Wir haben uns vor dem Start der Release-Tour zum aktuellen Album “Intervention” mit dem Sänger und Gitarristen David Schumann der Kölner Band Kmpfsprt getroffen. Bei bestem Wetter sprachen wir über Politik, das Schreiben von Songs und auch den Auftritt der Band bei der TV-Show Circus Halligalli.
minutenmusik: Hallo David! Songwriting ist fertig, Album aufgenommen und jetzt auch schon erschienen. Jetzt geht es auf ne kleine Release-Tour. Auf einer Skala von Eins bis unendlich aufgeregt, wie sehr freut ihr euch die Songs jetzt endlich live spielen zu können?
David Schumann: Das ist schon ziemlich weit oben dran an der “unendlich aufgeregt”-Leiste. Neue Songs zum aller ersten Mal vor Leuten zu spielen ist schon ein krasses Ding. Du hast halt lange lange an den Songs gearbeitet, lange aufgenommen, das hat gedauert, bis das Album raus kam, das ist ein stetiger Prozess, wo man es nicht abwarten kann endlich zu spielen und dann stehst du heute in zwei Stunden zum ersten Mal vor Leuten und tust das. Das ist natürlich sehr aufregend, wie die auf die neuen Songs reagieren werden. Ob die Leute die abfeiern oder sich “meh” denken, das weiß man vorher halt nicht. Das ist schon aufregend, muss ich sagen. Ja, ich war schon mal entspannter, als heute.
minutenmusik: Was erwartet ihr von den Shows, die ihr jetzt spielt?
David Schumann: Viel Spaß! Also das, was wir immer erwarten. Hoffentlich viele Leute, die Bock auf die Songs haben, die Mitsingen, die Tanzen und einen guten Abend haben, sodass wir auch einen guten Abend haben. Das wäre schon geil, wenn alle jeweils einen guten Abend haben würden. Dann wäre die Mission mehr als erfüllt. Das ist im Prinzip alles. Das ist für uns jetzt auch erstmal so ein bisschen zurück in die Spur finden, weil wir jetzt – zum ersten Mal seit Bandgründung – fast ein halbes Jahr nicht gespielt haben. Das haben wir vorher noch nie gemacht, also so lange nicht gespielt und da muss man dann schon erst wieder ein bisschen reinkommen. Das haben wir jetzt auch gemerkt. Wir haben zwar intensiv geprobt, aber das ist natürlich was anderes, als wenn du vor Leuten stehst. Wir haben auch gemerkt, dass der Soundcheck gerade eben auch wieder ganz anders, als der Sound im Proberaum und so, war. Da muss man sich erst wieder dran gewöhnen. Wir waren echt in so einem Rhythmus, in dem das alles locker easy ging und jetzt muss man das sich halt erst wieder erkämpfen, dass man wieder dahin kommt, dass das Livespielen für einen selbstverständlich ist.
minutenmusik: Ihr habt jetzt auch schon zwei Alben und eine EP veröffentlicht. Auf was dürfen sich die Fans bei diesen Shows freuen? Habt ihr euch irgendwelche Überraschungen überlegt?
David Schumann: Wir überraschen die Leute nicht! Die sollen ruhig wissen, was sie kriegen. Die kriegen die besten Songs von allen drei Veröffentlichungen und hoffentlich reicht das, wenn man auf ein Konzert geht und das bekommt. Wir haben eine ziemlich coole Setlist zusammengestellt, die aus vielen Songs aus wirklich allen Schaffungsphasen besteht. Natürlich sind auch einige Songs von früher dabei, die wir ziemlich lange nicht mehr gespielt haben und einige neue. Da kann man glaube ich einen ziemlich guten Mix erwarten.
minutenmusik: Das klingt gut! Vor einigen Wochen wart ihr in einem bekannten Fernsehformat, nämlich Circus Halligalli, zu sehen. Dort hieß es, dass ihr Dampfnudeln mögt. Euer Statement dazu?
