Lorde, Palladium Köln, 03.12.2025

lorde palladium 2025

Als Lorde im September 2013 ihr Debütalbum „Pure Heroine“ veröffentlicht, ist die Musikwelt begeistert. Dabei ist die Neuseeländerin zur Veröffentlichung gerade einmal 16, wirkt aber so cool, selbstbewusst und lässig, als ob sie gerade ihr erstes eigenes Unternehmen gegründet hätte und das auch noch richtig gut läuft. Äußerst selten gelingt ein Spagat zwischen Pop-Mainstream und Indie-Bubble mit solch einer Leichtigkeit. Alle, ja wirklich alle gehen mit dem Hype. Damals war das Zielpublikum wohl irgendwas zwischen 15 und 30. Logisch betrachtet müsste es heute also zwischen 27 und 42 sein, oder?

Stattdessen scheint Lorde aber ein seltenes Kunststück gelungen zu sein, nämlich ihre Fans zu verjüngen. Ordentlich. Schaut man sich nämlich auf ihrem gerade stattgefundenen Gig im Kölner Palladium um, sind die Menschen wieder größtenteils minder- oder gerade volljährig. Vielleicht haben die, die nicht mehr als Young Adults durchgehen, aber auch einfach ordentlich beim Ticketverkauf geschlafen – wer nur wenige Minuten nach dem VVK-Start Karten für die Tour kaufen wollte, ging zumindest in der Domstadt leer aus. Gute 4000 Leute haben es geschafft, und zack, war das Ding innerhalb von wenigen Sekunden sold out.

Erst das dritte Mal steht Ella Marija Lani Yelich-O’Connor aka Lorde in NRW auf der Bühne. 2017 war sie bereits zur „Melodrama“-Tour im Palladium zu Gast. Doch dazwischen passierte einiges. Stieß ihr Corona-Sommerurlaub-Chill-Out-Werk „Solar Power“ eher auf gemischte Kritiken, hat sie erst diesen Juni mit ihrem verspielten, mutigen und doch sehr persönlichen Album „Virgin“ sehr viel mehr Zuhörer*innen abgeholt und besonders seitens der Fachpresse viel Lob erhalten. Das schielt zwar nur noch mäßig gen Radiostationen und Singlecharts, funktioniert aber neben anderen momentan ziemlich gefeierten Art-, Synthie- und Hyperpop-Acts recht ordentlich.

Wer am 3.12., einem Mittwoch, beim zweiten der gerade einmal drei Deutschland-Shows gut sehen möchte, muss sich früh anstellen. Wie gesagt, offensichtlich hat die Begeisterung nochmal hohe Wellen geschlagen und die mittlerweile 29-jährige in ihrer zweiten großen Ära erneut zum Teenie-Star gemacht. Dementsprechend laut ist die Crowd, die sichtlich aufgeregt darauf wartet, dass es endlich losgeht. Mit 21:15 Uhr startet der 105 Minuten lange Auftritt vergleichsweise spät.

Doch zuvor gibt es mit einer Spielzeit von 40 Minuten ab 20:00 Uhr einen ebenfalls überraschend langen Support. The Japanese House, hinter der die aus Buckinghamshire kommende Amber Mary Bain steckt, macht netten, aber nicht so wahnsinnig abwechslungsreichen, dreamigen Indie-Pop, der nicht weh tut, an einigen Stellen schöne Melodien vorweisen kann, aber nicht so ganz mitreißt. Ein völliger solider Einstieg in den Abend, nicht mehr und nicht weniger.

Allerdings muss bei Lordes Auftritt „solide“ eindeutig aus dem Wortschatz gestrichen werden. Offensichtlich hat sich in den acht Jahren, die zwischen den beiden Palladium-Shows liegen, nicht nur im Sound was getan, sondern ganz erheblich auf der Stage. Selten, womöglich sogar nie gab es eine dermaßen aufwendige Produktion in der Venue in Köln-Mülheim zu sehen. Dass solch eine Inszenierung hier überhaupt möglich ist, verwundert schon, sind solche Effekte und Techniken ganz klar der Lanxess Arena zuzuordnen. Tatsächlich sind viele der 58 Konzerte umfassenden Ultrasound-World-Tour in weitaus größeren Locations angesiedelt, somit hätte man in NRW bestimmt auch die Mitsubishi Electric Halle in Düsseldorf vollgemacht. Lorde selbst hebt aber das kleinere Setting positiv hervor und fühlt eine intime Atmosphäre. Solch opulente Bühnenbilder, die dann zwischendrin von nahbaren Szenen unterbrochen werden, sind 2025 wirklich selten und machen auf jeden Fall eine der größten Stärken aus.

Für die Künstlerin wirkt es, als ob sie ihre engsten Freund*innen der Stadt trifft. Sie seien über die Jahre – manche schon über eine Dekade, manche vielleicht erst seit kurzem – mit ihr gewachsen. In solchen Hallen trete man dann in eine Art Austausch. Ähnlich wie in ihren Lyrics wirkt Lorde fragil, emotional und immer noch wie das entspannte Mädel aus der Nachbarschaft. Dabei ist das, was um sie herum passiert, so riesig und stimmig im Timing, dass man mehrfach zwischen „Wows“, „Awwws“ und „Uhhhs“ hin- und hergerissen wird. Das ist ganz schön overwhelming, gleichzeitig sweet und berührend, losgelöst wie sexy.

