Mozes and the Firstborn – Dadcore

Mozes and the Firstborn - Dadcore

Und plötzlich geht es nicht mehr weiter: „Rockmusik ist tot!“ Wo sich gestern noch schweißnasse Mähnen, lautstarke Gitarren und Verstärker austobten, herrscht heute vermeintliches Hausverbot. In die Charts sind jetzt Rapper und DJs eingezogen, welche dieser Tage mehr denn je auf Singles und Mixtapes setzen. Doch siehe da: Auch eine Rockband kann das! Behauptet sie zumindest. Mozes and the Firstborn treten mit „Dadcore“ seit Freitag den Beweis an. Ob das Mixtape-Experiment der Niederländer gut geht?

„Dadcore“ sei als „Liebesbrief“ an die Rockmusik gedacht, versprach Frontmann Melle Dieleson zuvor in einem Interview. Auf das Konto der Eindhovener Truppe gehen bereits zwei Alben, unter anderem ging es mit The Growlers, Unknown Mortal Orchestra und Together PANGEA schon auf internationale Clubtour. Letztere sind auch auf dem Titeltrack des Projekts vertreten, dem ersten vollwertigen Stück des Albums. Eine solide Power-Pop-Nummer, die nicht zu sehr an die alten Ramones erinnern will, es aber partout nicht leugnen kann. Kaum angefangen, spricht „Dadcore“ schon zu uns, erzählt, was es die nächsten 39 Minuten von uns will: „We deserve these songs and sounds to say hello.“ Gehen wir es an!

Zu meiner Überraschung schauen die „songs and sounds“ häufiger zurück, als nach vorne. Steht der Platte – sorry –, dem Tape, jedoch ausgesprochen gut. Der „Sad Supermarket Song“ setzte die Niederländer im Vorjahr auf meine Karte, ihr irrwitziges Stück über einen merkwürdigen Moment beim Einkaufen, erinnert bisweilen an Nirvanas „In Bloom“, biegt dann aber vor dem Refrain nochmal in ruhigere Gefilde ab und beschert uns den schönsten Refrain auf „Dadcore“. Erstaunlich was alles passieren kann, wenn der Einkaufszettel zum Lyricsheet wird.

Trotz des Experiments ist aus „Dadcore“ ein melodisches Feel-Good-Projekt geworden. „Blow Up“ schreit mit seinem Drive geradezu nach einem Einsatz in einer TV-Werbung für Mobilfonverträge, während „Hello“ feierlich von einer Frau erzählt, die sich von ihrer Vergangenheit befreit und der Welt mit offenen Armen gegenübersteht. Wer ungerne Ohrwürmer als Haustier hält, sei vor dem repetitiven Chorus schon mal gewarnt. Das vom Country-inspirierte „Baldy“ hätte sich das Quartett jedoch sparen können, zu gewollt wirkt die Nähe zu Genre-Klassiker wie „Sweet Home Alabama“, zu gering der bandeigene Input.

Wer beim Anblick der Tracklist einen Fehler vermutet, darf beruhigt sein: zwar erhält jedes der Letter aus dem Albumtitel seinen eigenen Titel, sie bilden jedoch nur die knappen Songfetzen, welche für‘s chaotische Mixtape-Feeling sorgen sollen. Vereinzelt wirken sie wie Auszüge aus ungenutzten Demos, bleiben aber stets geheimnisvoll und wollen in vielen Fällen in ihrer Gänze gehört werden. Auf Track 6 „D (#)“ geben Mozes and the Firstborn in gerade mal 19 Sekunden einen hervorragenden 90s-Alternative-Act ab – Beck lässt Grüßen.

„Scotch Tape/Stick With Me“, ein Doppeltrack in Kollaboration mit US-Label-Kollegin Kelsey Reckling, bildet den Höhepunkt der Platte. Erstmals klingt die Band auch auf einem ihrer vollwertigen Tracks so roh, wie sie es in ihren Fragmenten zwischenzeitlich andeuten. Diese Grätsche tut „Dadcore“ nicht nur gut, sie deuten auch an, wie sich das Mixtape-Konzept über Fragmente hinaus durchspielen lassen könnte. Reckling leitet den atmosphärischen Neustart des Stücks mit einem Sprechpart ein, doch hätte der Band noch etwas Besseres als ein plötzliches Fade-Out zum Ende einfallen können.

Mozes and the Firstborn legen mit „Dadcore“ ein interessantes Konzeptalbum vor, probieren sich durch das späte 20. Jahrhundert der Rockmusik und landen dabei eine Reihe größerer Highlights („Amen“, „Scotch Tape/Stick With Me“, „Sad Supermarket Song“). Wer auf eingängige Melodien und Texte steht, die sich selber nicht allzu ernst nehmen, wird bei Melle Dieleson und Co. bestens aufgehoben sein. Zwar mag nicht jeder Track ein Treffer sein („Baldy“), doch wird es in Zukunft spannend sein, in welches Format die Band ihr Songwriting pressen wird. Power-Punk, Grunge oder doch nochmal Punk? Die Zeit wird es zeigen. Dann aber gerne mit etwas mehr Mut am Mischpult.

Zum Autor: Babak Kidney ist Redakteur bei noisiv.de und moderiert unter anderem die Radiosendung „St. Pauli Sound Canteen“ auf dem Hamburger Radiosender TIDE.radio. (Er ist auch auf Instagram zu finden)

Das Album „Dadcore“ kannst du dir hier kaufen.*

Und so hört sich das an:

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https://www.youtube.com/watch?v=yawj9xCpdn4

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Die Bildrechte für das Albumcover liegen bei Burger Records.

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