David Schumann: (lacht) Ich glaube nicht, dass ich jemals Dampfnudeln gegessen habe, ehrlich gesagt. Ich weiß nicht mal so richtig, was das ist. Klingt schwäbisch, klingt so ein bisschen, wie Spätzle. Ich hab keine Ahnung. Ich weiß aber, was du meinst. Das war unten eingeblendet, oder? Damit haben wir selbstverständlich nichts zu tun. Da wurden wir auch nicht gefragt.
minutenmusik: Also keine Promo-Idee?
David Schumann: Nein, da ist eine Gagschreibercrew, die sich solche Dinge ausdenkt. Die dann vermutlich dafür bezahlt wurden, dass da Dampfnudeln steht. Wahrscheinlich auch besser als wir. Aber hat Spaß gemacht da zu sein.
minutenmusik: So ein großer TV-Auftritt ist immer besonders für kleinere Bands. Wie habt ihr den Tag erlebt? Was waren eure Eindrücke?
David Schumann: Das war krass. Der Tag ist an uns vorbeigerauscht, ohne, dass man sich an was erinnern kann. Das ging so schnell und das war so ungewohnt. Du bist in diesem kleinen Schrank und dann geht die Tür auf und du gehst raus. Dann hat man ungefähr 15 Sekunden. Und nach jedem mal raus und wieder rein haben wir uns dann ausgetauscht. “Wie wars? Wie fandest du es so?” Und alle konnten sich einfach nicht mehr erinnern. Du gehst halt da raus und eine Milliarden Eindrücke brechen auf dich ein: Tausend Zuschauer, da Joko und Klaas, hundert Kameras, die da rumfahren, einer, der dich von hier filmt. Alles ist laut und das Licht blendet und, wenn du gerade realisiert hast, wo du stehst, ist es schon vorbei. So ging das halt die ganze Zeit. Der Tag war vorbei und ich hatte das Gefühl ich sei gerade erst aufgestanden. Das war Wahnsinn. Und dann mussten wir noch mal sieben Stunden mit dem Bus nach Köln fahren, das war… angenehm. (lacht)
minutenmusik: Wenn man vor einem Millionenpublikum steht und dann in einem Land, in dem die politische Mitte eher nach Rechts abdriftet, “FCK AFD” oder “Refugees Welcome”-Shirts trägt, erregt man gewiss einige Gemüter. Habt ihr davon was mitbekommen?
David Schumann: Ja, haben wir mitbekommen. Das war großartig! (lacht) Also erstmal haben wir ganz viele Gemüter positiv erregt. Das heißt unsere Facebook-Inbox war voll mit Mails, die uns gefragt haben, wo man diese Shirts herbekommt. Das war eine sehr positive Reaktion der Leute. Ich hätte da eigentlich mit mehr Hass gerechnet. Wir haben aber auch exakt eine einzige Hassmail bekommen, von irgendwem der gesagt hat, dass er dachte wir seien eine geile Band und dann habe er unsere T-Shirts gesehen und jetzt wüsste er, dass wir in die Tonne gehören. Der ist erstmal von unseren Fans auf unserer Facebook-Seite kaputt geschrieben worden. Das war sehr witzig. Ich hätte damit gerechnet, dass mehr Negatives kommt. Es kam halt fast nur positives Feedback. Deswegen ist es vielleicht auch so, dass dieses “in die rechte Ecke abrutschen des Landes” auch mehr Leuten nicht gefällt, als man denkt und, dass diese Stimmen sonst bloß nicht so laut zu hören sind, weil die Hassstimmen immer lauter schreien. Das heißt aber ja nicht, dass es viele sind. Ich glaub, dass die meisten Leute das total scheiße finden, wo Deutschland hindriftet, mit AFD und Pegida und so weiter, und, wenn man dann die Möglichkeit hat vor einem Millionenpublikum mit einem Shirt zu zeigen, wo man steht, ist das glaube ich auch eine recht gute Rechtfertigung in diese Show zu gehen.
minutenmusik: Ihr setzt aber auch nicht nur im Fernsehen politische Statements, sondern auch in euren Songs. Auf “Intervention” ist vor allem der Song “Antithese” sehr politisch. Glaubt ihr, dass Musik etwas bewirken kann? Dass man Menschen vielleicht auch beeinflussen kann?
