25 Jahre später. Immer wieder nutzen Künstler und Bands diese magische Zahl, um retrospektiv auf bestimmte Momente ihrer Karriere zurückzublicken. Gruppengründung, erstes Album, erste Tour. Bei der Kelly Family sieht das ein wenig anders aus. Die gibt es bereits 45 Jahre in unterschiedlichen Besetzungen. Trotzdem verbindet der Großteil mit der irischen Großfamilie die Personen, die ab 1991 musizierten und das größte Popphänomen des Jahrzehnts in Deutschland darstellten. Neun Geschwister, angetrieben durch eine viel zu früh verstorbene Mutter und einen Vater mit hippieartigen Träumen, die erst nach Utopie aussahen und 1994 wahrwurden. Mit dem Album „Over the Hump“ (lest dazu HIER nochmal unseren Plattenkrach) gelang der Truppe ein unglaublicher Erfolg. Mit 2,5 Millionen verkauften Einheiten befindet sich der komplett selbstgeschriebene und fast im Alleingang -produzierte Longplayer noch heute in der Top 10 der Topseller-Alben Deutschlands seit Anbeginn der Zählungen. Vom Straßenmusiker zum Popstar der obersten Riege. Das ist 25 Jahre her. Macht’s Klick!?
Vor genau drei Jahren wurden Comeback-Konzerte angekündigt und damit eine erwachsene Form der Hysterie ausgelöst. Zwar geben sich nur noch sechs der neun Mitglieder die Ehre, doch geschenkt. Seitdem gab es mehrere ausverkaufte Tourneen, zwei Livealben und ein neues Studioalbum. Allerdings ging man bei der ersten LP nach 13 Jahren auf Nummer sicher: „We Got Love“ hielt zwar mit 19 Songs quantitativ eine ganze Menge neuer Titel parat und konnte auch qualitativ den beliebten Sound einfangen – allerdings gab es lediglich fünf neue Lieder, darunter eine Coverversion. Der Rest glich einem gut ausgewählten Best Of in Form von Neuaufnahmen. Zweieinhalb Jahre später hat sich der erste Rausch etwas gelegt. Wie macht man weiter? Zieht die Band einfach konsequent mit ihren Greatest Hits durchs Land, bis keiner mehr kommt? Bleibt man auf der Nostalgiewelle? Geht man neue Versuche ein? 25 Years Later entscheidet sich für einen guten Mittelweg.
Es steht also das silberne Jubiläum der legendären Platte an, was gefeiert werden will. In wenigen Wochen startet die „Over the Hump“-Geburtstagstour, auf der erstmalig das komplette Album und weitere Classics sowie Überraschungen gespielt werden sollen. Begleitet werden die Konzerte von der neusten Veröffentlichung, die genau das Gegenteil von „We Got Love“ darstellt: Zwölf komplett neukomponierte Songs – teils aus alten, teils aus aktuellen Ideen – und vier Titel von dem Erfolgsalbum in modernen Versionen. Zunächst stand die Idee im Raum, das gesamte Album in einer 2019-Version einzuspielen. Zum Glück wurde sich dagegen entschieden, gab es auf „We Got Love“ bereits vier Titel in Neuauflagen und kurze Zeit später sogar einen weiteren Bonustrack. Das hätte somit einer Wiederholung geglichen. Nun folgen dennoch erneut vier gegenwärtige Interpretationen, womit nur noch fünf Lieder auf eine Frischzellenkur warten: „She’s Crazy“, „Cover The Road“, „Ares Qui“, „Roses of Red“ und „The Wolf“.
