Sam Macintyre steht am Bühnenrand und zeigt in die Menge. „Hast du gerade gegähnt?“, fragt der Gitarrist lächelnd, während seine Bandkollegen sich gerade darum bemühen, mit ihren Instrumenten den nächsten Soundausbruch vorzubereiten. Im Publikum weiß so keiner, mit wem der kleine Mann gerade zu kommunizieren versucht. Angesprochen fühlt sich niemand, alle blicken sich hilflos um. Macintyre – ein Fünftel der britischen Rock-Band Marmozets – dreht sich um und kehrt mit einer Bierflasche zurück, die er einem jungen Mann in den ersten Reihen reicht. Beide lachen, der junge Herr freut sich. Kaum eine Situation fasst den Auftritt der Briten im Dortmunder FZW Club wohl besser zusammen: Etwas sonderbar wirkt das alles schon, so richtig verstehen tut man die ganze Angelegenheit nicht, aber damit dann doch alles zu einem guten Ende gelangt, nimmt man eben einen tiefen Schluck Spaß.
Nun aber zurück zum Beginn. Es ist kurz nach halb neun im tatsächlich nur zu etwa zwei Drittel vollen Club des Freizeit Zentrum West. Gerade haben Entropy die Herzen aller Oceansize-Fans mit ihrem sehr lauten Post-Progressive-Irgendwas-Gemisch höher schlagen lassen. Die nächste Stunde wird man nun wegen einer ungewöhnlich langen Umbaupause mit dem Warten auf den Hauptact verbringen. Als es dann gegen halb zehn endlich dunkel in dem Raum wird, ist dieser zwar nicht randvoll, aber gut gefüllt. Darüber, warum die Nachfrage nach dem Wochen zuvor ausverkauften Konzert im Kölner Luxor Anfang des Jahres derart zurückging, lässt sich nur spekulieren.
Die Band, die momentan ihr zweites Album „Knowing What You Know Now“ betourt und vor einigen Wochen ihre bislang größte Headline-Show vor über 2000 Fans in London spielte, setzt mit „Play“, dem meistgestreamten Song der neuen Platte, gleich einen Fan-Favoriten an den Beginn ihres Sets. Wirklich beeindrucken lässt sich die Menge davon jedoch noch nicht. Es dauert tatsächlich einige Songs, bis wirklich Bewegung in den Laden kommt. Auch bei Stücken wie dem emotionalen „Captivate You“ hält sich das Publikum gesangstechnisch doch eher zurück – vor allem wenn man auf die Singalong-Momente vergangener Tourneen zurückblickt. Im Gegensatz dazu wird der Pogo im Verlauf der 65-minütigen Show immer ausgelassener. Spätestens als dann „Major System Error“ – Single Nummer zwei des aktuellen Albums – den Schlusspunkt bildet, tanzt der komplette Saal.
Dazwischen feuert das Quintett Song nach Song ab. Den Hauptfokus legt die Gruppe um Frontfrau Rebecca Macintyre klar auf ihre neuen Stücken. Neun von zwölf Songs der Platte schaffen es in das Set – vom deutlich unbändigerem Debüt sind es gerade einmal sechs. Die Band gibt sich im Verlauf des Konzertes routiniert dankbar, Frau Macintyre betont wie angetan sie doch ist, dass sich beim ersten Besuch der Marmozets in der Stadt doch so viele Menschen in die Location verirrt haben. Auch auf musikalischer Ebene beweist die Gruppe, dass sie nicht umsonst für das nächste „große Ding“ der britischen Rock-Szene gehalten wird.
Ansonsten wirkt vor allem der Start des Konzertes etwas holprig. Das liegt nicht an der Band: Die versucht sich nichts anmerken zu lassen und schafft es auch, die Stimmung Song für Song zu lockern – zur Not eben, indem man das Publikum mit Alkohol lockt. Später wird man auf den Abend als ein routiniertes, aber nicht herausragendes Ereignis zurückdenken. Ein Sonntag eben.
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Und so hört sich das an:
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Marmozets live 2018:
30.10. – München, Strom
31.10. – Tübingen, Sudhaus
Foto von Jonas Horn.
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