David Schumann: Au ja. Ich weiß, dass das passieren kann. Ich war selber mal vierzehn, fünfzehn, habe mit so Assipunks rumgehangen, die beim Saufen auch mit irgendwelchen unpolitischen Skinheads unterwegs waren. Da haben Leute Onkelz gehört und das war nicht cool und so. Da wurde dann halt drüber geredet und da hat man Bands, wie Slime gehört, die eine klare antifaschistische Aussage hatten und da haben sich Leute Gedanken gemacht und gesagt, dass sie diese Onkelz mit diesen Texten gar nicht mehr hören wollen. Da hab ich schon gemerkt, dass Musik vor allem in diesem sehr jungen Alter Leute verändern kann. Bei mir selber war das etwas später so, dass ich einen Song von den Smiths gehört hab, der heißt “Meat is Murder”, und vorher nie mit Vegetarismus in Verbindung gekommen bin. Dann war da auf einmal dieser Song, der deutlich gemacht hat, dass das Essen von Fleisch Mord ist. Ich hab vorher, so wie jeder andere auch, Burger gemocht. Ich hab mir dann zuerst gedacht, dass das doch nicht so sein könne und hab mich sehr über diesen Song aufgeregt. Umso länger es jedoch gedauert hat, umso mehr hat der gesackt und seine Wirkung entfaltet. Ich hab dann angefangen darüber nachzudenken. Dann kamen die Gorilla Biscuits mit “Cats and Dogs”, welcher auch von dem Thema handelt. Ich habe gemerkt, dass das ein Thema zu sein scheint und angefangen mich damit zu beschäftigen, Bücher darüber zu lesen und habe dann gemerkt, dass das Töten von Tieren das falscheste ist, was es gibt, und bin Vegetarier geworden. Das ist jetzt über zwanzig Jahre her. Seitdem habe ich nie mehr Fleisch gegessen. Das hat Musik getan. Ich denke, dass Musik sehr sehr sehr viel verändern kann. Ich hoffe, dass “Antithese” das auch für einige Leute tun wird, die jetzt vielleicht noch nicht genau wissen, wie sie zu Pegida oder der AFD stehen. Dass die das dann hören und sich denken “Fuck man! Die sind scheiße!”.
minutenmusik: Auf “Intervention” behandelt ihr auch andere Themen, wie zum Beispiel die Musikindustrie, oder auch zwischenmenschliche Beziehungen, aber auch vor allem Alkohol. Wer bei euch schreibt die Songs und ist somit der “Alkoholiker” der Band?
David Schumann: Die Texte schreiben wir tatsächlich alle. Die Songs über Alkohol sind von Richard und mir jeweils. “Atheist” von “Jugend Mutiert” ist beispielsweise von mir, hingegen “Samstagabendtodeskampf” auf der neuen Platte von Richard ist. Wir haben mit Alkohol ein Thema gefunden, über das wir gerne schreiben. Und mit dem wir uns auch gerne außerhalb der Musik beschäftigen. (lacht)
minutenmusik: Ergänzt ihr euch beim Songwriting gegenseitig oder schreibt einer den Text, gibt den so ab und dann wird da auch nichts mehr dran geändert?