25 Years Later erscheint in zwei Varianten: eine einfache CD mit dem neuen Album und ein dickes Boxset, in dem sich vier CDs, zwei DVDs und ein umfangreiches Booklet befinden. Alles verpackt in einer edlen Kiste. Die 16 Songs der eigentlichen Platte entsprechen erstmalig einer Sammlung an wirklich vielen bisher unbekannten Titeln und ruht sich nicht auf das Aufleben von Erinnerungen aus. Das Kelly-Feeling der früheren Alben kommt bereits im bloßen Konzept nach kurzer Zeit auf, da jeder der sechs Charaktere Soli hat oder im Duett mit jemand anderem ans Mikro tritt. Kelly-typisch gibt es spätestens im zweiten Refrain volle Chorpower. Musikalisch stellt man sich dabei breit auf und wechselt zwischen folkigen Popnummern („Over the Hump“, ), leichten Reggaeeinflüssen („If You Love Me“), spanischem Flair („El Camino“, „Baila Mi Corazon“), traditionell irischen Klängen („Star of the County Down“), Storytelling („We Had A Dream“) und mainstreamigem Stadionrock („Never Gonna Break Me Down“). Somit dürfen Fans wieder Lieblinge entdecken, aber natürlich vielleicht auch mit Tracks rechnen, die ihnen nicht so zusagen.
Highlights unter den Erstveröffentlichungen sind die Vorabsingle „Over the Hump“, die inhaltlich eine Brücke zum Album von 1994 schlägt, einige Songs von eben jenem Durchbruch zitiert und das Gefühl von Damals rückblickend, aber auch gegenwärtig einfängt. Eingehüllt in einen ohrwurmartigen Melodiebogen kann man hier ganz klar von dem ersten wirklich guten Hit seit dem Comeback sprechen. Äußerst gelungen. In „We Had a Dream“ reflektiert Jimmy das Gefühl der Gruppe, wofür sie damals wie heute stand und präsentiert seine persönliche Beziehung zu seinen Geschwistern. In den Lyrics vielleicht etwas breit aufgetragen, dafür aber intensiv im Gesang und in der Atmosphäre, präsentiert sich die Akustikballade „Tears“, die emotional voll abholt. In „Fire“ wird nach vorne geprescht und etwas mehr Druck aufgebaut, als man vielleicht zunächst erwartet. Mitreißend. Unter den vier Neueinspielungen befinden sich erfreulicherweise nur Perlen. Alle Songs bekommen einen sehr schicken Anstrich und klingen retro und gleichzeitig aktuell. In „Break Free“ wird erneut Barby Kelly eingeladen, die ebenfalls zu der 9er-Gruppe gehörte, aber seit fast 20 Jahren nicht mehr öffentlich auftrat. Sie durfte schon beim letzten Album ans Mikro und macht auch dieses Mal wieder eine gute Figur in ihrem rockig-arrangierten Publikumsliebling. „Santa Maria“ klingt anstatt kitschig nun irisch und wertet sich selbst auf, „Fathers Nose“ hat einige Bpm zugelegt und treibt. Mit „Once In A While“ steht aber der Höhepunkt an, der zeigt, wie hervorragend Angelo bereits mit zehn Jahren Songs schreiben konnte und jetzt nach perfektem Singer/Songwriter klingt.
Die restlichen Titel gehen alle als nette Lieder durch, die den beliebten Klang mit echten Instrumenten widerspiegeln, aber nicht vollends umhauen. Einen Ausfall gibt es jedoch keinesfalls, nur eben kein übergroßes hervorstechen. Anhängern der Gruppe sei aber das für ca. 50€ zu erwerbende Boxset wärmstens ans Herz gelegt, das nicht nur optisch punktet. Auf CD2 bekommt man 13 Raritäten aus der Zeit kurz vor „Over the Hump“ zu hören. Einerseits Aufnahmen von Straßenkonzerten, andererseits Schnipsel aus den Songwriting-Versuchen und obendrauf mehrere Demos, in denen noch nicht alles glatt läuft. Für Fans eine Goldgrube. Hier singen auch mal andere Bandmembers die Strophen und auch der Text besitzt noch ursprüngliche Wortwahlen. Auf den beiden weiteren Audio-Platten bekommt der Zuhörer sowohl das neue als auch das 1994-Album in voller Länge instrumental. Kann man machen, muss man nicht. Dafür sind die beiden DVDs ein Must Seen. Die Videokassette zum Erfolgsgaranten wurde digital überarbeitet und zeigt nun in DVD-Form zu jedem Song den dazugehörigen Musikclip oder einen Liveauftritt. Der letzte Datenträger hält eine fast einstündige Dokumentation bereit, die sich aus Behind the Scenes-Materialien aller wichtigen Stationen der Albumproduktion 1994 und 2019 zusammensetzt, ergänzt mit Einblicken in die Straßenkonzerte, die den großen Durchbruch ebneten und abgerundet mit Stellungnahmen aller Mitglieder, die dankbar und gleichzeitig kritisch zurückblicken. Sehr kurzweilige Minuten vor dem Fernseher.
