(Die gesamte Bildergalerie findet ihr unter dem Text!) Es ist der 6. Juli 2018. In dem 10.000-Seelen Dorf Straubenhardt – lokal zwischen Pforzheim und Karlsruhe zu verordnen – winkt ein mit leuchtender Warnweste bekleideter junger Mann die sich bereits hinter ihm scharenden Autos mithilfe einer langsamen Handbewegung in Richtung eines kleinen, rumpeligen Feldwegs. Einigen Fußgängergruppen – mit Zelt, Rucksack, Campingstuhl, bunten Kostümen und bestenfalls einem Wegbier bewaffnet – deutet er per Schulterblick an, dem kleinen Schotterweg zu seiner Rechten zu folgen, der an einem Reh- und Ziegengehege sowie einigen offenen Hühnerställen vorbeiführt. Aus den Fenstern der kleinen, urigen Wohnhäuser am Straßenrand lehnen sich ein paar ältere Damen, die das Geschehen gespannt beobachten: „Ganz schön was los heute in unserem schönen Straubenhardt!“, kann man ihren Gedanken ablesen. Denn schließlich mutiert das kleine Dorf im Herzen des Nordschwarzwaldes nur an einem Wochenende des Jahres zu einer waschechten Attraktion – und zwar dann, wenn es zum jährlich stattfindenden Happiness-Festival einlädt!
Bereits zum 26. Mal öffnete das zweitägige Happiness-Festival in diesem Jahr seine Pforten – mit Topacts der Spitzenklasse und einem begeisterten Publikum. Und das sogar für einen durchaus erschwinglichen Preis! Verwundert hatte es daher also niemanden, dass der Festival-Veranstalter bereits einige Monate im Vorfeld stolz verkünden konnte: „Ausverkauft!“
Das Konzept des Festivals ist dabei schnell erklärt: Es geht um Musik, Spaß, Friede und – na klar – „Happiness“! Wer nun aber denkt, damit sei schon alles erzählt, befindet sich ein wenig auf dem Holzweg. Denn auch optisch verfolgt das Festival ein klares Konzept: Aufsteller, limitierte Festivaltickets, Bänke, Schaukeln, Büdchen und vieles mehr sind in und um das Festivalgelände aus feinstem Holz gefertigt und spielerisch aufgebaut. Sogar der Timetable, der die insgesamt 18 auftretenden Bands mit entsprechender Uhrzeit ablichtet, ist auf einer riesigen Holzplattform vor einem saftigen Apfelbaum errichtet worden. Ein nachhaltiger Gedanke, der auch optisch so einiges hermacht.
Auch kulinarisch wird dem Zuschauer eine Menge geboten: Neben zahlreichen Food-Trucks, die Pizza, Pasta, Würstchen, Falafel, Döner oder andere ausgefallene Nahrungsmittel bieten, sorgen auch Eis- und Kaffee-Stände sowie ein Kondom-Stand für das Wohlergehen der Zuschauer. Wer sein Essen noch etwas ausgefallener würzen möchte, kann dies sogar auf eigener Faust tun: Quer über das Festivalgelände verteilt sind dazu große, aus Holz gefertigte Kübelbeete gepflanzt, aus welchen frischer, verzehrfertiger Basilikum, Petersilie, Peperoni und vieles mehr (sogar auch ein paar hübsche Sonnenblumen) sprießen. Eine grandiose Idee, die viele Festivalbesucher auch begeistert in Anspruch nehmen.
Außerdem ermöglicht eine mit Hängematten, Sitzgelegenheiten und verträumten, bunten Lampions ausgestattete Chillout-Out-Zone, die große Hauptbühne entspannt aus der Ferne zu beobachten, ohne dabei jedoch die musikalischen Highlights zu verpassen. Auf einer Spray-Leinwand in Höhe der Haupt-Versorgungsmeile kann außerdem die Kreativität der Besucher unter Beweis gestellt werden. Wer möchte, kann die Oldschool-Hip-Hop Kulisse mit Spraydose bewaffnet natürlich auch einfach für ein paar Influencer-Instagram-Bilder nutzen.
