Die „Bielefelder Songnächte“ laden ein! Diese Saison werden in insgesamt fünf unterschiedlichen Locations sechs Konzerte präsentiert, die alle eins gemeinsam haben: sie zeigen Facetten des Singer/Songwriter-Genres. Den Anfang durfte nun der Australier Scott Matthew machen. Als Location hielt die Hechelei her, eine alte Industriehalle mit gemütlichem Charme. Das wollten sich ca. 120 Gäste nicht entgehen lassen.
Mit einer kleinen Verspätung begrüßt uns um 20:05 eine der Veranstalterinnen und dankt – wie für solche Reihen üblich – sämtlichen Sponsoren. Kurz danach dürfen dann aber Scott und seine drei Bandmitglieder die Bühne betreten und sorgen bereits mit den ersten Tönen für eine Stimmung, die besser zur Jahreszeit kaum passen könnte. Draußen ist es frisch, windig, regnerisch und ungemütlich – in der Hechelei brennen Kerzen auf großen Ständern und die Künstler werden in tiefrote Farben gehüllt. Das Publikum – zur Hälfte sitzend vor der Bühne, zur anderen Hälfte an der Bar und Stehtischen – entscheidet sich sofort dazu, das Reden aufs Minimum zu reduzieren, Handys größtenteils in der Tasche zu lassen und einfach gespannt auf die Bühne zu schauen.
Genau das scheint auch Herrn Matthew zu gefallen. Der stets sympathische Wahl-New Yorker bedankt sich unzählige Male für die Aufmerksamkeit und den doch recht lauten Applaus, dafür dass ihn in Deutschland gar nicht so viele kennen und ja auch gar nicht so viele im Raum anzutreffen sind. Diesen Applaus verdient er sich aber. Genau 90 Minuten lang sorgt seine wohlige, warme, sanfte, eindringliche und androgyne Stimme dafür, dass man gerne seine Augen schließt, tief durchatmet und sich an einen Kamin wünscht. Scott Matthew macht keinesfalls Musik zum Tanzen, oftmals nicht mal Musik zum Schunkeln, aber er macht Musik zum Entspannen und Träumen. Ja, einige wagen es, das Konzert insgesamt vielleicht als ein wenig eintönig oder gar langweilig zu bezeichnen. In der Tat sind Scotts Stücke meist ähnlich und intim gehalten, laut wird es nur für einige Töne. Aber vielleicht ist es gerade das, was es ausmacht – dass es mal durchgängig ruhig und leise, aber dennoch nicht stumm ist.
Die Setlist baut sich aus einigen Songs seines aktuellen Studioalbums „Ode To Others“, einigen früheren Stücken und genau einer Handvoll Coverversionen zusammen. Jeder Titel wird von ihm einzeln anmoderiert. Zu den meisten gibt es sogar persönliche Anekdoten. Gerade bei den besonders emotionalen Stories wird die passende Atmosphäre kreiert, um sich im jeweiligen Song verlieren zu können. Da gibt es einerseits „The Wish“, das sich mit dem Attentat in einer Gay-Disco in Orlando auseinandersetzt; andererseits Geschichten über seine Verbundenheit zu seinem Onkel, der bereits vor seiner Geburt verstarb und der Liebe zu seinem Vater. Außerdem widmet er den Titel „Not Just Another Year“ einem guten Freund, der zu dem Zeitpunkt des Entstehens ein Jahr in einer Beziehung war – eben wie der Titel des Albums „Ode To Others“ vermuten lässt, möchte Scott in seinen Songs Geschichten aus seinem Umfeld verarbeiten und weitergeben. Auch wenn ihm somit nicht alles selbst zugestoßen ist, scheint er emotional stets dabei zu sein. Bei einem Song muss er sogar selbst weinen, weil ihn die Erinnerung überkommt.
Die bereits erwähnten Cover lockern das schwermütige und dennoch wohltuende Gefühl im Raum auf. So darf bei „Do You Really Want To Hurt Me“ von Culture Club und bei „I Wanna Dance With Somebody“ von Whitney Houston (seht HIER einen kleinen Ausschnitt auf unserem Instagram-Profil) leicht mitgesungen, mitgeklatscht oder mitgeschwungen werden. Die Crowd lächelt berührt und unterhalten und zeigt sich auch bei den anderen Coverversionen zu „Annie’s Song“ (John Denver), „Flame Trees“ (Cold Chisel) und „Harvest Moon“ (Neil Young) begeistert. Irgendwie gehen hier alle mit einem angenehmen und relaxten Gefühl nach Hause. Einen großen Teil machen auch die Musiker aus, die neben dem Frontmann auf der Bühne stehen und sich alle im Backgroundgesang üben und ansonsten zwischen E-Piano, Cello, Bass, Ukulele und Akustikgitarren wechseln. Auch wenn der Großteil der Zuschauer wahrscheinlich die meisten Tracks nicht kannte, konnte der irgendwie schüchterne und gleichzeitig redselige Australier ein bisschen Sonne von Down Under direkt ins Herz katapultieren. Genügt für die noch anstehenden Herbstwochen.
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Foto von Christopher.
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