25 Years Later ist das erste „richtige“ Kelly Family-Album seit der Rückkehr. Das Album allein geht als gutes, wenn auch nicht herausragendes Werk durch mit einigen wirklich gelungenen Momenten und einigen zu selbstreferenziellen Songs. Die Fan-Edition hingegen ist genauso wie die letzten Veröffentlichungen eben das, was man als Liebhaber der Band will und schafft die Gratwanderung zwischen Blick in die Vergangenheit, Sound der Gegenwart und Vorausschauen in die Zukunft mit tollem Bild und Ton einzufangen.
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Und so hört sich das an:
Website / Facebook / Instagram
The Kelly Family live 2019:
22.11.2019 Köln, Lanxess Arena
23.11.2019 Mannheim, SAP Arena
24.11.2019 Frankfurt am Main, Festhalle Frankfurt
27.11.2019 Braunschweig, Volkswagen Halle
28.11.2019 Magdeburg, GETEC-Arena
29.11.2019 Leipzig, Arena
01.12.2019 Kiel, Sparkassen-Arena
05.12.2019 Hannover, TUI Arena
06.12.2019 Chemnitz, Messe
07.12.2019 Berlin, Mercedes-Benz Arena
08.12.2019 Berlin, Mercedes-Benz Arena
12.12.2019 Bremen, ÖVB-Arena
13.12.2019 Schwerin, Sport- und Kongresshalle
14.12.2019 Hamburg, Barclaycard Arena
15.12.2019 Hamburg, Barclaycard Arena
19.12.2019 Wien (AT), Wiener Stadthalle – Halle D
20.12.2019 München, Olympiahalle München
21.12.2019 Stuttgart, Hanns-Martin-Schleyer-Halle
22.12.2019 Zürich (CH), Hallenstadion
26.12.2019 Oberhausen, König-Pilsener-ARENA
27.12.2019 Düsseldorf, ISS Dome
28.12.2019 Dortmund, Westfalenhalle
29.12.2019 Dortmund, Westfalenhalle
17.01.2020 Halle/Westfalen, Gerry Weber Stadion
18.01.2020 Krefeld, YALA Arena
19.01.2020 Antwerpen (BE), Antwerps Sportpaleis
24.01.2020 Nürnberg, ARENA NÜRNBERGER Versicherung
25.01.2020 Riesa, SACHSENarena
26.01.2020 Leipzig, Arena
31.01.2020 Oldenburg, Große EWE Arena
01.02.2020 Neubrandenburg, Jahnsportforum
02.02.2020 Schwerin, Sport- und Kongresshalle
06.02.2020 Trier, Arena
07.02.2020 Basel (CH), St. Jakob Arena
08.02.2020 Neu-Ulm, Ratiopharm Arena
09.02.2020 Erfurt, Messe
14.02.2020 Krakau (PL), Tauron Arena Kraków
15.02.2020 Prag (CZ) O2 Arena
21.02.2020 Rotterdam (NL), Ahoy Rotterdam
22.02.2020 Magdeburg, GETEC-Arena
23.02.2020 München, Olympiahalle
Die Rechte fürs Cover liegen bei AIRFORCE1.
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