Für Fußballbegeisterte ist zudem im sogenannten „Biergarten“-Bereich eine große Leinwand drapiert, auf welcher die laufende Fußball-WM trotz Ausscheidens der Deutschen Mannschaft gespannt und parallel zum Festivalgeschehen verfolgt werden kann. Auch hier sind die Bänke und Sitzmöglichkeiten natürlich aus feinstem Holz geschliffen.
Doch kommen wir nun zu dem Herzstück des Wochenendes: dem musikalischen Part des Festivals!
Musik-Acts – Tag 1
14:45 Uhr: Pünktlich zum Auftritt von Van Holzen, die kurzfristig für die erkrankten Punkrocker von Adam Angst eingesprungen sind, betreten wir das Festivalgelände – der Bandname kommt dem Konzept des Festivals entsprechend natürlich wie gerufen. Die drei Ulmer Rocker – stets in schwarzer Montur gekleidet – haben vor ihrem beeindruckenden Bühnenbild, das mit grandiosen Lichteffekten gekonnt in Szene gesetzt wird, offensichtlich eine Menge Spaß und spielen – für die entsprechend frühe Uhrzeit am Freitag-Nachmittag – sogar vor einer relativ großen Publikumszahl. Die Zuschauer möchten sich trotz brüllender Mittagshitze und strahlendem Sonnenschein die fantastische Show der jungen Band nicht entgehen lassen.
Gleich im Anschluss wandelt sich nicht nur das Bühnenbild von einer düsteren schwarz-weißen zu einer vor allem mit roten Farbakzenten besetzten Kulisse, nein auch die Musikrichtung schlägt andere Töne an, denn der grandiose Chefket betritt die Bühne. Der 36-jährige Rapper, der im Baden-Württembergischen Heidenheim an der Brenz geboren wurde, betreibt dabei Albumpromotion auf allen Ebenen: Nicht nur das Bühnenbild bildet das Artwork des am 17. August erscheinenden Albums „Alles Liebe“ ab, auch Chefkets Jacke ist mit dem rot-ausgefüllten Quadrat des Plattencovers besetzt. Nach der Präsentation seines Charterfolgs „Gel Keyfim Gel“, welches er gemeinsam mit Rapper Marsimoto herausbrachte und ebenso auf der bald erscheinenden Platte zu finden ist, werden auch weitere Songs der neuen Platte gespielt. Auf Fragen, die Chefket zwischen den Songs seinem Publikum stellt, soll dieses antworten: „Sowieso!“ – ebenfalls ein neuer Song des Albums, der am Tag des Festivals sogar seine (Video-)Premiere feiert. Auch einige sozialkritische Festival-Einschub-Hits hat der in Berlin lebende Rapper mit im Gepäck. So heißt es beispielsweise: „Bang, bang, in Germany. I’m gonna kill your whole family. You can come over the sea, but you can not stay in my country.“ Eine Kritik und Ansage an alle AfD-Wähler und intoleranten Menschen, gegen die sich das gesamte Festival mit seiner Attitüde und seiner politischen Haltung definitiv ausspricht.
Auch die nächsten Gäste auf der großen Bühne des Happiness-Festivals würden diese Aussage wohl kommentarlos unterschreiben, denn niemand geringeres als die fantastische Polit-Punkband Anti-Flag steht auf dem Programm. Die aus Pittsburg (USA) stammende Band hat eine große deutsche Anhängerschaft und begeistert ihr Publikum mit ihren „Fuck Hate! Fuck Racism! Fuck Nazis! Fuck Police!“-Parolen. Auf Ansage von Leadgitarrist und Sänger Justin Sane wird im Publikum wild gepogt und getanzt. Auch die ersten bengalischen Feuer werden in die Luft gehalten, was zwar zu großen Unruhen beim Sicherheitspersonal führt, die Stimmung im Publikum jedoch noch mehr aufheizt. Die Atmosphäre und das Screaming des Sängers steigern sich sogar soweit nach oben, dass zum Ende der Show die Verstärkeranlage ihren Geist aufgibt und – zumindest kurzzeitig – nur noch mit dem Anlagensound weitergespielt wird. Das stört jedoch weder Band, noch Zuschauer. Die Stimmung kocht bei mittlerweile 35° Grad!
