Atomic Lobster – CLAWS

Wer denkt, Debütalben von deutschen Indie-Bands müssen immer unterkomplex und gefällig klingen, hat Atomic Lobster noch nicht gehört. Das Trio aus Stuttgart schafft mit „CLAWS“ etwas, das im Streamingzeitalter zur Rarität wurde: Es fordert heraus. Und das, ohne die Sache mit den Melodien völlig hinter sich zu lassen.

Kaleidoskop statt Fernrohr

Atomic Lobster besteht aus Ella Estrella Tischa (Gitarre + Gesang), Daniel Herrmann (Bass + Vocals) und Armando Bleher (Schlagzeug)  – klingt aber über weite Teile von „CLAWS“ nach einer größeren Besetzung. Etwa, wenn „Legacy“ als Opener einen düsteren Grunge-Teppich ausrollt, über den Tischa untermalt von sanften Background-Vocals die Stimmung noch weiter gen Abgrund drückt. Oder wenn „Misery Loves Company“ auf Jazz-meets-Trip-Hop-Figuren flirrt, um dazu butterweiche Harmonien zu gießen. Oder wenn das psychdelische „Painless“ plötzlich mit eiem Klavier um die Ecke kommt und das ideologische Dilemma von Geld vs Glücklichsein aufmacht.

Hier stecken stets ungemein viele Ideen und Flächen zwischen den Plattenrillen, die sich teils kaum unter einen Album-Hut begreifen lassen. Irgendwie schafft es „CLAWS“ dann bis zum melancholischen Finale „Feel It All“ doch nochmal, den roten Faden festzuzurren. Und der steckt vor allem in der Klang-Ästhetik, die über die verschiedenen Momente des Albums stabil unbequem bleibt.

Bittersüß und zerhackstückelt

Atomic Lobster zitieren als Inspirationen PJ Harvey und Radiohead, was zum einen ihre Abkehr von gängigen Song-Aufbauten erklärt, zum anderen aber auch die düstere Stimmungslage. Klar – im wavigen, fast schon Reggae-referenzierenden „Hey there“ steckt Empowerment, steckt Schmerzbekämpfung, steckt Lässigkeit. Besonders stark klingen Atomic Lobster aber dann, wenn sie den Kopf mit vollem Karacho in den Sand stecken. Dafür reißen die drei klaren drei Album-Highlights dann aber auch richtig mit:

„Close Range Combat“ gibt die Bühne für einen Dialog aus Main Vocals und Gegenstimmen, zitiert dabei frühe Paramore und eine Post-Punk-Ästhetik ohne elektronische Spielereien – nur damit Herrmann im Refrain zwischen Pit und Kopfstimme zum großen Ausrufezeichen ausholt. Gemeinsam mit Blehers bemerkenswerten Rhythmusverschiebungen entsteht hier eine außergewöhnliche Dynamik in Storytelling und Songwriting. Schick! Ein wenig knüpft „Doing Alright“ hier an, wenn es gen Kid Dad und Shorelines Grunge 2.0 schielt und dabei nicht weniger breitbeinig (im sympathischen Sinne!) klingt. Auf die Spitze treibt diesen Sound dann „Every Step“, das den Kontrast aus Alternative-Refrain und Tischas hohen Melodie-Schleifen zum absoluten Höhepunkt der Platte werden lässt.

Doch gerade der Mix aus diesen teils absurden Weggabelungen und den doch recht eindeutigen Hits macht aus „CLAWS“ ein überraschend gutes Debüt. Fazit: Reinhören. Aber direkt!

Und so hört sich das an:

Website / Instagram

Atomic Lobster live 2024

  • 08.06. Mobilat Heilbronn
  • 13.06. Ostpol Dresden
  • 14.06. Bunter Bahnhof Cottbus
  • 15.06. Schokoladen Berlin
  • 20.06. Ponyhof Frankfurt
  • 21.06. Raststätte Aachen
  • 27.06. Glockenbachwerk München
  • 28.06. Mood Club Memmingen
  • 29.06. KOHI Karlsruhe
  • 13.07. Merlin Stuttgart

Rechte am Albumcover liegen bei Atomic Lobster.

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