Laura Jane Grace – Stay Alive

Laura-Jane Grace

Irgendwie muss es ja weitergehen. Auch wenn die komplette Resignation aktuell doch sehr verlockend erscheint, ist es gerade in den schwierigsten Zeiten, die die Kulturbranche seit vielen Jahren durchstehen muss, absolut unabdingbar, durchzuhalten. Gemeinsam für das einstehen, was uns allen so wichtig ist, das sieht auch Laura Jane Grace als die elementare Aufgabe aller Beteiligten der Musikindustrie. Eigentlich wollte sie selbst dieses Jahr ein neues Album mit ihrer Band Against Me! veröffentlichen, doch daraus wurde nichts. Ihr wisst schon warum. Aber Grace ist einfach keine Person, die deswegen einfach klein beigibt und sich in ihr Zuhause verkriecht. Nicht, dass ihr die dunkelsten Gedanken bezüglich des Lockdowns nicht auch durch den Kopf spuken. Aber, und da ist Grace sich eben sehr sicher, die einzige Möglichkeit, die zu überleben, ist, indem sie Musik macht. Ausnahmsweise aber eben nicht mit ihren Mitstreitern von Against Me! und auch nicht mit den Devouring Mothers, mit denen sie vor zwei Jahren “Bought to Rot” veröffentlichte. Sondern ganz alleine. Solo und analog mit einem ganzen Schmöker an Geschichten für die dunkeln Herbsttage.

“I may be lifeless, but I value my hollow”

Ab ins Studio mit Legende Steve Albini und in wenigen Tagen ein Album zusammenschustern. Was auf dem Papier erstmal nach einer richtigen Kurzschlussproduktion klingt, hat in Wirklichkeit teils einige Jahre auf dem Buckel. All diese Skizzen, die schon etliche Male Grace’ Wohnzimmer beschallt haben, wollten aber endlich raus in die Welt. Gemeinsam zeichnen sie sich nun durch ihre Sound-Reduktion aus, die auf Klangspielereien verzichtet. Zu hören sind daher größtenteils eine Akustik-Gitarre und vereinzelte Drums. Aus diesem spartanischen Klangbild heraus erzählt Grace ihre Geschichten, Versatzstücke aus ihrem Leben, die – ganz ihrem ehrlichen Songwriting entsprechend – keine Bögen um schwere Themen machen. So ist “Stay Alive” dem Cover entsprechend ein Ritt durch düstere Gelände, der vor allem durch Grace’ intensive Intonation lebt. Von der eigenen Ausgelaugtheit singt sie (“Swimming Pool Song”), von dem Wunsch, die andere Person würde einfach gehen (“Please Leave”), von dem Wunsch, jemand anders und woanders zu sein (“The Calendar Song”).

“Please survive!”

Solo-Scheibe hin oder her, Grace war noch nie dafür bekannt, sich mit Selbstmitleid zufrieden zu geben. So sehr, wie sie mit ihrer Platte neben der eigenen Befindlichkeit auch Fans und Label eine Freude machen wollte, so wagt sich die Platte auch an andere Thematiken heran. Besonders sticht dabei “Hanging Tree” heraus, das mit einer gewichtigen Struktur gegen den Mann im weißen Haus ansingt. “Twit, twit, twitting from a golden tower. Ain’t got no soul to sell and that’s your power” singt Grace hier und zimmert mal eben die nächste Hymne für die anstehenden Wahlen in den Vereinigten Staaten. Im “The Mountain Song” gibt es dafür vor ruhigen Riffs einen positiven Rückblick auf die Vergangenheit, “Supernatural Possession” lädt trotz eigentlich eher unglücklichem Text mit Zweigesang zum Hüpfen ein und “So Long, Farewell, Auf Wiedersehen, Fuck off” geht mit wunderbar kratzender Demo-Athmosphäre in schönstem DIY-Punk für kalte Kellerräume auf. Konträr dazu zitiert “The Magic Point (Bitter Green Dream)” Nelson Algrens Kurzgeschichtensammlung “The Neon Wilderness” und erbaut ein erlösendes Refugium in einer kalten Metropole.

Dass der Closer “Old Friend (Stay Alive” mit den Worten “Please survive!” endet, hat natürlich eine starke Aussagekraft. Trotz all der aktuellen Dunkelheit gilt nämlich eins: Durchhalten. Gemeinsam schaffen wir das. Danke dafür, Laura Jane Grace.

Unser Interview mit Laura Jance Grace zum Album gibt es hier.

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