Um 18:20 Uhr betritt schließlich die aus Sindelfingen/Böblingen stammende Rockgruppe Heisskalt die Bühne. Mittlerweile hat sich das Festivalgelände gut gefüllt und die ersten beiden Wellenbrecher sind – umringt von den vielen begeisterten Festivalbesuchern – nur noch zu erahnen. Heisskalt machen dem ersten Teil ihrer Namenskomposition zumindest alle Ehre und spielen sich die Finger wund, so dass ihnen und dem begeisterten Publikum zugleich der Schweiß nur so von der Stirn tropft.
Auch nachfolgend bleibt es „heiß“: Gegen 19:55 Uhr eröffnet ein kleines, in Dauerschleife laufendes Sample zu „Die FTZN sind wieder da“ die Show, denn die Mädels von SXTN – Juju und Nura – betreten unter tosendem Applaus die Stage. Jeder Fan im Publikum, der an diesem Abend ein selbstgebasteltes Schild in die Höhe hält, erntet die Aufmerksamkeit der beiden Rapperinnen, welche die aufgemalten Sprüche laut vorlesen und in die Tat umsetzen wollen. „Ich möchte heute jedem einzelnen von euch in die Augen gucken“, betont Nura und streift mit einem durchdringenden Blick durch die Zuschauerreihen. Der Auftritt bringt das Publikum stimmungstechnisch auf Hochtouren. Es scheint, als wisse jeder Festivalbesucher sämtliche Lines der Songs auswendig. Wie wild hopsen Juju und Nura über die Bühne, lehnen sich gleichwohl aber auch bei Songs wie „Bongzimmer“ entspannt in ihre Campingstühle und rauchen einen Joint. Obwohl ein von den beiden geplanter Heiratsantrags-Versuch von „Katha und Marcel“ gewaltig in die Hose geht und im Publikum für mehrere Minuten eine peinliche, etwas unorganisierte Atmosphäre aufkommen lässt, ist der Auftritt der Mädels ein voller Erfolg. SXTN wissen, wie sie ihr Publikum zum Ausrasten bringen können. (Auf Jujus Nachfrage, wer im Publikum denn noch „Alice Schwarzer“ kennen würde, antworten nur Wenige mit begeisterten Jubelschreien. Das Publikum scheint wirklich zum Teil sehr jung, aber dafür überaus energisch zu sein.)
Um 21:35 Uhr betritt schließlich eine Gruppe die Bühne, die in ihrer Konstellation nach diesem Festivalsommer wohl zunächst nicht mehr allzu oft gemeinsam auftreten wird: Trailerpark! Vor einer Kulisse, die eine aufgeblasene, stark adipöse, nackte Frau zeigt, spielen Alligatoah, Timi Hendrix, Sudden und Basti ihre Songs, die in der Vergangenheit häufig zu Indizierungen und Konzertverboten führten. Mit einer Feuershow und Lichteffekten, die bei Epileptikern wohl einen starken Anfall ausgelöst hätten, werden ihre Charterfolge der letzten Jahre vor dem Publikum zelebriert. Von ruhigen bis fetzigen Nummern ist alles dabei. Das Publikum bildet zu „Wall of Meth“ eine gigantische Schleuse und ein Meer von verschwitzen Körpern springt wie wild durcheinander, als hätten die Fans den ganzen Abend auf nichts anderes gewartet.
Wer hoffte, bei einer Trailerpark-Show nun aber ein paar waschechte Skandale, nackte Frauen oder menschenverachtende Äußerungen zu sehen, wird (leider?) etwas enttäuscht. Lediglich ein paar homoerotischen Tanzversuche der vier Jungs, die sonst gerne stärker provozieren, lösen begeisterte Jubelschreie aus. Dafür ist jedoch der Rap der Jungs auf den Punkt genau getroffen und begeistert die Meute. Die Stimmung der Band schlägt sofort auf das Publikum über, sodass Hits wie „Fledermausland“ oder „Normale Leute“ von den Zuschauern gesungen über ganz Straubenhardt ertönen.
