Rap dominiert in den letzten Jahren die Charts und Hitlisten vieler europäischer und englischsprachiger Länder. Dass das Genre durchaus mehr als nur Autotune-Pop-Hits bereithält und deutlich heterogener ist, als der Mainstream-Fan nach Überfliegen der Charts vermuten würde, zeigen vor allem Ausnahmekünstler aus den USA oder der UK. Aus letzterer Region der Erde stammt der junge Herr, um den sich dieser Text dreht. Marius Listhop, wie der Künstler mit bürgerlichem Namen heißt, verdreht der britischen Rapszene seit einigen Jahren als Scarlxrd den Kopf und mischt unter dem Synonym knallige Trap-Banger mit Screamo-Einflüssen. „Infinity“ ist die bereits siebte Veröffentlichung in Albumlänge, der zweite Langspieler des Rappers über das Universal-Unterlabel Island Records und erscheint bereits weniger als ein Jahr nach dem energetischen Vorgänger „DXXM“.
An der Grundformel hat der Brite diesmal erneut wenig gedreht. Der Bass massiert die Gehirnmasse, die Synthies und Gitarren fallen simpel aus und die Stimme Listhops schwankt immer zwischen Sprechgesang und Geschrei. Im Gegensatz zu den Vorgängern gelingt es Scarlxrd jedoch erstmals, auch ruhigere Momente in seine Musik einfließen zu lassen und den Zuhörern kleine Ruhepausen zu gönnen. So stellen „HXW THEY JUDGE“ und „DEMXNS AND ANGELS“ geloopte Gitarrenmelodien in den Fokus und verzichten größtenteils auf den markanten Sub-Bass.
Textlich thematisiert Listhop noch immer seine innere Zerrissenheit durch Depressionen und Angstzustände auf der einen und widmet sich seinen Feinden und dem Mainstream auf der anderen Seite. Dass das wütende Wesen des Rappers auch in den neuen Stücken immer noch durchscheint, überrascht nicht. Bereits im Opener „I WANT TX SEE YXU BLEED“ muss sich Scarlxrd nach einem kurzen Wutanfall sammeln – der Song pausiert währenddessen – darauf setzen die krachigen Bässe wieder ein. Auch „I CAN DX WHAT I WANT“ ruft nach Moshpit und Wall-Of-Death. In „BERZURK“ rappt Listhop dann auf einmal lächerlich schnell. Das hinter dem Pseudonym also nicht nur heiße Luft, sondern durchaus ein talentierter junger Künstler steckt, muss man spätestens hier anerkennen.
Vor allem vocalmäßig greift Scarlxrd auf wenig Melodie und Eingängigkeit zurück. Die Gesangsparts sind roh und hart, die Refrains bestehen zumeist aus wenigen Zeilen, die häufig wiederholt werden und sich nicht selten auch in den Songtiteln wiederfinden. So schreit der 24-Jährige in „STFU“ immer wieder „Shut the Fuck Up“ – auf den Konzerten sicherlich ein intensiver Moment. Wo der Weg den Briten in Zukunft hintragen und ob in zukünftigen Releases mehr Melodie Einzug in dessen Musik finden wird, bleibt abzuwarten. Im Mai geht der Rapper zunächst gemeinsam mit Bring Me The Horizon in Amerika auf Tour – dass Scarlxrd bald deutlich mehr als ein Geheimtipp sein wird, kann also angenommen werden.
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Die Rechte für das Cover liegen bei Island Records.
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