kennedy allein präsentiert. Die 16 Songs umfassende Setlist besteht zur Hälfte aus Songs des „Year Of The Tiger“-Albums, der Rest ist eine Mischung aus Alter Bridge-Nummern, zwei Tracks aus der Zeit mit Slash und u.a. einem Iron Maiden-Cover.
Myles erzählt viel und wirkt äußerst unterhaltsam. Der charismatische Sänger ist eben trotz seines Genres nicht an Drogen und Alkohol zerbrochen, sondern verlässt sich einfach auf sein Können. Davon gibt es einiges zu entdecken – gesanglich ist hier wirklich nichts zu bemängeln. Mit Leichtigkeit wird durch Oktaven gesprungen und ordentlich gebrettert. Die markante Stimme ist ebenso ein großer Pluspunkt wie das ordentliche Talent an der Gitarre. Auch die beiden Bandkollegen verstehen ihr Fach.
Und trotzdem hinterlässt das Konzert in der Christuskirche keinen wirklich gelungenen Gesamteindruck. Die meisten Fans scheinen angetan, so entstehen zwischenzeitlich Gänsehautmomente mit Mitsingcharakter wie bei dem Alter Bridge-Song „Watch Over You“ (seht HIER einen kleinen Ausschnitt auf unserem Instagram-Channel). Die Location ist zwar schön, aber irgendwie für die Musik nicht passend ausgewählt. Ab dem dritten Song steht das Publikum und zieht es auch bis zum Ende durch. Die meisten Rockanhänger können sich auch kaum in den Bankreihen halten, die ansonsten für Gebete herhalten – einige stürmen in den Mittelgang nach vorne, um mitzugrooven. Es handelt sich auch ganz klar um ein Steh- und kein Sitzkonzert. Die Intimität, die sich zum Sitzen eignet, ist zwar bei einigen Liedern vorhanden, aber wirklich nur vereinzelnd. Außerdem ist, wie oben erwähnt, der Sound der Grund dafür, dass die Lyrics nur bei den Akustikmomenten verstanden werden. Showelemente außer ein paar Lichtern und ein großes Banner gibt es gar keine. Mit mehr Band, mehr Krawall und dadurch auch mehr Abwechslung hätte vieles besser funktioniert.
Fazit: Myles Kennedy sorgt gesanglich abermals für eine absolute Glanzleistung und gehört zurecht zu den besten Rocksängern weltweit. Dass er mit seinem Soloalbum sich und seinem Können mehr Konturen verpassen mag, klappt gut. Ein wenig Country, einiges an Singer/Songwriter und gewohnte straighte Rocksongs harmonieren super. Trotzdem ist die Christuskirche nicht der beste Ort, um so ein Konzert auszuführen, da zu viel Energie herausgenommen wird. Somit handelt es sich letztendlich um wirklich gute musikalische Qualität, jedoch mit etwas langweiliger Umsetzung.
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Foto von Christopher.
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