Es ist ein lauer Freitagabend. Die Sonne lacht über Köln. Vogelgezwitscher schallt durch die Lüfte, als würden die Spatzen und Schwarzdrosseln das lang-ersehnte Pfingstwochenende erwarten. Auf einem Spielplatz vor dem YUCA in Ehrenfeld tummelt sich eine erstaunlich große Zahl jung-gebliebener Adoleszenter, welche einerseits auf den bemoosten Parkbänken rund um die Schaukeln und Wippen gemütlich ein Bier zischen, andererseits aber auch hektisch und nervös die Gegend nach etwas Bestimmten zu durchforsten scheinen. „Freie Eintrittskarten für Mauli heute Abend sind da irgendwo versteckt“, lasse ich mir sagen. Kein Wunder, dass diese Freikarten heiß begehrt sind, schließlich ist das heutige Konzert als bislang einziges der „EWIG Tour“ restlos ausverkauft.
Nach einer kurzen Sicherheitskontrolle am Eingang, betreten wir das YUCA. Auf einem kleinen Stehtisch neben einem stattlich-gebauten Security-Mann liegt ein sichergestellter, durchaus üppiger Berg an übereinandergestapelten Marihuana-Joints. Der Veranstalter hat seine Sicherheitsbeauftragten an diesem Abend wohl besonders innig instruiert, nach THC zu filzen. Die Gründe liegen – wie man erfahren wird – wohl auf der Hand.
Der Saal ist gut gefüllt. Im Hintergrund des kleinen, dunklen Raums läuft – anders als bei den meisten Deutschrap-Konzerten – ein Hörspiel. Eine beruhigende, tiefe Stimme schallt durch den Raum und lässt mich in an alte ‚Justus, Peter und Bob‘ oder TKKG-Zeiten zurückversetzen. Obwohl ich aufgrund des murmelnden Geräuschpegels des Raums nicht genau verstehen kann, worum es in der Erzählung geht, macht sich die Spannung der Geschichte bemerkbar.
Pünktlich um 20 Uhr betritt schließlich ein mit Drei-Tage-Bart und Hipster-Pottschnitt-Frisur ausgestatteter junger Kerl in rotem T-Shirt und einer um den Hals gehängten Bauchtasche die Bühne. Ein Mikrofon in der einen, Zigarette und Kölsch in der anderen Hand bewaffnet verkündet er: „Tja, ich bin jetzt der Voract. Applaus!“, und wirft seine Hände in die Höhe, als verlange er eine Welle an Trubel und Euphorie vom Publikum. „Gestern waren wir in Süddeutschland. Weil ich leider im Hotelzimmer meine Schlüssel und mein Handy vergessen habe, weil ich zu besoffen und zu bekifft war und außerdem nichts mehr konnte, musste ich jetzt mit auf Tour kommen.“ Applaus!
Nach ein paar gekonnten Liebeserklärungen ans Kiffen – bei Maulis Shows gab wohl in der Vergangenheit einige nennenswerte und in grüne Rauchschwaden gekleidete Eskapaden – sowie diversen Anekdoten über die vergangenen Tourstopps und darüber, warum Süddeutschland scheiße ist („Applaus!“), schreit jemand aus dem Publikum: „Wer bist du überhaupt?“ Kurzes Gelächter. Der hippe Voract grinst und antwortet: „Halloumi 21 und du?“ – „Hey, ich bin Yassin.“ Applaus für Yassin. Und wer ist jetzt dieser Halloumi 21? Tja, er dürfte vielen als Leibfotograf von Marvin Game, aber auch von vergangenen Mauli-Touren bekannt sein. Ein waschechter, gutgelaunter Slacker, der gerne Bier trinkt, seine Grenzen austestet und Publikum zum Lachen bringt. Sein Auftritt wird schließlich durch laute, ununterbrochene „Mauli“-Forderungsrufe beendet. Das Publikum hat Bock!
Wenige Minuten später erklimmt schließlich der Star des Abends selbst die Bühne, greift zu den Tasten seines schwarzen Roland-Keyboards und besingt das vor ihm drapierte Standmikrofon mit Autotune-Funktion: Mauli. Mit dem sich langsam, dynamisch-aufbauenden Opener „Sturm“ seines aktuellen Albums (die Rezension zu „autismus x autotune“ findet ihr hier) eröffnet er unter tosendem Applaus – Halloumi 21 würde an dieser Stelle aufgeregt die Hände in die Luft schmeißen und etwas von seinem Bier verschütten – die Show. Es ist erstaunlich, wie textsicher und laut das Publikum die Texte mitsingen kann. Die Hook „Wartest du auch auf den Sturm / Der alles beendet für dich? / Denkst du, die erste Million / Beendet die Herbstdepression? …“ ertönt in solch gewaltiger Fülle durch den Raum, dass Mauli sich hier und da ein gewaltiges stolzes Grinsen verkneifen muss. Applaus – der Song ist zu Ende.
