Desto mehr musikalischen Output eine Band in ihrer Vergangenheit generierte, umso mehr spielen Fragen von Charakter und Weiterentwicklung bei zukünftigen Werken eine Rolle. Fünf Mal dieselbe Platte: Will keiner! Fünf Alben, die kaum ein und derselben Gruppe zuzuordnen sind, stellen jedoch auch niemanden zufrieden! Die britische Indie-Rock-Band Foals brachte seit ihrer Gründung im Jahre 2005 bereits recht erfolgreich fünf Alben an Math-Rock- und Indie-Fans. Album für Album gelang es der Band dabei immer ihren markanten Indie-Frickel-Sound bei zugleich laufender Weiterentwicklung beizubehalten. Nachdem im Frühjahr bereits der erste Teil der gesellschaftskritischen Album-Folge „Everything Not Saved Will Be Lost“ erschienen war, steht ein halbes Jahr später nun der zweite an. Wendete sich das Quartett auf Teil eins tanzbaren Dance-Elementen zu, so stehen diesmal Garage- und Blues-Rock auf dem Plan. Ein gewagter Fortschritt?
Der Blick nach vorn
Schloss „Everything Not Saved Will Be Lost Pt. 1“ noch mit der düsteren Endzeit-Ballade „I’m Done With The World (& It’s Done With Me)“ ab, so setzt bereits das instrumentale Intro „Red Dessert“ eine deutlich euphorische Grundstimmung, die sich dann auch in „The Runner“ trägt. Die zweite von drei Vorabsingles durchmischt verspielte Blues-Licks mit der Leichtigkeit des Indie und bereitet deshalb vor allem musikalisch Spaß. Auch die Lyrics durchzieht diese positive Energie. Wollte der Protagonist zum Ende des ersten Teils noch alles hinter sich lassen, so erlebt der Hörer ihn hier als wahre Kämpfernatur, die sich von nichts zu Fall bringen lässt.
Die gesamte erste Hälfte der Platte durchzieht dieser positive Habitus. So setzt sich das lyrische Ich in „Wash Off“ das Ziel, seine optimistische Haltung nicht von seiner negativen Umgebung und deren Bedingungen zerstören zu lassen. Führt den Song Foals-typisches Gitarrengefrickel an, nimmt die Schlagzeug-Produktion, die die Drums teilweise nach einem elektronischen Beat klingen lässt, dem eigentlich recht energetischen Track doch ein wenig den Druck raus. Schade. Live sieht das dann aber sicherlich ganz anders aus. Bei „Black Bull“ entlädt die Band dann aber doch ihre ganze Energie. Über stürmischem Instrumental adressiert Sänger Yannis Philippakis die unangenehm tölpelhaften Seiten der gesellschaftlich angelernten Männlichkeit – eben jene Seiten, die sich mit einem unzähmbaren Stier vergleichen lassen.
Die letzten Meter
Das Klavier-Zwischenspiel „Ikaria“ leitet dann den letzten Abschnitt des Projektes ein, der mit der Euphorie der restlichen Platte bricht und sich wieder einem düsteren Themenfeld zuwendet: Dem menschlichen Tod. Das geschieht mal über groovigen Mid-Tempo-Song mit großen Blues-Momenten im Refrain („10,000 Feet“), mal als atmosphärische Ballade („Into The Surf“). Am verstörendsten wirkt jedoch der epische Zehn-Minuten-Closer „Neptune“, in dem Philippakis immer wieder eindringlich über die Vergänglichkeit des Seins singt, während sich hinter seinem Rücken bedrohlich verzerrte Gitarren auftürmen. Schlussendlich krönt das Hörerlebnis ein ausgedehnter Foals-Trademark-Jam in der Bridge. Was für ein Ritt!
Es braucht einige Hördurchläufe, bis man in den riffigsten Momenten den Charakter der Band zu erkennen weiß. Hat man aber einmal erfasst, wie grandios es dem Quartett gelingt neue Einflüsse mit ihrem etablierten Songwriting und Wohlbekanntem zu kombinieren, wächst der zweite Teil von „Everything Not Saved Will Be Lost“ mit jedem Durchgang. Das Mammut-Projekt, das die beiden in Jahr 2019 veröffentlichten Werke umgibt, kann abschließend also nur als voller Erfolg gewertet werden. Foals durchlaufen Besetzungswechsel, (er-)finden sich als Band neu und schaffen es trotz der stürmischen Umstände ihre Stärken in voller Gänze beizubehalten. Kann man soetwas überhaupt besser meistern?
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