Tim Vantol – Better Days

Tim Vantol

Müsste Tim Vantol jedem deutschen Club, in dem er bisher noch nicht aufgetreten ist, einen Euro spenden, würde der Niederländer kaum Verluste verzeichnen. Unermüdlich reist Vantol seit Jahren durch die Lande, nahm jedes Festival, jede Bühne, jeden Supportslot mit. Bei so einer Omnipräsenz kann auch schnell eine Übermüdung seitens des Publikums aufkommen, vor allem da der Markt von Holzfällerhemd-meets-Reibeisen-Stimme-Melancholie überflutet ist. Aus der breiten Masse an Bartträgern mit Tiefsinn sticht Vantol aber vor allem live mit seiner unbändigen Energie hervor, die schon mit reiner Akustik-Gitarre ausreicht, um die ganz großen Hallen in Euphoriefluten zu tauchen. Neues Futter für die Zeit nach Corona gibt es nun drei Jahre nach „Burning Desires“ in Form des vierten Soloalbums „Better Days“, das seinem hoffnungsvollen Titel nur in Teilen gerecht wird. So viel vorweg: Sein neuer Wohnort am Alpensaum in 800 Metern über Null scheint dem reiberischen Sound der Vorgänger ein wenig den Wind aus den Segeln genommen haben. Dafür kreist dieser nun umso akzentuierter um den Mann, der erstmalig selbst auf seinem Albumcover abgebildet ist.

Selbstfindung in Etappen

Wenn man die Platten- oder CD-Hülle ganz nah ans Ohr presst, hört man es vermutlich schon: Die körnigen Americana-Anleihen, die simpel-effektiven Melodien, die direkten Lyrics. Große Überraschungen sind im Singer-Songwriter-Business ohnehin eher Mangelware, dafür gibt Tim Vantol ab Sekunde 1 das, was man sich erhofft: Umarmung in Musikform. Dafür greift er zwar ab und an beherzt in die Saiten, lässt seine Stimme aber über weite Strecken im Zentrum der Songs stehen. Als das bislang emotionalste und persönlichste Album wurde „Better Days“ angekündigt und als solches hangelt es sich auch einmal am gesamten Gebirge der großen Momente entlang: Da gibt es die Feelgood-Vibes im Titeltrack, im sommerlichen „Tell Them“ die Aufforderung, seinen Liebsten die Gefühle zu zeigen, und die Dave-Hause-Verbeugung „5 Inch Screen“. Letzteres stellt sich auch schnell als Hit dieser Platte heraus, die ansonsten häufig im Midtempo verweilt und sich weniger kämpferisch zeigt als zuvor. Diesen besonderen Moment, wenn Vantols Stimme vor lauter Hingabe abbricht, gibt es auf „Better Days“ seltener, stattdessen scheint der Niederländer den Diskurs über dieses Viertwerk selbst anzufachen.

Reflexion und neue Impulse

Manchmal wirken die Lyrics schon sehr nach Kalenderspruch, wie wenn in „You Will Never“ empfohlen wird, seinem Herzen zu folgen oder in den recht oberflächlichen Analysen im Closer „It’s Gonna Hurt“. Als Erklärung und definitive Logik singt Vantol dafür in „Haven’t You Learned“ : „A little bit too honest, bust every word was meant“, während der Song sich mit kleinen Gesangsharmonien zu einem gemütlichen Pub-Schunkler entwickelt. Eine These, die auch im ruhigeren Werk des Musikers verifiziert werden kann, denn gegen die Authentizität dieser Musik dürfte selbst der größte Skeptiker keine Zweifel hegen. Anstelle aber immer wieder und wieder die großen Refrains zu feiern, gelingt es „Better Days“ neue Akzente zuzulassen, neue Songwriting-Elemente in den altbekannten Sound einzubauen. So schwingt sich „Not Today“ nach einem melancholischen Beginn in zarten Harmonien und einer kleinen Klaviermelodie. Ein ganz großer Moment, an dessen Imposanz auch der Opener „No More“ und „You Will Never“ anknüpfen können. Ohne dabei also grundlegende Erwartungshaltungen zu überrumpeln, geht Vantol auf seinem vierten Album einige Schritte nach vorne. Klammheimlich und damit vielleicht erst auf den zweiten Blick ersichtlich – doch auf jeden Fall in eine spannende Richtung. Und spätestens in der nächsten Unendlich-Tour können diese neuen introspektiven Facetten für eine bislang ungewohnte Dynamik sorgen – mit Fokus auf Tim Vantol selbst.

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Rechte am Albumcover liegen bei EminorSeven Records / Uncle M / Cargo Records.

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