Ed Sheeran – No.6 Collaborations Project [Doppel-Review]

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Neues Material von Ed Sheeran! Das geht uns doch alle irgendwie an, oder nicht? Deswegen haben gleich zwei unserer minutenmusik-Redakteure ihre Gedanken für euch niedergeschrieben.

Alina findet:

Im Jahr 2011 brachte Ed Sheeran die EP „No.5 Collaborations Project“ heraus. Ohne Plattenvertrag, komplett in Eigenregie. Talentiert bis zum geht nicht mehr. Mit dabei Künstler, wie Delvin, Wiley oder Ghetts, deren Namen man aus der Musikszene wahrscheinlich nur flüchtig kennen mag. Knapp neun Jahre später gehört Ed Sheeran zu den Weltstars des Pops, tritt vor 100.000 Menschen auf und feiert einen Triumph nach dem anderen. Sein Album „Divide“ aus dem Jahr 2017 mag wohl das bisher bahnbrechendste Album seiner Karriere gewesen sein – ein unglaublich kreatives Meisterwerk. Mit No.6 Collaborations Project geht Ed Sheeran „back to the roots“. Beginnt dort, wo er mit „No. 5 Collaborations Project” aufgehört hat.

Und auch wenn No.6 Collaborations Project das vierte Studioalbum des Sängers repräsentiert, so kann man nicht wirklich von einem Album sprechen. Ed Sheeran hat sich die Créme de la Créme an Künstlern herausgepickt – alles Musiker, die er selber gerne hört. Von aufstrebenden Pop-Sternchen wie Camilla Cabello oder Ella Mai, über Rap-Urgesteine wie Eminem, Singer-Songwritern wie Chris Stapelton oder YEBBA, Chart-Stürmern wie Justin Bieber oder Khalid. Die Trackliste liest sich wie eine doch nicht ganz realitätsfremde Chartaufzählung. Auf insgesamt 15 Tracks trifft Ed Sheeran auf insgesamt 22 Kollaborationen und so ungefähr jede Genremischung, die man sich vorstellen kann. Vom klassischen Pop, Singer-Songwriter Balladen, Hip Hop, R’n’B, Reggeaton und Latin Pop ist gefühlt alles dabei. Dennoch lässt sich das Album nach wie vor in die Mainstream-Pop Schublade schieben – oder halt ins Radio-Programm.

Ed Sheeran hat in der Vergangenheit vielerlei Songs für Künstler geschrieben. Mag man dabei nur an „Love Yourself“ von Justin Bieber, „Hello My Love“ von Westlife oder „2002“ von Anne Marie denken. Bei all diesen Songs galt bisher immer die Devise: Wo Ed Sheeran drauf steht, steckt auch Ed Sheeran drin. Gerade bei No.6 Collaborations Project ist dem allerdings nicht so. Wenn Camilla Cabello in dem wirklich sehr gelungenen Track „South Of The Border“ zu singen beginnt, mag man nicht meinen, dass dieser Track von Ed Sheeran stammt. „Remember The Name“, bei dem Eminem und 50 Cent featuren wird weniger von Ed Sheeran als von Eminem und 50 Cent dominiert. No 6. Collaborations Project mag eine Hommage an die Musik darstellen, ist super abwechslungsreich und experimentell – aber der rote Faden und die Sinnhaftigkeit fehlen durchgehend.

Was Ed Sheeran nach wie vor besonders gut kann, sind Balladen oder Pop-Songs, die zugleich super catchy und eingängig sind. Die Ballade „Best Part Of Me“ featuring YEBBA ist nicht nur deswegen eines der besten Lieder des Albums. Hier zeigt Ed Sheeran sein geballtes Können und schafft ein Meisterwerk in Sachen Melodie und Harmonie. Auch der Song „Beautiful People“ mit Khalid lässt sich in die besonders guten Tracks einreihen und hebt sich deutlich vom Rest des Albums ab. Die Songwriting Skills von Ed Sheeran brillieren an dieser Stelle ebenfalls außerordentlich. Deutlich beliebiger kommen dahingehend Songs, wie „1000 Nights“ featuring Meek Mill und A Boogie Wit A Hoodie oder „Put It All On Me“ featuring Ella Mai daher. Trotz der Abwechslung durch die verschiedenen Genres und die diversen Künstler, achtet man bei diesen Tracks weniger auf die Lyrics und die Tatsache, wer denn dort gerade singt.

