Eins kann man Mia. definitiv nicht absprechen: Ausdauer. Seit 18 Jahren streunert das Quartett durch die Musiklandschaft und macht alle paar Jahre auf sich aufmerksam. Streng genommen gibt es Mieze Katz und ihre Jungs im Kollektiv bereits fünf Jahre länger. Als einstige Schülerband haben sich die Berliner mit Durchhaltevermögen und einer Hand voll Electro-Indie-Poppern gekonnt in die Gehörgänge eingefräst.
Doch irgendwann ging der Gruppe etwas die Puste aus. Nach einem viel beachteten Debütalbum sprang man schnurstracks vom Underground auf die Bühnen des deutschen Eurovision Song Contest-Vorentscheids. „Hungriges Herz“ löst beim bloßen Erwähnen einen Ohrwurm aus. Getoppt wird das Ganze nur durch den Dauerbrenner „Tanz der Moleküle“, der sich fast ein Jahr in den Singlecharts hielt, gefühlt ein Jahrzehnt auf keiner Party fehlen durfte und heutzutage immer noch von ach-so-verrückten Brautpaaren als Eröffnungstanz genommen wird.
Parallel zu den bewegenden Molekülen gab es mit „Zirkus“ 2006 die Quintessenz des Mia.-Sounds, der sich gekonnt zwischen Charts-Pop, Indie-Rock und Electro bewegte und eine unnachahmliche Coolness inne trug. Leider war aber nach dem Album mit Goldstatus dank mehr als 100.000 verkauften Einheiten die Story ein bisschen auserzählt. „Willkommen im Club“ (2008), „Tacheles“ (2012) und „Biste Mode“ (2015) wollten alle so viel und waren doch zu wenig. Da halfen auch ein schicker Hit namens „Fallschirm“ und der ganz okaye Nachfolger „Queen“ nicht über weite Longplayer-Durststrecken hinwegzutäuschen.
Jetzt will man es aber nochmal wissen. Fast fünf Jahre musste auf neues Material gewartet werden. Limbo ist das Album, das bisher die längste Pause zum Vorgänger aufweisen kann – gut so. Durchatmen, sich überlegen, wo man hinwill, ohne eine Bauchlandung wie das letzte doch leider arg trashige „Biste Mode“ zu wiederholen. Außerdem ist der peinliche Ausflug in DSDS-Gefilde (2014) auch Vergangenheit und fast vergessen. Wer Mia. – egal, ob glücklich gewollt oder schweren Herzens – abgeschrieben hat, darf aufhorchen, denn Limbo ist die beste Platte seit „Zirkus“. Zwar fehlt immer noch eine wirklich hohe Dichte an hervorragenden Tracks, aber die Richtung stimmt.
Mit dem Opening und gleichnamigen Albumsong geht es direkt auf die Tanzfläche. „Limbo“ ist der beste Song seit dem bereits erwähnten „Fallschirm“ und gehört zweifelsohne zu den wohl zehn besten Mia.-Titeln überhaupt. Mitreißende Gute Laune-Nummer für den bevorstehenden Frühlingsanfang. Obendrauf eine eingängige Melodie mit motivationsgeladener Lyrik und leichter Scheiß-Egal-Attitüde („Ich pfeif‘ mein Lieblingslied auf dem letzten Loch, ich male Smileys über die Teufel an der Wand – warum, warum? Weil ich es kann!“). Da kommen doch tatsächlich Sounds aus den Anfangszeiten a la „Hieb & stichfest“ durch („KopfÜber“), die man viel zu lange vermisst hat. Generell probieren viele Liedchen sich an Kunstpausen, tollen Beatbreaks, treibend-dominanten E-Gitarren und NDW-Charme. „Tortenguss“ ist dank einer nicht schon 20.000-mal gehörten Metaphorik auch ein erfrischend andersartiges Liebeslied („(…) und über uns tanzen die Kräne Schwanensee.“). Verträumte Fernweh und das Finden der inneren Mitte eines jeden Körpers wartet vertont in „Reisen“.
Mia. machen endlich wieder guten Indie-Pop-Rock und schließen grade zumindest in Teilen ein bisschen die Lücke, die Jennifer Rostock in ihrer unbestimmt langen Kreativpause hinterlassen haben. Trotzdem ist auch hier ein Hauch zu wenig Abwechslung, sodass grade der Mittelteil („Crash“, „Vorbei“, „Mauerpark“) beliebig klingt. Das kann der knatschige Rausschmeißer „No Bad Days“ nicht komplett, aber zumindest akzeptabel dank interessantem Klangbett wieder ausgleichen.
Totgesagte leben länger. Mia. nehmen ihre vierte Chance wahr und liefern besonders für Fans der ersten Stunde etwas kurze, aber dafür auch recht kurzweilige 38 Minuten. Das ist zwar immer noch kein Gassenhauer, der gehört werden muss, wie zu Hochzeiten – aber vielleicht der erste Stein für mehr Essenz statt Hipster-Trallafitti.
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