Lygo – Schwerkraft

Schon ein Blick nach Chemnitz reicht, um die dramatische politische Lage in Deutschland zu erkennen. Was sich schon die letzten Jahre in Pegida-Märschen und AfD-Wahlergebnissen niedergeschlagen hat, zeigt sich nun in den krassesten Bildern. Bei solchen Geschehnissen gibt es voll genug Futter für die hiesigen Bands aus dem Punk-Gefilde, denn wer kann hier schon lange ruhig bleiben?

Lygo schon mal nicht, die genau jetzt ihre zweite Platte auf die Menschheit loslassen. Songs wie “Gründe” und “Festgefahren” machen in kurzen, knappen Sätzen jedoch klar, auf welcher Seite die Band steht, ohne dabei jedoch mit dem Finger auf andere  zu zeigen. Ansonsten nimmt das Album aber gerne Umwege, spricht dabei aber so ungemein viele Themen an, dass es eine reine Freude ist, das Booklet zu durchstöbern. Musikalisch bleibt es dabei auf gewohnten Wegen, der (Post-)Punk will immer nur geradeaus, Sänger Simon sprech-schreit-singt sich dabei alle Verzweiflung und allen Zorn von der Seele. Schon das Intro “Alles ist egal” geht dabei ganz schnell und macht mit gerade ein mal zwei Sätzen ein klares Statement: “Alles ist so egal, solange das Gefühl stimmt, solange es dich mitnimmt”. Ein Satz, der so viel bedeuten kann: es kann eine Begründung für moralisch verwerfliches Verhalten sein, denn so lange es einem selbst gut geht, ist alles andere egal. Es kann aber auch ein Hinweis sein, wie wichtig es ist, in der heutigen gefühlskalten Welt auch mal Emotionen zuzulassen.

Auch die restliche A-Seite vergeht rasend schnell, die Songs peitschen nur so nach vorne, auch “Gründe” kommt dabei mit einem kurzen Text aus. In “Fiebertraum” werden erstmalig Angstzustände in Form von Träumen beschrieben – das Thema Angst bekommt auch im weiteren Verlauf immer wieder einen Platz. Kaum hat man sich von dieser geballten Ladung Emotion erholt, führt einen auch schon die zweite Seite der Platte in die nächste Runde. Hier geht es sowohl thematisch, als auch musikalisch in weiter gefächerte Gefilde. “Schraubzwinge” beschäftigt sich mit der Suche nach dem Sinn des Lebens und wie viel Zeit man in an sich wenig bereichernde Dinge wie Steuererklärungen und Facebook steckt und wird dabei von einem herausstechenden Schlagzeug-Beat getragen. “Vergessen” lässt wiederum die Gitarren im Vordergrund und behandelt das Thema Zeitzeugen des zweiten Weltkriegs und wie wichtig es eigentlich wäre, ihre wahren Geschichten zu hören, solange sie noch am Leben sind – denn wiederholen darf sich das Ganze unter keinen Umständen. “Keine Leichtigkeit” hingegen beginnt ungewohnt ruhig, erst im Refrain wird wieder Platz für Lärm und Verzweiflung geräumt. Gegen Ende ertönt sogar ein Chor, der zum Schunkeln einlädt und “Leck mich doch am Arsch mit deiner Leichtigkeit” singt. “Rausch – Zwang” kritisiert den alles umfassenden Alkoholkonsum und dessen Verherrlichung in der Gesellschaft und führt schließlich in das Outro “Flughafen”. Der letzte große Song einer deutschen Band, der sich in einem Flughafen abspielte war wohl “Ankunftshalle” von Kettcar, der diesen Ort als sehr positiven und gemeinschaftlichen beschreibt. Lygo sehen diesen eher als Ort der  Gefahren, der Ängste und genau hier findet der Textfetzen des Intros schließlich wieder seine Verwendung: “Alles ist egal, solange das Gefühl stimmt, solange es dich mitnimmt”. Das Gefühl stimmt. Die Geschichten der Songs nehmen einen wohl ohne Frage mit. Es sind schwierige Zeiten, aber Lygo schaffen es, viele der großen Probleme in ihren unverkennbaren Songs zu verpacken und bieten damit einen bemerkenswerten Eintrag in das Punk-Portfolio des Jahres.

Das Album “Schwerkraft” kannst du dir hier kaufen.*

Und so hört sich das an:

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Lygo live 2018

  • 12.10.2018 Druckluft Oberhausen
  • 13.10.2018 Gleis 22 Münser
  • 14.10.2018 Hafenklang Hamburg
  • 16.10.2018 Tower Musikclub Bremen
  • 17.10.2018 Mephisto Hannover
  • 18.10.2018 Jugendhaus West Stuttgart
  • 19.10.2018 Club Stereo Nürnberg
  • 20.10.2018 Ex-Haus Trier
  • 21.10.2018 Kesselhaus Wiesbaden
  • 23.10.2018 Club Schilli Ulm
  • 24.10.2018 Sunny Red München
  • 25.10.2018 Chemiefabrik Dresden
  • 26.10.2018 Badehaus Berlin
  • 27.10.2018 Reil 78 Halle / Saale
  • 28.10.2018 Artheater Köln

Rechte am Albumcover liegen bei Kidnap Music.

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