Zwei Elemente übertreffen die Erwartungen bei Weitem. Das ist einerseits der Einsatz von Lasern, die bei zig Nummern fast schon „Matrix“-artige Wände projizieren, durch die Lorde hindurchschreiten kann. Manche fliegen durch den gesamten Raum, andere bilden einen intensiv leuchtenden Vorhang oder sind Trenner mehrerer Sections auf der Bühne. Ein klinischer Look in Blautönen, angelehnt an die Ästhetik des Albumcovers, bildet den roten Faden. Das andere Element ist die unglaublich wuchtige Leinwand, die beim ersten vollen Aufleuchten für Gänsehaut sorgt, so groß und detailliert ist sie. Mal sind es nur einzelne Teile, die Videos zeigen, dann sind es Splitscreen-Techniken, bei denen vorproduzierte Videos auf Live-Content trifft. Gerade die Live-Sequenzen, die von zwei Kameraleuten gefilmt werden, haben Musikclip-Niveau. Immer wieder geht Lorde in direkten Kontakt, dreht sich weg vom Publikum und performt für die Leinwand-Bilder, die dann auch noch parallel mit Filtern, Verzerrern und Zoom-Effekten bearbeitet werden. Das ist wirklich beeindruckend.

Genauso außergewöhnlich sind dann auch die Augenblicke, die man nicht just in dem Moment auf der Bühne, aber eben auf dem Bildschirm verfolgen kann. Zum Beispiel wenn die gesamte Band auf dem Rücken liegt und das Ganze von oben gefilmt wird („Big Star“). Oder wenn Lorde bei „Buzzcut Season“ in einen Ventilator singt, in dem sich die nächste Kamera befindet. Zu „Supercut“ läuft sie auf einem Laufband. Generell gibt sie körperlich das Maximum und geht in vielen lauten Instrumental-Parts richtig aus sich heraus. Das hat so viel Energie, dass es in Kombi mit choreografierten Blitzlichtgewittern auch auf das Publikum uplifting wirkt. Wie viel Schweiß sie vergießt, kann man in „GRWM“ in Großaufnahme auf ihrem Bauch beobachten, wo die Tropfen zwischen Goldglitzer herunterlaufen. Ihr Straßenlook-Outfit bestehend aus blauem Top und Jeans hat darunter noch einige Lagen, sodass Lorde sich im Laufe der Show von einigen Klamotten befreit, zwischenzeitlich auch barfuß umherspringt. In „Oceanic Feeling“ – einem von zwei Songs, die es von „Solar Power“ auf die Tour geschafft haben – sitzt sie ganz entspannt auf dem Boden und lässt sich vom Groove der vierköpfigen Band treiben. Zwischen all dem zeigen zwei Tänzer*innen viele schöne Contemporary-Moves und Hebefiguren.

Die aktuelle LP „Virgin“ spielt sie komplett. Daneben gibt es aber auf der 24 Tracks umfassenden Setlist gleich sechs Classics von „Pure Heroine“ und fünf von „Melodrama“ . „Royals“ behält seinen Attitude-Charakter bei und wird am lautesten mitgesungen, „Team“ hat weiterhin ein wohliges Wir-Gefühl, ballert beim Einsatz der Drums richtig tief und hebt sich selbst auf dem Steg, der gleichzeitig Hebebühne ist, zur Hymne empor. Beim Powerhorse „Green Light“ rastet Köln sowieso komplett aus. Gen Ende bekommen Intimität und Nahbarkeit sogar ganz eigene Dimensionen, läuft die trotz riesigem Erfolgs weiterhin sehr sympathische Person durch den Innenraum, um dann auf der B-Stage, die sich direkt vor den Techniker*innen befindet, zwei Zugaben zu spielen. Die Fans dürfen bei der ersten sogar mit abstimmen und wählen „A World Alone“, das „Hard Feelings“ aussticht. Den Abschluss bildet „Ribs“, das das Palladium dank eines wahnsinnig starken und grellen Lasers knapp über Lordes Kopf in einen Nachtclub verwandelt, in dem der Morgen hoffentlich niemals kommt.

Mag man etwas kritisieren, dann vielleicht, dass sämtlicher Backgroundgesang vom Band kommt und besonders bei den sehr dynamischen Songs Lordes Livestimme etwas zu stark übertüncht. Wenn man sie hört, klingt sie immer super und nah an den Studioversionen, aber besonders in den Refrains muss man sich damit zufrieden geben, dass sie nur drübersingt. Ansonsten ist Lorde auf der Ultrasound-Tour für diejenigen, die sie gerade lieben gelernt haben oder es immer noch tun, ein sehr starker Live-Artist im sowieso super starken Konzertejahr 2025.

Weitere Termine:
05.12. Max-Schmeling-Halle, Berlin
20.-22.08. Frequency Festival, St. Pölten (AT)

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Foto von Christopher Filipecki

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