Bilderbuch – mea culpa

Bilderbuch - mea culpa

Der letzte Hoffnungsfunken scheint noch nicht ganz erloschen – ein kleines Lichtlein hält das auf Sparflamme flimmernde Feuer deutschsprachiger Pop-Kultur am Leben. Die kreative Weiterentwicklung der hiesigen Pop-Musik scheint in den letzten Jahren gänzlich zum Erliegen gekommen zu sein. Frischen Wind bringen nur sehr wenige Künstler und Künstlerinnen. Einer der einflussreichsten Hoffnungsträger kommt ausgerechnet aus dem Nachbarland Österreich. Seit ihrem dritten Langspieler „Schick Schock“ bleibt der Sound der Indie-Band Bilderbuch stets in Bewegung und ist dem Mainstream dabei immer mindestens einen Schritt voraus.

Wie wenig sich die Wahlwiener um Konventionen scheren, zeigen nun auch LP Nummer fünf und sechs. Richtig, Bilderbuch veröffentlichen bis in den Februar gleich zwei neue Alben. Ohne großen Ankündigungs-Tam-Tam, ohne eingängige Vorabsingle oder ausgiebige Promo-Tour veröffentlichten die Indie-Popper diesen Dienstag bereits das erste dieser zwei Werke in diversen digitalen Formaten. Dieses trägt den Titel „mea culpa“ und wird ab dem 22. Februar des nächsten Jahres gemeinsam mit dem zweiten Output „vernissage my heart“ auch physisch erhältlich sein. Fans bekommen von diesen neun neuen Stücken eh Wind, den Rest möchte man mit Radioairplays oder Printinterviews gar nicht für sich gewinnen. Eine stabile Fanbase haben die Österreicher ja ohnehin.

Nun aber zu dem, was zählt: der Musik. Beschwor „Schick Schock“ noch die klebrige Indie-Party herbei, zeigte sich bereits der Nachfolger „Magic Life“ deutlich sperriger und verkopfter. „mea culpa“ treibt den Sound des Quartettes nun schon wieder weiter: Bilderbuch schrauben den Rock-Anteil zurück, widmen sich dafür vermehrt Lounge- und Funk-Sounds, die immer wieder mit modernen Stilelementen angereichert werden. „Sandwishes“ verpasst man zeitgenössische „Scur“-Laute, die Kinoliebsagung „Megaplex“ bekommt trapartige flotte Hi-Hat-Reihen und Autotune-Background-Vocals und die loungigen Piano-Sounds von „Lounge 2.0“ unterlegen spaßige „Wuh“-Chöre. Das dancy „Memory Card“ bringt später am ehesten Wohlbekanntes und könnte so ähnlich wohl auch auf den zwei Vorgängern gelandet sein. Eine weitere Konstante, die sich seit Jahren durch den Sound der Österreicher zieht, sind die vielen ausgefeilten Gitarrensoli von „Mizzy“ Michael Krammer.

„mea culpa“ ist Lateinisch und heißt so viel wie „meine Schuld“. Den meisten Menschen sollte der Ausdruck wohl aus dem „Confiteor“, dem christlichen Schuldbekenntnis, bekannt sein. Bilderbuch – Freunde jeglicher Religion (man betrachte nur das Stück „Babylon“) – wären natürlich nicht Bilderbuch, wenn sie ein solch behaftetes Wortpaar nicht für ihre eigenen Zwecke missbrauchen würden. Also zieren die Worte den Titel des sechsten Albums der Band, das von der (digitalen) Liebe handelt, von Drogen, von Konsum, immer wieder Bezüge auf die moderne Gesellschaft und vermeintlich fortschrittliche Technologien nimmt, sich aber auch ganz klar auf Traditionen beruft. In „Megaplex“ heißt es beispielsweise: „Mizzy und ich schauen heute nicht fern, weil auf Netflix ist sich entscheiden so schwer, also fahren wir schnell ins Megaplex.“ In „Taxi Taxi“ geht es dann wiederum um eine vermeintlich gewöhnliche Taxi-Fahrt, bis der Protagonist im darauf folgenden „Lounge 2.0“ beschließt nicht mit Bargeld, sondern per App zu zahlen. Diesen Zwiespalt zwischen längst bewährten Ideen, seien das die des bezahlten Menschentransports, des gemeinschaftlichen Filme-Schauens im Kino, der zwischenmenschlichen Beziehung und neuesten Entwicklungen, durchzieht die gesamte Platte.

Auf einen Hit verzichten Bilderbuch diesmal ganz im Sinne des losen Gesamtkonzepts gänzlich. Den gewöhnlichen Radiokonsumenten würden die fortschrittlichen Ideen der Wiener wohl auch nur aus dem Konzept bringen. Bilderbuch sind dem Trend nämlich auch diesmal wieder Jahre voraus, sodass die ersten Soundkopien wohl spätestens in zwei bis drei Jahren folgen werden. Wohin es die Band dann mit „vernissage my heart“ treibt, wird der kommende Februar zeigen. Wir sind gespannt.

Das Album “mea Culpa” kannst du dir hier kaufen.*

Das Album “vernissage my heart” kannst du dir hier kaufen.*

Tickets für die kommende Tour gibt es hier.*

Und so hört sich das an:

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Bilderbuch live 2019:

06.04. – Würzburg, Posthalle
07.04. – Stuttgart, Beethovensaal
08.04. – Offenbach, Capitol
09.04. – Oberhausen, Turbinenhalle
11.04. – Leipzig, Haus Auensee
12.04. – Hannover, Capitol
13.04. – Köln, Palladium
14.04. – Kassel, Stadthalle
16.04. – München, Zenith
17.04. – Hamburg, Docks
18.04. – Berlin, Columbiahalle
24.04. – Innsbruck, Dogana (AT)
24.05. – Wien, Schloss Schönbrunn (AT)
13.07. – Linz, Donaugelände (AT)
24.08. – Graz, Freiluftarena B (AT)

Die Rechte für das Albumcover liegen bei Maschin Records (Universal).

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