Ed Sheeran hat mit No 6. Collaborations Project definitiv kein schlechtes Album veröffentlicht. Fraglich, ob dies bei seinem Talent überhaupt möglich wäre. Dennoch ist sein viertes Studioalbum nicht so stimmig wie die Vorgänger und lässt ein wenig den musikalischen Style des Sängers vermissen. Es ist weniger ein Album, als eine Ansammlung verschiedenster Songs geworden, die alle nicht so ganz zusammenpassen. Es fehlen die Einheit, der Zusammenhang und eine gewisse Stimmigkeit. Zweifelsfrei hat sich Ed Sheeran wahnsinnig talentierte Künstler herausgesucht und damit auch eine sehr schöne Idee mit viel Zusammenhalt entwickelt – wirklich rund wirkt das Album dadurch aber nicht. Als ein Tribut an die Liebe zur Musik mag das Album alles beinhalten, was man im Jahr 2019 von Pop-Musik erwartet. Als Kunstwerk eines Solo-Künstlers schwächelt es hingegen an der Präsenz und fehlenden Besonderheit Ed Sheerans.

Christopher meint dazu:

Ed Sheeran hat ein neues Album am Start – und ausnahmsweise flippt die Welt nicht sofort aus. Ist der Hype etwa abgeklungen? Geht seine Omnipräsenz doch mittlerweile eindeutig zu vielen auf den Keks? Gut möglich. Seit fünf Jahren gibt es quasi kein Entkommen mehr, es wurde stattdessen von Jahr zu Jahr gefühlt noch größer. Mit seinen drei Longplayern „Plus“, „Multiply“ und „Divide“ schaffte es der 28-jährige Brite unglaubliche 26 (!) Millionen Platten zu verkaufen. In Zeiten, in denen man nur wenige Klicks vom Hören entfernt ist, gingen so viele Stückzahlen durch die Kassen diverser Nationen, dass einem schwindelig wird. Das liegt einerseits mit Sicherheit an der sehr sympathischen Art des Rotschopfs, andererseits aber auch an der äußerst beliebten, leicht konsumierbaren Musik.

Irgendwo stand die provokante Überschrift „Ich hasse Ed Sheeran, weil man Ed Sheeran nicht hassen kann“ – und da ist verdammt nochmal einiges dran. Angefangen mit toll komponierten Singer/Songwriter-Werken von „Plus“, weiterentwickelt auf einen ausgefeilten Mix aus etwas experimentelleren Pop-Songs auf „Multiply“, perfektioniert mit einer gigantischen Ladung an perfektem Radiomaterial auf „Divide“, ist es quasi unmöglich, nicht mindestens drei oder vier Liedchen von ihm nett zu finden. Das hier Charterfolg klar über eigenen Stil steht, war auf dem letzten Album kaum von der Hand zu weisen – gute Songs waren es aber trotzdem. Kein Wunder bei knapp drei Dutzend Songwritern.

No.6 Collaborations Project geht 2019 noch einen Schritt weiter. Unzählige Songwriter genügen nicht. Stattdessen gibt es 22 Features. Höher, schneller, weiter. Mehr ist eben mehr. Zumindest auf Papier. Inhaltlich ist nämlich der neue Longplayer von Ed viel weniger und mit großem Abstand der bis dato schlechteste, wenn auch nicht schlecht. Trotzdem schreit jede Faser in jedem einzelnen Song so stark „Bring mich auf Platz 1“ in das Gesicht eines jeden Zuhörers, dass man irgendwann „Nein, leck mich!“ zurückschreien mag.

