In der Popkultur schlummert die Macht etwas bewegen zu können. Pop kann so viel mehr als nur über verflossene Liebe und persönliche Unannehmlichkeiten zu berichten oder vor Prahlerei zu strotzen. Betrachtet man die Single-Charts dieser Woche, so springt einem vor allem ein Künstler ins Auge: Bonez MC, Mitglied der Hamburger Straßen-Rap-Gruppe 187 Straßenbande. Dieser nimmt das Treppchen der umsatzstärksten Singles Deutschlands komplett alleine in Anspruch. Platz eins handelt also von einem mattschwarzen Sportwagen („500 PS“), Platz zwei vom Drogenhandel („Kokain“) und Platz drei davon, wie egal dem Protagonisten der Kontakt zu fremden Personen ist, die mit unterdrückter Nummer anrufen („Nummer Unterdrückt“). Na, wenn diese thematische Tiefe mal nichts über die Aussagekraft deutscher Pop-Musik im Jahr 2018 aussagt!
Wie viel tiefer Hip-Hop greifen kann, zeigen die Wahl-Kölner OK KID bereits seit geraumer Zeit. Stand das Trio auf seinen Anfangswerken für emotional ehrliche Texte, bezieht „Sensation“, der dritte Langspieler der Gruppe, deutlich Stellung und zeigt, dass populäre Musik auf clevere Weise eben doch sehr klare Statements setzen kann. Bereits der Einstieg in die Platte mit der Vorabsingle „Lügenhits“ greift tief in die Lyrik-Trickkiste, indem sie auf etliche Song-Zitate – eine Aufzählung fiele wohl schier endlos aus – zurückgreift um sich über den Lügenpresse-Wahn vieler Rechtspopulisten auszulassen. „Wolke“ nimmt sich hingegen religiösen Sektenheilsbringer – oder sind es doch Spinner? – vor und „Pattaya“, übrigens eine Tourismus-Stadt in Thailand, thematisiert Sex-Tourismus in Drittländern.
Das lyrische Ich nimmt dabei stets unterschiedliche Perspektiven ein, um die vielschichtige Gesellschaftskritik zu kommunizieren. So schlüpft es in „Warten auf den starken Mann“ in einen äußerst „besorgten Bürger“, während es sich im funkigen „Heimatschänke“ in einen Alkoholabhängigen hineinversetzt. Neben diesen Rollenwechseln, greift Sänger und Frontmann Jonas Schubert auf seine eigene Erfahrung zurück, um mit persönlichen Anekdoten auf Missstände hinzuweisen. Ein Paradebeispiel hierfür ist „1996“, in dem Schubert die Effekte gesellschaftlichen Drucks auf junge Menschen anhand seiner eigenen Erbnisse beschreibt. Auch in „Wut lass nach“ nimmt der Sänger den Hörer mit in sein Innerstes, indem er über einem tiefenentspannten Instrumental kontrastreich sein Verhältnis zur eigenen Wut erkundet.
Diese sprachliche Cleverness zieht sich durch die gesamte Platte. Die Themen, die die Indie-Band anspricht, tangieren zwar nicht immer den Dunstkreis eines jeden, haben zumindest aber immer gesellschaftliche Relevanz. OK KID gelingt es dabei niemals mit erhobenem Zeigefinger zu diktieren. Vielmehr präsentiert das Trio dem Hörer mit „Sensation“ eine Vielfalt an Denkanregungen. Auch auf musikalischer Ebene scheint die Gruppe sich selbst reflektiert zu haben – so tanzbar und gitarrenlastig klang noch keins der Vorwerke, was vermutlich auch daran liegt, dass ein Teil des Albums in Jam-Sessions entstand. Zwischen den etwas flotteren Nummern, wie „Hinterher“ oder „1996“ stehen hingegen experimentellere Stücke, die wie „Wolke“ auch mal auf einen Refrain verzichten.
OK KID zeigen sich auf „Sensation“ von ihrer sowohl musikalisch, als auch lyrisch tiefsten Seite. Schockt einen der Lauscher ins Radio oder der Blick in die Charts, so zeigen die Gießener auf, dass Pop-Musik doch unangenehm anmuten, sich inhaltlich fernab von schnellen Autos und illegalen Geschäften abspielen kann und trotzdem nicht weniger unterhaltsam sein muss. Gerade deshalb ist die dritte Platte der Indie-Gruppe ein wichtiges Gesamtwerk.
Das Album “Sensation” kannst du dir hier kaufen.*
Und so hört sich das an:
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OK KID live 2018:
14.11.2018 Wien, Arena (AT) (ausverkauft!)
15.11.2018 Zürich, Dynamo (CH)
16.11.2018 Stuttgart, Im Wizemann
17.11.2018 Frankfurt, Batschkapp
18.11.2018 Köln, E-Werk
20.11.2018 Hannover, Capitol
21.11.2018 Hamburg, Docks
22.11.2018 München, Muffathalle
23.11.2018 Berlin, Columbiahalle
24.11.2018 Leipzig, Haus Auensee (hochverlegt)
OK KID live 2019:
06.03. – Bremen, Kulturzentrum Schlachthof
07.03. – Rostock, M.A.U. Club
08.03. – Kiel, Die Pumpe
09.03. – Münster, Skaters Palace
10.03. – Kassel, Musiktheater
12.03. – Magdeburg, Altes Theater am Jerichower Platz
13.03. – Dresden, Alter Schlachthof
14.03. – Dortmund, FZW
15.03. – Wiesbaden, Schlachthof
16.03. – Heidelberg, Halle 02
18.03. – Augsburg, Neue Kantine
19.03. – Nürnberg, Z-Bau
20.03. – Würzburg, Posthalle
21.03. – Graz, Orpheum (AT)
22.03. – Linz, Posthof (AT)
Die Rechte für das Cover liegen bei Four Music/Sony.
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