Sorry – 925

Sorry

Zum Erzeugen eines Tons benötigt es einige Strukturen und Organe: Zwerchfell, Lungen, Luftröhre, Brustkorb, Kehlkopf, Stimmritze und natürlich den Resonanzraum in der Mund- und Nasenhöhle. Einige dieser Werkzeuge befinden sich also unmittelbar hinter der Haut, die das Albumcover von “925” abbildet. Eigentlich ziemlich selbstironisch dass das britische Quartett Sorry mit Asha Lorenz und Louis O’Bryan zwar gleich zwei Menschen das Singen überlässt, den Gesang aber im Vergleich zu Genre-Kolleg*innen schmuckloser, aber auch pointierter definiert. Instrumentalwände sind hier hingegen weder obligatorisch-schlichte Kulisse noch belanglose Requisiten sondern gleichberechtigte Geschichtenerzähler.

Coming-of-Age in Etappen

“925” zeichnet die Umrisse des musikalischen Selbstverständnisses für ein Debütalbum mit festem Griff: Lorenz und O’Bryan croonen lässig abgefuckt, während Schlagzeuger Lincoln Barrett und Bassist Campbell Baum im Hintergrund ein atmosphärisches Feuerwerk nach dem nächsten zünden. Gerade für ein Debütalbum spannt der Referenzbogen beeindruckend weit: Die dramatischen Streicher aus “In Unison” könnten auch glatt aus einem Danny-Elfman-Film stammen, “Rock ‘n’ Roll Star” poltert einem Countdown eines Westerns gleich nach vorne und “Heather” kokettiert mit klassischem 60s Charme. Gerade weil Barrett von all dieser Dramatik unbeeindruckt zu bleiben scheint, verliert “925” trotz all dieser Nuancen nicht den roten Faden aus dem Blick. Diesen verweben Sorry mit popkulturellen Referenzen, nur um das daraus entstandene Knäuel misstrauisch zu beäugen.

“The Dreams in which we’re famous are the best I’ve ever had”

Schon der schmissige Opener “Right Round The Clock” will sich gar nichts vorschreiben lassen, da übernimmt dann auch mal der maskuline Gesangspart die Kopfstimme, um anschließend Tears for Fears’ “Mad World” vor einer dystopischen Kulisse umzudichten und in oppulenten Bläsern aufzuatmen. Aber auch geradlinige Arrangements liegen dem Quartett außerordentlich gut, wie die Blood-Red-Shoes-Verbeugung “Starstruck” und das dringliche “More” im Stile der Kills andeuten. In der großen Wundertüte verbergen sich außerdem kantiges Werwolfsgeheul (“Wolf”), Zwiegespräche in der besten Pixies-Manier (“Perfect”), Zitate von “Wonderful World” (“As The Sun Sets”) , aber auch abgehackte Riffs und liebliche Klaviermelodien (“Rosie”) und düstere Industrial-Wände (“Lies (Refix)”). Man könnte sich von dem Albumcover zwar leicht in die Irre führen lassen, doch Sorry verzichten auf das definierende Gesangsmoment inklusive übergroßer Arien und weinerlichem Wehklagen. Lorenz’ abgeklärte Ansagen imponieren mit dieser lässigen Haltung auch durchaus überzeugender als ein Meer von Emotionen. Obwohl Sorry erst am Anfang ihrer Karriere stehen, strotzt “925” nur so vor Selbstbewusstsein und Vielfältigkeit. Ein Album, das massig Stoff für das Kopfkino liefert.

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