David Schumann: Da wird ganz viel drüber geredet. Oft ist es so, dass ich einen Song schreibe und ich in dem Moment keine Idee für einen Text habe und dann Dennis frage, ob er eine habe. Daraufhin schickt er mir einen Text und ich arrangiere diesen so auf den Song, dass es passt. Da wird ganz viel gemischt. Bei “2014 24/7” ist zum Beispiel der Text von Nico und die Musik vom Richard. Das ist wirklich ein großes Konglomerat. Bevor wir das dann aufnehmen treffen wir uns alle und reden über die Texte und drehen wirklich jedes Wort um. Das ist manchmal sehr anstrengend, muss aber sein, damit einem das Ergebnis auch gefällt.
minutenmusik: Ihr seid alle neben der Band noch berufstätig. Wie man gerade merkt, ist so eine Band mit viel Arbeit verbunden ist. Wie schafft ihr das das beides nebenbei auszuleben?
David Schumann: Ich würde sagen, dass wir auf der einen Seite eine gute Organisation haben. Wir sind gut im Zeitmanagement. Uns das einzuteilen, Kompromisse zu finden, Zeit zu finden, in der wir alle können. Und was das wichtigste ist, ist die totale Hingabe dafür. Du kannst das nicht machen, wenn du nicht zu 110% liebst, was du tust. Das bedeutet halt total oft, dass du irgendwo ein Konzert spielst, dann um 12 Uhr nachts fertig bist, hast um 1 Uhr den Bus fertig beladen, musst dann vier Stunden zurück nach Köln fahren und drei Stunden später klingelt der Wecker und du musst acht Stunden auf der Arbeit stehen. Das kann man nur machen, wenn man das lebt. Das kann man nicht irgendwie nebenbei machen. Dadurch, dass Musik uns so wichtig ist, geht das, aber einfach ist das nicht. Da gehören wirklich viel Organisationstalent, viele Excel-Listen und viele Nächte mit wenig Schlaf dazu.
minutenmusik: Lass uns nochmal auf euer neues Album zurückkommen. “Intervention” klingt vom Sound schon anders, als sein Vorgänger. Inwiefern hat sich die Arbeit unterschieden?
David Schumann: Wir waren zum ersten mal in einem anderen Studio. Wir haben vorher die EP und das Album bei Gernhard Studios in Siegburg aufgenommen, so wie unsere alten Bands, also Fire in the Attic und so. Wir waren im Prinzip seit zehn Jahren immer nur da und nie woanders. Wir wollten halt irgendwann auch mal was Neues ausprobieren. Irgendwann wird das halt langweilig. Man will was Neues sehen, mal einen neuen Input haben, auch von demjenigen, der dich aufnimmt und dich berät. Das war dann diesmal der Sebastian von Days In Grief, der auch heute bei uns Sound macht. Der hatte noch mal ein ganz anderes Ohr für die Sachen, das war sehr cool! Wir haben uns diesmal aber auch mehr vorbereitet. Bei “Jugend Mutiert” sind wir quasi aus dem Proberaum direkt ins Studio gegangen und haben die Songs da so aufgenommen, wie wir sie im Proberaum gespielt haben. Diesmal war es so, dass wir vorher Demos mit unseren Rechnern aufgenommen haben. So konnten wir schon viel besser hören, was zusammenpasst und was nicht. Wir haben uns quasi viel mehr Zeit für die Vorproduktion genommen. Wir mussten im Studio eigentlich nur noch spielen und wussten schon, was wir wie wollen. Dadurch klingt das glaube ich alles sehr viel aufgeräumter und die Songs sind dadurch auch ein Stückchen besser. Das ist ganz gut mit der Vorbereitung.
minutenmusik: Habt ihr ein abschließendes Statement an eure Fans? Etwas, was ihr schon immer mal sagen wolltet?
David Schumann: Geht auf Demos gegen Nazis!
minutenmusik: Aber nur, um Kmpfsprt zu treffen!
David Schumann: Natürlich, da sind wir auch! (lacht)
minutenmusik: Vielen Dank für das Interview!
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