Nachdem – stets die Song-Reihenfolge des Albums beibehaltend – der zweite Track „Kugeln“ von Mauli, der ein schwarz-weiß gestreiftes Oberteil trägt und damit von weitem fast wie ein süßer, kleiner Panzerknacker wirkt, zum Besten gegeben wird, legt er eine kleine Kommunikations- und Interaktionspause ein. Yassin, der bereits zuvor aus den Publikumsreihen auf sich aufmerksam gemacht hatte, wird namentlich als Stimmungs-Anheizer ernannt. Alles, was Yassin macht, soll nachgemacht werden. Gesagt, getan. Yassin nimmt seine Aufgabe Ernst, sodass von ihm bei den folgenden Songs Pogo-Kreise gebildet oder laute „Mauli“-Anfeuerungsgesänge angestimmt werden.
Obwohl Mauli, welcher in seinem bürgerlichen Leben eigentlich Marius Schwesig heißt, ein wenig erkältet ist – was er, zugegeben, nicht nur einmal während des Abends erwähnt und seinem ohnehin durchaus angenehm-kehlkopflastigem Stimmchen keinen Abbruch tut – brilliert er bei den vor allem melodisch-gehaltenen Songs seines neusten Werks durchaus. Mit Bravour weiß er sein Autotune-fähiges Mikrofon zu bedienen, was – ich spreche aus Erfahrung diverser anderer Deutschrap-Konzerte – definitiv nicht bei jedem Konzertbesuch vorausgesetzt werden kann, aber ebenso die Musikalität des Rappers, der schließlich das gesamte Album komplett selbst produziert hat, unterstreicht. Daher ist es auch kein Wunder, dass sich der 25-jährige daran stört, wenn Fans in der ersten Reihe gefühlt die ganze Zeit ihr Handy in die Luft halten oder nach Selfies fragen.
Neben Songs des neuen Albums spielt Mauli aber auch alte Klassiker wie etwa „Villa Kunterbunt“ von seiner Spielverderber-Platte. Zu dem von morten produzierten Song „Mauli pt. 2“ wird während der Anmoderation natürlich kräftig der aus Köln stammende Timeless – ein von Mauli in besonderem Maße favorisierter Rapper – belächelt und aufs Korn genommen und auch eRRdeKa bekommt in wenigen Worten sein Fett weg. („Kein Schwuler der Welt, keine Lesbe der Welt können etwas dafür, dass die so schlechte Musik machen!“ – Applaus.) Sei’s drum, das Publikum ist auch diesmal Feuer und Flamme und feiert fröhlich mit. Vor allem die gekonnt in Szene gesetzten Lichtinstallation mit sämtlichen Effekten unterstreichen den Auftritt des jungen Berliners sehr. Bei Stroboskop und Laserstrahlen tanzt die Menge ausgelassen zu alten sowie neuen Werken. Vor allem beim Song-Finale von „Licht“ erstrahlt der Raum dabei in allen nur erdenklichen Regenbogenfaben. Liebe ist im Raum. Applaus!
Den Publikumsforderungen nach dem Song „Shoutout“ wird Mauli in der Zugabe gerecht. Obwohl das Autotune-fähige Mikrofon hier wie auch bei den übrigen Songs seiner alten Werke an einigen Stellen ein wenig unpassend wirkt und den ursprünglich völlig anderen Sound des Vorgängeralbums etwas verfälscht, stört sich das (überwiegend junge, durchschnittlich etwa 16 – 20 jährige) Publikum nicht daran, bildet in dem kleinen Saal eine wilde Wall of Death und springt wild und ausgelassen während der Hook gegeneinander.
Gegen 21:30 Uhr ist der aufregende, durchaus gelungene Konzertabend schließlich zu Ende. Verschwitzt, zum Teil völlig bekifft, aber glücklich verlassen die Zuschauer den Konzertsaal und statten dem benachbarten Merchandise-Stand einen kurzen Besuch ab. Wenige Minuten später stößt schließlich auch der leicht-erkältete Mauli dazu und lässt es sich nicht nehmen, Fotos und Autogramme zu geben. Sympathisch.
Alles in allem war es ein hervorragender und gelungener Konzertabend, der an nichts vermissen ließ. Ein kleiner, fast schon familiärer Konzertsaal, ein grandios-motiviertes Publikum und ein auch-live überzeugender, durchaus begabter Musiker und Rapper auf der Bühne, der sein Publikum mit Witz und Charme zu unterhalten weiß. Was will man mehr! – Mauli, eine absolute Empfehlung.
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