Dream Wife – So When You Gonna…

Dream Wife

“I am not my body, I’m somebody” kleisterten Dream Wife 2018 noch mit ihrer ersten großen Hymne auf die Riot-Grrrl-Demo-Schilder der Welt. Vom zornigen zugehörigen “Somebody” zum letzten Song des Zweitwerks hat das britisch-isländische Trio ganze Soundgalaxien hinter sich gelassen, doch das Thema bleibt selbstverständlich dasselbe: “My body, my right.” So angriffslustig sich die drei auf dem Albumcover auch geben mögen, auf “So When You Gonna…” geben sich Alice Go, Ella Podpadec und Rakel Mjöll reifer, nachdenklicher, gelassener. Was sich also im großen Finale “After The Rain” an introspektivischer Nähe manifestiert, ist die logische Konsequenz dessen, was Dream Wife sich zuvor erspielt haben. Deutlich wird dabei vor allem eins: Hier wächst die nächste große Stimme des Riot-Grrrls heran – und die kann gleichermaßen ohrenbetäubend in der Disco croonen wie in der Garage kreischen.

Agenda der Unterdrückten

Anstelle sich die ganze Feminismus-Debatte als oberflächliche Modeerscheinung einzuverleiben bis eben der nächste Trend ansteht, machen Dream Wife ernst. Bei “So When You Gonna…” hatten ausschließlich nicht-männliche Menschen ihre Finger im Spiel, darunter Produzentin Marta Salogni (Björk, Holly Herndon, FKA Twigs), die Toningenieurin Grace Banks (David Wrench, Marika Hackman) und Mastering-Engineer Heba Kadry (Princess Nokia, Alex G, Beach House). Dazu gibt es zudem einen wöchentlich erscheinenden Podcast unter dem Albumtitel, in dem die drei den marginalisierten Menschen der Musikindustrie eine Bühne bieten wollen. Als “call to action” für weibliche, queere und non-binäre Musiker*innen solle die zweite Platte nun verstanden werden, ein Versprechen, dem die erste Vorabsingle “Sports!” mit kieksendem Gestus, knirschenden Desertrock-Gitarren, mehrdeutigem Sport-Text und ästhetischem Video völlig nachkommt. Wer da nicht Lust bekommt, selbst Teil einer so umwerfenden Formation zu werden, hat den Punk wohl nie geliebt. Aber Dream Wife sind viel mehr als nur ein Abziehbild der 90er-Bewegung und ihrem Sound, auch wenn die großen Refrains gerne mal Garbage- oder No Doubt-Tattoos tragen. Wenn dies aber wie in “Homesick” passiert, muss immer mindestens die Bridge aus der Reihe tanzen, kreischend gegen die Wand springen, oder die Strophen mit poppiger Monotonie die bedrückenden Hintergründe inklusive  nachzeichnen.

Nicht alles ist Gold, was lärmt

Irgendwo zwischen den Stühlen, auf denen sich Pop und Punk fläzen, haben Dream Wife einen ganzen Palast an Referenzbögen gespannt. Unter wummernden Pop-Bässen windet sich ein Wolpertinger aus Haim und Dua Lipa (“Old Flame”), “Hold On Me” zitiert auf Textebene Kylie Minogue, taucht musikalisch aber in perlende Dream-Pop-Gitarren ein, mit Kopfstimme wird im sphärischen Indie von “Temporary” der Schmerz vergehender Liebe ein würdiger Rahmen geboten. Ob im klassischen Riot-Grrrl-Schmachter mit seinen drängenden Bässen und den autarken Forderungen nach sexueller Nähe (“So When You Gonna…”) oder dem ruhigen Folk von “U Do U” und seiner Forderung auf den Narrativ der Musikerinnen – in jedem Akkord von “So When You Gonna…” brodelt es gewaltig. Dank der glasklaren Produktion und den unwiderstehlichen Ohrwürmern überzeugen Dream Wife in ihren sanften, aber auch den kratzbürstigen Momenten, hinterlassen Botschaften, die im Mainstream genau so Früchte tragen können wie im Punk-Underground – und meiden konsequent auch keine vermeintlichen Tabuthemen wie Abtreibung und Fehlgeburten. “So When You Gonna…” entwickelt sich so zu einer Geheimwaffe, deren Detonationen noch mindestens bis zum kommenden Jahr zu spüren sein werden – und dann kommt das Trio ja auch endlich wieder auf Tour.

Das Album “So When You Gonna…” kannst du hier kaufen. *

Und so hört sich das an:

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Dream Wife live 2021:

  • 03.05.2021 Molotow, Hamburg
  • 10.05.2021 Musik & Frieden, Berlin
  • 11.05.2021 Ampere, München
  • 12.05.2021 Club Stereo, Nürnberg

Rechte am Albumcover liegen bei Lucky Number Music.

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