Alligatoah jedoch, der für gewöhnlich das gesanglich-starke Glied der Gruppe bildet, schwächelt zum Ende der Show aus tonaler Sicht etwas. Bei „Trostpreis“ oder „Sterben kannst du überall“ liegt der 28-jährige Schauspiel-Rapper leider oft so weit unter der Tonhöhe, dass ein paar Festivalbesucher das Gesicht erschreckt verziehen müssen. (Fairerweise muss man Alligatoah dabei jedoch zugutehalten, dass solche Probleme zumeist einer falschen Tonübertragung im Ohr geschuldet sind.) Nichtsdestotrotz: Obwohl das Konzert an manchen Stellen für wenige Minuten unterbrochen wird – womöglich weiteren technischen Problemen geschuldet – ist die Show ein voller Erfolg und kann als einer der vielen Höhepunkte des Tages gesehen werden.
Doch der wirkliche Höhepunkt sollte noch folgen: nachdem sein mit dem aktuellen Albumcover verziertes Transparent völlig unspektakulär zu Boden gegangen war, betritt Headliner CASPER die Bühne des Happiness Festivals. Riesige LED-Leinwände lassen zunächst nur die dunklen Umrisse des Rappers erkennen, während er zu den ersten Tönen seines Tracks „Alles ist erleuchtet“ zwischen seiner Band auftaucht. Doch kaum ist das Intro vorbei, wird aus dem unscheinbaren Schatten ein energiegeladener Headliner, der mit voller Kraft nur so über die Bühne fegt.
Casper singt sich durch die Highlights seiner aktuellen Platte „Lang lebe der Tod“, präsentiert aber auch genügend Tracks seiner vorangegangenen Alben. Klassiker wie „Mittelfinger hoch“, das schon seit Jahren als fester Bestandteil im Set des Rappers verankert ist, dürfen dabei ebenso wenig fehlen. Egal welchen Song Casper aus dem Ärmel zieht: die Menge ist von Anfang bis Ende begeistert, springt, pogt und singt aus tiefstem Herzen. Doch nicht nur die Fans haben dabei sichtlich Spaß, denn auch Casper selbst wirkt begeistert und strotzt an diesem Abend nur so vor Energie. Als das Set mit den freudigen „Hallelujah“-Parts aus „Jambalaya“ endet und die tanzenden Fans in die Nacht entlässt ist klar: genau so muss ein Headliner-Auftritt aussehen! (Nur Konfetti gibt es leider keins. Aber das braucht man ja auch nicht unbedingt.)
Der Hauptact des Abends ist vorbei, viele Festivalbesucher müde. Doch wer glaubt, der Abend sei damit musikalisch schon vorbei, der irrt. Auf der Red-Bull-Stage, einer kleinen Bühne, die am seitlichen Rand des Campinggeländes aufgebaut ist und für Tagesticket-Besucher nicht zu erreichen ist, spielt der 24-jährige Rapper und Songwriter Kelvyn Colt. Gemeinsam mit Nura von SXTN, die sich offiziell als Fangirl des Rappers outet, tanzt er wie wild beim Performen seiner Songs und schüttet alkoholische Getränke in die Crowd. Auch Moshpits werden gebildet, bei denen sich kurzerhand der Rapper selbst und ebenso Nura beteiligen.
Um 1:55 Uhr wird das Party-Mischpult dann schließlich von niemand Geringerem als den fantastischen Drunken Masters abgelöst. Das zweiköpfige DJ- und Produzentenduo ist deutschlandweit mittlerweile durch seine grandiosen Shows bekannt. Gemeinsam mit ihrem Featuring-Gast FELLY performen sie „Ibrahimovic“ auf dem Zeltplatz und fordern „Ice Cube-mäßige“ Sprechchöre à la „Yey, yey!“ Gegen 3 Uhr sind schließlich alle ausgepowert und glücklich und verschwinden mit einem letzten Bier in ihren Zelten. Ein fantastischer erster Festivaltag geht zu Ende.