Bruno Mars, Justin Bieber, Eminem, Khalid, Camila Cabello, YEBBA, Chris Stapleton, Skrillex, 50 Cent, Travis Scott. Sheeran ist quasi der Tarantino des Pops: er pfeift, sie kommen. Man wäre auch blöd, wenn man nicht ein Stück des Kuchens abhaben möchte. Die Verkaufszahlen sprechen für sich. Solange Sheeran draufsteht, klingelt die Kasse. Somit werden etablierte Künstler eingebunden, längst vergessene aufgewärmt und in den Startlöchern stehende gepusht. Herauskommt eine Bravo Hits. 15 Songs, die fast alle nach Hit klingen, aber kein Konzept erkennen lassen – nicht mal einen gemeinsamen Künstler.

Genresprünge schön und gut. Jeder darf und soll sich mal austoben. Von seinen Wurzeln ist genau 0,0 übriggeblieben, von seinem straighten Pop auf „Divide“ noch ein paar Rudimente. Mit dem Collaborations-Projekt, das eine Fortsetzung zu einer bereits 2011 entstandenen Idee darstellt, wird Eddy zweifelsohne besonders das etwas ältere Radiopublikum verlieren, schielen die neuen Songs doch wesentlich einschlägiger Richtung Hip-Hop („Remember The Name“, feat. Eminem & 50 Cent), R’n’B („Nothing On You“, feat. Paulo Londra & Dave) und sogar Trap („Antisocial“, feat. Travis Scott). Natürlich befindet sich die eine oder andere Nummer-Sicher auf der Platte („Best Part Of Me“, feat. YEBBA), die die Kuschelfans anfixen soll, aber selbst die stinkt im Vergleich zu großen Melodien a la „I See Fire“ oder „Perfect“ gehörig ab. Viel wichtiger scheint zu sein, die Spotifyhörer komplett für sich einzunehmen. Das muss knallen, das muss grooven und trendy klingen. Oftmals wird dabei aber gar nicht deutlich, wer hier grade das Feature ist – der Gast oder Ed selbst? Fast Food-Musik, die zwei Wochen geklickt werden darf, aber dann auch schon wieder in der Versenkung landet. Wirkliche Hits, die auch in fünf Jahren laufen dürfen wie ein „Shape Of You“, „The A Team“ oder „Thinking Out Loud“ sucht man vergebens, genauso wie die irischen Klänge aus „Galway Girl“. Gesanglich fällt nichts positiv auf, wird Eds Stimme eh fast pausenlos durch den Autotune-Fleischwolf gedreht. Wüsste man nicht, dass die Songs von ihm wären, könnte man es auch nur schwer erraten. Im Tempo bleibt man gefühlt bei 80% der Titel bei einer ähnlichen Bpm-Zahl.

Nein, nichts an No.6 Collaborations Project ist wirklich schlecht – aber viel zu wenig richtig gut. Lichtblicke sind das sommerliche und bereits seit Wochen rotierende „I Don’t Care“ (feat. Justin Bieber) und der sehr gelungene, sexy Latin-Song „South of the Border“ (feat. Camila Cabello & Cardi B), der auch komplett ohne die zwei Mädels gepunktet hätte. Außerdem ist „Put It All On Me“ (feat. Ella Mai) ein böser Ohrwurm. Die einzige akustische Überraschung bietet der wirklich rockige Rausschmeißer „BLOW“ (feat. Chris Stapleton & Bruno Mars), der ganz klar das Highlight darstellt, wie ein Bonus Track wirkt, viel, viel, viel zu spät kommt und so mit Sicherheit vom Großteil gar nicht wahrgenommen wird.

Unglaublich, aber wahr: trotz so viel Tohuwabohu bleibt unterm Strich ein unspektakuläres und fast schon langweiliges Album. Das Tracklisting verspricht Abwechslung, der Sound weniger. Titel, die man suchten möchte, sind rar gesät. Stattdessen verspielt Ed Sheeran mit seinem „Jeder darf Mal“-49-Minüter die Möglichkeit, einen Schritt weg vom überfüllten Chartsound zu wagen und wieder mehr auf Eigenes zu setzen. Sicherlich eine der größten Enttäuschungen im Musikjahr 2019.

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