Die gut dreißigjährige Karriere Weezers folgt einem stetigen Auf und Ab. Große Erfolge, gefühlte Flops, Hits, Mittelmäßigkeit, Aufrappeler. In der zweiten Hälfte der 2010er-Jahre etwa stand die Band vor allem für gewollt-zeitgenössischen Pop-Rock und (zugegebenermaßen gut ausgeführte) Cover. Dann, Anfang letzten Jahres, gelang den US-Amerikanern ein Befreiungsschlag, auf einmal interessierte sich wieder alle Welt für ihre Band. Der Grund: „OK Human”, ein peppiges Orchester-Album mit vielen gutlaunigen Sommer-Hits. Das war clever arrangiert, die Songs mitreißend und gleichermaßen kunstvoll. Gleich im Anschluss jedoch – kein halbes Jahr später – setzte „Van Weezer” ein Exempel für die Bi-Polarität der Band. Uninspiriert bedienten sich Cuomo und Co. hier eingestaubten Rock- und Metal-Relikten. Die Fachpresse ließ die Füllfederhalter in Reaktion darauf wieder sinken. Nun steht das nächste Großprojekt an: Im Laufe des nächsten Jahres erscheint je eine sich stilistisch am Laufe der Jahreszeiten orientierende EP. Den Beginn macht der Frühling, der am 20. März offiziell startet: „SZNZ: Spring” wird eingeläutet.
Es gibt viele mögliche Wege an ein solches Projekt heranzutreten. Die Songs könnten sich mit den phänologischen Ausgestaltungen der einzelnen Jahreszeiten befassen – dem Wetter etwa – oder mit Mythen, die an diese geknüpft sind. Oder aber sie könnten die Stimmung auf den Straßen der Großstädte aufgreifen, die der Wetterumschwung mit sich bringt. Rivers Cuomo – verantwortlich für die Texte bei Weezer – jedoch scheint mit dem Frühling vorrangig eines zu verbinden: Gute Laune. Dementsprechend eindimensional und Zeitgeist-fremd ist „SZNZ: Spring”. Und das obwohl sich die Band laut eigener Aussage sogar von ebensolchen Mythen hat inspirieren lassen und fortlaufend, nahezu in Echtzeit an den vier EPs arbeitet.
Zwei Stücke stechen besonders heraus. Da wäre zum einen “Angels On Vacation”. Cuomo trällert dort unbeschwert davon, dass er und eine Liebschaft einen von Gott beauftragten Urlaub auf der Erde mache, Engel auf Reisen. Dass dieser Song erscheint während in der Ukraine Kinderkrankenhäuser zerbombt werden, hat mehr als einen faden Beigeschmack. Die Engel hatten scheinbar Bock auf Horror. „Don’t send me home,“ fleht Cuomo trotzdem. Realitätsfern ist auch “All This Love”. Der ist ein Abgesang auf das Ende der Pandemie, es heißt dort: „I forgot how to live, how to love, how to sing without a mask on my mouth”. Doof nur, dass ebendiese Pandemie noch gar nicht vorbei ist. Weezers „SZNZ”-Projekt fängt also schon einmal gut an.
Gezwungen und im Kontext nahezu unertragbar gutlaunig sind auch die übrigen fünf Songs. „Walking down the sunny side of the street, shadows creeping at your back, you can forget ’em like an amnesiac”, schmeißt einem die Band in „A Little Bit Of Love“ in die Gehörgänge während die Instrumente enthusiastisches Armwackeln herbei dirigieren. Musikalisch soll sich „Spring“ an dem Sommer-Hit „Island In The Sun“ orientieren. Erkennbar ist das oftmals nicht. Hell und klar klingen die Stücke dennoch. Oft beginnen diese mit Akustik-Arrangements, schichten sich im Verlauf jedoch zu vollwertigen Weezer-Rockern auf. In einem Paralleluniversum könnten die auch im März 2022 Freude bereiten. Hier aber tobt ein die herrschende Weltordnung in Frage stellender Krieg sowie eine (immerhin auslaufende) Pandemie. „SZNZ: Spring“ erscheint in seiner Ausführung daher mindestens weltfremd, mancherorts anstößig. Es geht bergab.
Und so hört sich das an:
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Die Rechte für das Albumcover liegen bei Atlantic Records.
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Ohne das Album gehört zu haben: Was genau ist denn daran anstößig, fröhliche Musik zu veröffentlichen? Gilt das dann auch für Komödien oder für persönliche gute Laune in der Öffentlichkeit? Nicht jedes Album ist ein politisches Statement und auch eine in vielerlei Hinsicht wenig erfreuliche Weltlage verpflichtet niemanden dazu, den ganzen Tag Trübsal zu blasen.
Hallo Marcel, danke für deinen Kommentar. Wie immer sind solche Eindrücke natürlich subjektiv. Das liegt in der Natur der Sache!
Darauf aufbauend, dass ich das Konzept einfach uninspiriert umgesetzt finde (Frühling = gute Laune, naja), findet diese (auf mich erzwungen wirkende) Stimmung in Kontexten statt, die mir weltfern erscheinen. Der Covid-Song (“All This Love”) stellt aktuelle Bezüge her und rückt damit auch die anderen Stücke in einen solchen Kontext. “Angels On Vacation” bildet einfach eine heile Welt ab, die so nicht existent ist. Auch vor dem Krieg in der Ukraine schon.
Gegen fröhliche Musik per se argumentiere ich dementsprechend nicht. Vielmehr stören mich einige Songs in dem Kontext der Konzeptumsetzung. Ich kann aber auch verstehen, wenn man das anders sieht.