Laing – Live

Am 10.12. sollte die alljährliche Laing-Weihnachtsgala stattfinden. Womöglich das beliebteste Konzert des Berliner Trios bzw. Quartetts, da auch die Besucher*innen dazu aufgefordert werden, in Abendgarderobe zu erscheinen und damit ein schickes wie vergnügliches Amüsement entsteht. Kurioserweise fällt es 2020 aus – woran das wohl liegt?

Zur zweiten Corona-Hochphase ist natürlich an ein derartig spaßiges Happening zur Vorweihnachtszeit nicht zu denken – mehr als nur schade. Umso erfreulicher, dass der Termin für die Gala im Dezember 2021 bereits steht und der 10.12. gleichzeitig für Fans kein zu großer Trauertag wird. Stattdessen liefern Laing mit Live ihre erste Platte mit Bühnensound.

Ja, da erleuchtet das Herz. Wer Frontfrau Nicola Rust und ihre bereits häufiger wechselnde Girlband – wenn man Laing überhaupt so bezeichnen darf – schon live erleben durfte, weiß, dass deren Konzerte mehr bieten als der durchschnittliche Einheitsbrei. Würde zu der Musik aber auch so gar nicht passen. Seit 2012 und dem beachtlichen Erfolg beim Bundesvision Song Contest mit „Morgens immer müde“ setzen sich regelmäßig die catchy Beats, mehrstimmigen Passagen und irrwitzigen Lyrics in den Ohren fest. Laing besitzen mit ihrem selbsternannten „Electric Ladysound“ in Deutschland ein Alleinstellungsmerkmal, was durchaus was heißen mag.

Dass Live nun auf allen Portalen als Stream und Download zur Verfügung gestellt wird und über den offiziellen Shop sogar als CD bezogen werden kann, ist ein wahres Leckerchen zum großen Feste. In der Tat macht das mit 17 Tracks und 76 Minuten Spielzeit recht dicke Hörpaket eine hervorragende Figur unterm Tannenbaum und in der Musikanlage. Lief das 2018 erschienene Album „Fotogena“ ein wenig mit zu angezogener Handbremse, macht Live so ziemlich alles richtig. Neben Nicola dürfen selbstverständlich auch Johanna und Neuzugang Josefine ans Mikro und zeigen fast durchweg tonal sauberen, dreistimmigen Gesang, der nicht nur wunderbar harmoniert, sondern auch viel beeindruckender klingt als bei so manchen Studioversionen.

Leider ist der Gig nur als Audio zu kriegen, sodass Tänzerin und Choreografin Marisa hintenüberfällt und keine Beachtung findet. Gerade die detailverliebten Tanzeinlagen, Requisiten und Special Effects geben dem Konzertfeeling das gewisse Etwas. Aber Weihnachten steht nächstes Jahr ja wieder an – wäre da ein DVD-/Blu-Ray-Release nicht mal angesagt? Bis dahin darf sich mit den tollen Vocals ausgetobt werden, die durch die Gastmusiker Alex am Schlagzeug und Opernsängerin (!) Josette Micheler weitere Facetten gewinnen.

Wer bis hierher noch nicht angefixt wurde, kann sich nahezu willkürlich eins der vielen Highlights herauspicken, um hineinzuhören. Angefangen bei dem Solo-Opening von Josefine in dem lasziv-zweideutigen „Camera“, auf das Johanna smooth einsteigt und welches schließlich durch Nicolas Auftreten abgerundet wird. „Nein“ ist textlich eins der Meisterleistungen der Band und hat so viel bissigen und bittersüßen Humor, dass sich sehr viele Zuhörer*innen hier wiederfinden sollten. An mehreren Arrangements wurde gefeilt, teils mit exotischen Latin-Rhythmen. So ballert „Du bist dir nicht mehr sicher“ mit den passenden Trommeln noch mehr und ist ein deutscher Ohrwurm, wie man ihn will – ohne plakative, sinnlos aneinandergereihte Poesiealbumzeilen. „Zeig deine Muskeln“ hat Partypotenzial und dank seines arienhaften Intros von Josette Micheler einen einzigartigen und noch witzig-selbstironischeren Charakter als eh schon. Mit dem 80s-Stomper „Maschinell“ hat es auch der stärkste Track des Debütwerks „Paradies Naiv“ auf die Tracklist geschafft – im entsetzlich festzustellenden Gegensatz zum Hit „Morgens immer müde“, der einfach mal eiskalt fehlt. Man möchte nicht auf den einen Song reduziert werden, das ist verständlich. Dass beim ersten Live-Release aber das Lied, das wirklich jede*r kennt, ausgelassen wird, ist ein wenig enttäuschend. Dafür liefern das atmosphärische wie fesselnde „Wechselt die Beleuchtung“ und der Publikumsliebling „Nacht für Nacht“, indem die Crowd laut mitgrölt, weitere Momente, die man auf Live entdecken sollte.

Ansagen wurden bis auf kleine Sequenzen herausgeschnitten, was eine richtige Entscheidung war, um den schnell aufkommenden musikalischen Groove nicht zu unterbrechen. Noch schöner wäre es dann gewesen, wenn statt einigen Fade Outs am Ende der Tracks in den nächsten Song gemixt worden wäre. Die kurzen Sekunden Stille sind hier und da unnötig, liefern dem Konzerterlebnis, das tatsächlich beim Zuhören herrscht, dennoch kaum Abbruch. Live von Laing ist die erste Veröffentlichung mit Material, das dort aufgenommen wurde, wo die Mädels am besten sind, nämlich auf den Bühnen. Live ist super abgemischt, ein tolles Zusammentreffen von musikalischen Fähigkeiten und Coolness, klingt authentisch, ideal bearbeitet, aber nicht zu glatt. Tickets für die Gala im nächsten Jahr bekommt man im Shop als Kombipaket mit der CD. Gut zu wissen, nehmt das Angebot mit!

Und so hört sich das an:

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Die Rechte fürs Cover liegen bei ISLAND RECORDS.

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