Ich weiß, Alben mit ihren Vorgängerwerken zu vergleichen ist scheiße und bringt oft nichts. Hat eine Band aber einen derartigen Meilenstein wie Zugezogen Maskulin 2015 mit „Alles Brennt“ herausgebracht, muss das Nachfolgewerk einem Vergleich standhalten können. Das eben genannte Werk schlug 2015 wie eine Bombe in die Rap-Landschaft ein, brachte die Band in den Aufmerksamkeitsfokus von Feuilleton-Medien und vielen gar nicht der Hip-Hop-Szene ansässigen Hörern und bescherte dem Duo einen beachtlichen Bekanntheitsschub. Über zwei Jahre mussten Fans und Presse nun auf das Nachfolgewerk warten – eine für die Szene eher ungewöhnlich lange Wartezeit. „Alle Gegen Alle“ – was ein perfekt in das aktuelle Zeitgeschehen passender Titel! – heißt das bereits vierte Zugezogen Maskulin Album, macht vieles genauso richtig wie das Durchbruchswerk, weiß aber auch mal positiv und auch negativ zu überraschen.
Anders ist auf „Alle Gegen Alle“ schon einmal, dass sich Testo (bürgerlich: Hendrik Bolz) und Grim104 (bürgerlich: Moritz Wilken) diesmal nicht gegenseitig die Ehre geben und man keine Solo-Tracks unter den zwölf neuen Songs findet. Selbst im doch recht kurzen, aber sehr brachialen Intro kommen beide Rapper zu Wort. Inhaltlich probieren sich die beiden Wahlberliner zwar wieder an gesellschaftskritischen Thematiken, legen den Hauptfokus jedoch auf den Gesellschaftsunterschied zwischen Land und Stadt ( „Uwe & Heiko”), kritisieren die Rap-Szene ( „Yeezy Christ Superstar”) und wünschen vielen Menschen den Tod ( „Stirb!”). Die beiden Vorabsingles „Was Für Eine Zeit“ und „Uwe & Heiko“ sind letzten Endes mit ihren repetitiven Refrains wohl die Songs, die am ehesten noch auf „Alles Brennt“ gepasst hätten. Umso tiefer man in das Album eindringt, umso mehr Experimente und komplexere Hooks knallen einem die beiden Guccibäuche um die Ohren. Vor allem das im letzten Jahr im Rap so populär gewordene Autotune findet immer häufiger Verwendung. Bei einigen Tracks hat man das Gefühl Zugezogen Maskulin wollen sich stilistisch anderen Bekanntheiten der Szene annähern. So klingt „Vor Adams Zeiten“ sehr nach dem letzten Mixtape der Antilopen Gang. Auch „Nachtbus“ schlägt diesen Sound an, bevor kurz nach Beginn der komplette Track bricht und auf einmal tiefe Bässe dominieren, bloß um im Refrain wieder mit Xylophon-Melodien auf den Beginn zurückzufallen.
„Yeezy Christ Superstar“ schlägt mit seinem tropical Gute-Laune-Beat ebenfalls diesen Mainstream-Rap-Sound an, um genau die Kreise, in denen solche Musik produziert und gefeiert wird, zu kritisieren. Oftmals klingt man jedoch genau wie aus dieser Szene stammende Musiker. In „Nachtbus“ kommentiert Testo dazu: „Ich (…) singe dir (…) ein Lied, nur damit es in der Playlist einer Deutschrap-Party landet und schwachsinnige, sogenannte Cool-Kids dazu tanzen.“ Zu einigen Tracks des Albums kann man sich das soundmäßig tatsächlich sehr gut vorstellen. Diese Experimente, von denen man eine Handvoll findet, funktionieren mal sehr gut, wirken andere Male aber auch aufgesetzt. Die stärksten Momente von „Alle Gegen Alle“ bleiben jedoch die brachialen Songs wie „Steffi Graf“, die beiden Vorabsingles, das Intro oder auch der elektro-punkige Titeltrack, der die wohl gelungenste Neuentwicklung darstellt.
„Alle Gegen Alle“ ist kein neues „Alles Brennt“, probiert sich an Neuem und beleuchtet inhaltlich andere Winkel der Gesellschaft als sein Vorgängerwerk. „Alles brennt“ war vom Sound in sich stimmiger, wagte aber weniger Experimente. Diese sind zwar auf „Alle Gegen Alle“ nicht immer gelungen, bringen dafür aber frischen Wind in die Musik des Duos. Die Beats der Beiden glänzen wieder durch ihre verspielte Detailverliebtheit und ihre Texte wirken wie immer authentisch, clever und allem erhaben. Von all den ganzen Richtungen, in die sich Zugezogen Maskulin nach ihrem Erfolgsalbum hätten entwickeln können, haben sich Grim Und Testo für eine Mischung aus experimentell, krachig und altbekannt entscheiden. Wir können uns damit anfreunden.
„Alle Gegen Alle” erscheint am 20.10 auf Four Music. Im Frühjahr 2018 geht die Band auf große Tour durch alle deutschsprachigen Länder. Zudem fahren Testo und Grim diesen Donnerstag (19.10 )mit einem Bus quer durch Berlin und performen an mehreren Haltepunkten Songs aus dem Album. Infos dazu gibt es hier.
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Und so hört sich das an:
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Zugezogen Maskulin live 2017 / 2018:
19.10.2018 – Berlin, Bi Nuu
10.01.2018 – Leipzig, Werk2
11.01.2018 – Rostock, Peter-Weiß-Haus
12.01.2018 – Bremen, Tower
13.01.2018 – Münster, Skaters Palace
15.01.2018 – Köln, Bahnhof Ehrenfeld
16.01.2018 – Frankfurth, Zoom
17.01.2018 – München, Strom
18.01.2018 – Würzburg, B-Hof
20.01.2018 – Berlin, Festsaal Kreuzberg
22.01.2018 – Hannover, Musikzentrum
23.01.2018 – Hamburg, Uebel & Gefährlich
24.01.2018 – Kiel, Orange Club
25.02.2018 – Bochum, Bahnhof Langendreer
27.02.2018 – Stuttgard, Im Wizemann
28.02.2018 – Heidelberg, Karlstorbahnhof
01.03.2018 – Erlangen, E-Werk
02.03.2018 – Salzburg, Rockhousebar (A)
03.03.2018 – Wien, Grelle Forelle (A)
06.03.2018 – Reutlingen, Indi(E)stinction@Franz K
07.03.2018 – Karlsruhe, Substage
Die Rechte für das Cover liegen bei Four Music.
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