Musik-Acts – Tag 2
Leicht verkatert verpassen wir leider Val Sinestra, die den zweiten Festivaltag als Opener einleiten.
Stattdessen starten wir bei strahlendem Sonnenschein mit den Redaktionslieblingen von den Blackout Problems in den Tag und erleben direkt ein absolutes Highlight. Mit ihrem neuen Album KAOS im Gepäck reißt die Münchener Band um 13:45 Uhr bereits das gesamte Festival in Stücke. Unbeirrt vom noch recht leeren Zuschauerraum beeindrucken die Alternative-Rocker mit einer unglaublichen Power. Besonders Sänger Mario Radetzky scheint einiges an aufgestauter Energie herauslassen zu müssen – nichts hält ihn auf der Bühne und so singt er nicht nur einen der Songs direkt an der Absperrung und lässt sich dabei das Mikrofon von einem glücklichen Fan halten, sondern gesellt sich auch in die Menge, auf die Menge und überhaupt weiß man gar nicht, wo man zuerst hinschauen soll. Und das alles in der prallen Mittagssonne – Respekt für so einen genialen Auftritt!
Viel Zeit zum Verschnaufen gibt es nicht, denn nach den Blackys ist direkt die nächste Band an der Reihe, von der es längst kein Geheimnis mehr ist, dass sie mittlerweile mehr als nur ein Geheimtipp sind: Leoniden. Etwas poppiger als bei ihren Vorreitern präsentieren die Indie-Rocker aus Kiel die Songs ihres gleichnamigen Debütalbums, Leoniden. Auch nach über einem Jahr, in dem die Band mit dieser Platte nun unterwegs ist, haben wir uns an Tracks wie „Nevermind“, „Storm“ oder „1990“ noch nicht satt gehört. Ausgelassen tanzen wir mit den anderen Festivalbesuchern und freuen uns sehr darüber, mit der aktuellen Single „Kids“ auch endlich einen neuen Song im Set zu finden. Das zweite Album „Again“, das die Leoniden für Oktober angekündigt haben, ist auf jeden Fall eine Platte, der man gespannt entgegenfiebern kann!
Um 15:50 Uhr betreten schließlich Audio88 & Yassin die Stage. In geistliche Pastoren-Outfits gekleidet bringt das sozialkritische, überwiegend nach alter Oldschool-Manier performende Hip-Hop-Duo ihr „Halleluja“ und lässt die Hip-Hop-Hände des Publikums im Takt mitwippen. Wer in Zeiten des Autoutune-geprägten Cloud-Raps den wahren, eigentlichen Hip-Hop vermisst, ist hier genau an der richtigen Stelle. Alles, was Audio88 und Yassin stört, wird in amüsanter und gesellschaftskritischer Art in Texte verpackt und regt zum Nachdenken an. Dennoch bleibt auch der unterhaltende Aspekt nicht auf der Strecke liegen. Mittlerweile sich den pastoralen Bühnenoutfits entledigt, springt das Hip-Hop Duo bei „Partykirche“ oder „Was würde Manny Marc tun“ mit dem Publikum um die Wette. Ein Schwimm-Flamingo surft dabei begeistert durch die Crowd. Ein grandioser Auftritt, der trotz der mittlerweile 34°C und brüllender Hitze in Straubenhardt viele Festivalbesucher anlockt.
Für viele der jungen Fans, die garantiert noch nicht alle volljährig sind, folgt nun das Highlight des zweiten Tages: Ufo 361. Der aus Berlin-stammende Rapper mit türkischen Wurzeln, der musikalisch der aktuellen Cloud-Rap-Szene zugeordnet werden kann, passt in die gleiche Schublade wie die Kollegen Rin oder Yung Hurn: Hauptsache die Show ist laut und pompös, dann bemerkt auch niemand die fehlende musikalische Präzision. Mit seinen Backups tapst der 30-Jährige über die riesige Bühne, lässt sich von Feuerfontänen in Szene setzen oder bespritzt die verschwitze Menge mit einem Wasserschlauch. Auch wenn Ufo 361 für uns keins der musikalischen Highlights des Festivals ist, so muss man zugeben, dass er abliefert und mit Songs wie „Für die Gang“ und zahlreichen Tracks des im April erschienenen Albums 808 die Fans in Euphorie versetzt. Am Ende der Show verlassen zufriedene Fangirls und –boys ausgepowert die ersten Reihen, als Ufo unter tosendem Applaus die Bühne verlässt.
