Yungblud, Kantine Köln, 14.01.2019

Manchen Acts ereilt in Windeseile das Schicksal eines Teenager-Phänomens: Die Touren laufen zwar grandios, von älteren Menschen werden diese Musiker*innen aber häufig nur belächelt. An diesem Montag Abend wurden mit Sicherheit mindestens drei Viertel der Besucher*innen im 21. Jahrhundert geboren, der Lärmpegel ist immens hoch, das Gekreische schon vor dem Hauptact auf einem sehr hohen Level. Aber steckt hinter dem jungen Briten Yungblud, der selbst erst 21 Jahre alt ist, mehr als ein reiner Teenager-Hype?

Das Publikum zum Ausflippen bringen darf aber zunächst Support-Act Bled White, der mit seiner Band einen sehr modernen Electro-Indie präsentiert. Perfekt ausgewählter Support, die Stimmung ist jetzt schon ziemlich beeindruckend, auch die eher mäßig gelungenen Schlagzeug-Einsätze lassen die Fans nicht verstummen. In der Umbaupause werde bereits etliche Smartphones in die Luft gereckt, die Fans müssen unter allen Umständen das Intro des Hauptacts bei diversen sozialen Netzwerken posten. Innerlich habe ich mich zu diesem Zeitpunkt damit abgefunden, das Konzert mit einem Hörsturz und durch Handykameras erleben zu dürfen, aber weit gefehlt! Tatsächlich werden sogar weniger Handys als bei Konzerten mit älterer Fanbase verwendet, stattdessen singen, springen und pogen die Fans voller Freude und zudem sehr respektvoll. Beeindruckend! Doch nicht nur das Publikum zeigt sich von seiner besten Seite, auch Yungblud beweist in den folgenden knapp 80 Minuten, dass er jede einzelne der ausverkauften Venues verdient hat. Der junge Brite fegt über die Bühne, überlässt genau die richtige Menge an Mitsing-Parts dem Publikum, greift selbst zur Gitarre, bedankt sich im angemessenen Maß und sprüht nur so vor Energie. Musikalisch wird eine ganz eigene Melange aus Hip-Hop, Rock und Pop geboten, die sehr schnell ins Ohr geht. Dabei reicht der Stil von Moshpit-Songs wie „Machine Gun (F**k The NRA)“ bis zu Hip-Hop-Mitwippern wie „Psychotic Kids“. Mit „Kill Somebody“ präsentiert Yungblud einen Akkustik-Song über mentale Abgründe, bei dem sich alle in den Armen liegen und die Feuerzeuge zünden, zu „King Charles“ werden Mittelfinger an Donald Trump gerichtet, mit „Polygraph Eyes“ eine klare Absage an sexuellen Missbrauch gemacht, sogar die Regenbogen-Fahne wird gehisst. Auch einen neuen Song, „Loner“, hat Yungblud im Gepäck und wie ungefähr alle seiner Songs geht auch dieser unweigerlich seinen Weg in die Bibliothek der ewigen Ohrwürmer. Wenn Yungblud es sich nicht plötzlich anders überlegt, sollte dem Briten nicht mehr viel im Wege stehen, bis sich die Hallengrößen mindestens verdoppeln. Und dann werden auch noch andere Menschengruppen von diesem Energiebündel mitbekommen, der die richtigen Worte zu den richtigen Beats zur richtigen Zeit findet. Und damit haben sich die Teenager an diesem Abend definitiv für ein wunderbares Vorbild entschieden, das fast alles richtig macht. Nur die Gitarre aufs Schlagzeug werfen muss nicht sein. Wir kaufen ihm die Punk-Attitüde auch ohne solche Spielereien ab. Manchmal sollte man mit simplem Abstempeln eben sehr vorsichtig sein!

Und so hört sich das an:

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https://www.youtube.com/watch?v=X1zCUI9HSWk

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Beitragsbild von Julia Köhler.

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