Mit dem aus der Schweiz stammenden Faber folgt nun das absolute Kontrastprogramm: statt fetten Beats und heißen Flammen gibt es nun Klavier, Akustik-Gitarre und goldene Ananas-Deko. Eine entspannte Überleitung in die langsam aufkeimenden Abendstunden. Doch auch zu den seichteren Tönen des Singer-Songwriters weiß die Masse sich zu bewegen. Ein oberkörperfreier männlicher Fan in der ersten Reihe ist vor lauter Euphorie ganz aus dem Häuschen und singt völlig ergriffen die Texte zu „Wem du’s heute kannst besorgen“ und „Alles Gute“ mit. Belohnt wird das ohnehin schon glückliche Publikum mit einer lasziven Tanzeinlage, bei der Faber sich auf dem Bühnenboden räkelt und dabei von seinem Gitarristen entkleidet wird, nachdem der Sänger zuvor noch mit dem Korken seiner Weinflasche zu kämpfen hatte. Wünschenswert wären einige schnellere Songs gewesen, denn für ein Festival-Set waren manche Lieder dann doch etwas lahm und langatmig. Nach der Show stand Faber noch für gemeinsame Fotos und Autogramme zur Verfügung und erntete begeistertes Lob aller Altersgruppen. Die Stimme und Show des Schweizers sind nun einmal etwas ganz Besonderes!
Besonders ist auch die Antilopen Gang, die mit ihrem Mix aus Rap, Punk-Rock und Gesellschaftskritik den wohl politischsten Act des Happiness Festivals darstellen. Koljah, Panik Panzer und Danger Dan lassen sich zunächst durch Queens „We Are The Champions“ ankündigen, ehe sie gemeinsam mit ihrem DJ die Bühne betreten und einige ihrer Hip-Hop-Tracks, wie zum Beispiel “Abwasser“, präsentieren. Während am ersten Festivaltag noch einige Zuschauer in Onkelz- oder Frei.Wild-Shirts über das Gelände gelaufen waren, so feiern die Besucher nun Tracks wie „Beate Zschäpe hört U2“ oder „Tindermatch“, die aussagekräftiger nicht sein könnten. Während der Hitsingle „Pizza“ dann der Break – statt eines DJs geht es mit kompletter Band weiter und das Festivalgelände verwandelt sich sogleich in einen riesigen Moshpit, Bengalos werden gezündet, Brüste entblößt und sogar ein tanzendes Stück Pizza ist am Start.
Band-Schönling Danger Dan, der sich für einige Songs ans Keyboard setzt, präsentiert außerdem noch einen Track seines im Juni erschienenen Solo-Albums und gibt mit „Eine aufs Maul“ einen ersten Vorgeschmack, was man bei seiner eigenen Tour im Herbst erwarten kann. Mit „Fick die Uni“ beendet die Antilopen Gang schließlich ihr fulminantes Set und lässt das verschwitzte Publikum dafür noch einmal mit letzter Kraft durch den aufgewühlten Dreck springen.
Für viele ausgepowerte Festivalbesucher führt der Weg nun zum Abendessen oder dem Public Viewing Bereich, wo Kroatien gegen Russland um den Sieg im Viertelfinale der WM antritt. Auf der Bühne geht es währenddessen weiter mit The Subways – einer der Festivalbands überhaupt. Doch mal ehrlich: könntet ihr uns auf Anhieb einen anderen Songtitel außer „Rock’n’Roll Queen“ nennen? Die britische Indie-Rock-Band, die nach zwei Jahren endlich wieder in Deutschland unterwegs ist, macht Spaß – keine Frage – doch viele Menschen tummeln sich nicht vor der Bühne, während Charlotte, Billy und Josh ihre Musik zum Besten geben. Doch die anwesenden Fans haben Spaß und während des Sets stellt man erstaunt fest, dann doch ein paar mehr Songs zu kennen, als man anfangs dachte. Ein neues Album wird ebenfalls für die nahe Zukunft angekündigt und die ersten Songs daraus präsentiert.
Wir entscheiden uns ehrlicherweise stattdessen für ein leckeres Abendessen.
Den Abschluss dieses grandiosen Festivals macht keine geringere Band als die fantastischen Beatsteaks. Bei der sechsköpfigen Berliner Punkrock-Band, die bereits seit 1995 gemeinsam performt, sitz jeder Ton. Vor allem Frontsänger Arnim Teutoburg-Weiß kann die Publikumsmassen begeistern. Dass das Publikum verhältnismäßig weit weg von der Bühne steht, missfällt ihm, worauf er im Folgenden fast ausschließlich – zumindest dann, wenn er seine Gitarre nicht bespielen muss – auf der Stufe des ersten Wellenbrechers performt und eine besondere Nähe zum Publikum aufbaut. Mit einem kleinen, 12-jährigen Jungen, der in den vorderen Reihen auf den Schultern seines Vaters sitzt, unterhält sich der Frontsänger kurz: „Dein Papa hat einen sehr guten Musikgeschmack.“ Es folgt tosender Applaus!
Mit „Hand in Hand“, „I don’t care as long as you sing“, „Let me in“, „Boombox“, „Milk & Honey“ und vielen weiteren Klassikern, bringt die Berliner Band die Masse zum Ausrasten, Aufspringen und Tanzen. Die Ansage des Sängers, die Handys der Festivalbesucher doch nun endlich mal beiseite zu legen und das Konzert in vollen Zügen zu genießen, wirkt wahre Wunder und das Publikum feiert ausgelassen mit – ganz ohne digitale Verstärkung! Trotz des immensen Erfolgs der Beatsteaks, erscheint die Berliner Band wie eine Truppe bodenständiger, gutgelaunter Jungs, die Spaß an Musik und keinen Bock auf rechte Stimmung haben. Kein Headliner des Happiness-Festivals hätte den Abend wohl so grandios und treffend ausklingen lassen. Ein wunderbarer zweiter und letzter Festival-Tag neigt sich dem Ende zu.
HALT STOPP. Gerade lauschen wir mit einem eisgekühlten Gin Tonic in der Hand noch den ausgelassenen Party-Tracks des bekannten DJs Eskei83 und lassen ein wunderbares Wochenende Revue passieren, da werden wir auf einmal Zeuge eines allerletzten musikalischen Highlights:
Rapper BRKN, den man möglicherweise durch Auftritte mit Alligatoah oder Bausa kennt, bespielt als finaler Act die Red Bull Stage. Die Songs seiner Alben “Kauft meine Liebe” und “Einzimmervilla” bewegen sich zwischen R’n’B, Pop und ein wenig Jazz. Sich selbst am Klavier begleitend rappt beziehungsweise singt der junge Mann von Zukunftsängsten und dem Leben in Berlin – stets mit einer Portion Witz im Gepäck. Um die auf dem Campingplatz versammelten Zuschauer bei Laune zu halten – und sich selbst um 2:00 Uhr nachts vielleicht auch – gibt es zwischen den Tracks zahlreiche Dance-Breaks, bei denen BRKN über die kleine Truck-Bühne hampelt. Der erfrischende Abschluss eines gelungenen Festivaltages!
Und das Ende eines zauberhaften Wochenendes. Festivals, die mit solch einer entspannten Atmosphäre und so viel Liebe zum Detail glänzen, findet man nicht häufig. Man sollte dementsprechend schnell sein und sich zeitnah bereits ein Ticket für das Happiness Festival 2019 zulegen, denn wir können jetzt schon prophezeien: auch das wird wieder blitzschnell ausverkauft sein!
Und so sah das aus:
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Bericht größtenteils von der lieben Anna verfasst.
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