Frauen haben es als Bandleader in der Metal-Szene deutlich schwerer als Männer, insbesondere wenn sie nicht nur singen sondern auch schreien. Viel zu häufig werden female fronted Metal(core)-Bands belächelt. Zugegebenermaßen kann weibliches Geschrei anstrengend und nervig sein. Aber dasselbe gilt auch für männliches. Wirklich gut klingen nur diejenigen, die die richtige Stimm-Technik beherrschen. Wer es kann und wer sich eventuell schon bald einer Stimmband-OP unterziehen muss, ist leicht zu hören. Letztendlich kommt es natürlich trotzdem darauf an, ob man eine Stimme mag. Egal ob männlich oder weiblich. Nebenbei bemerkt lernen zahlreiche Shouter*innen von „Zen of Screaming“, Melissa Cross. Eine Frau verhilft also vielen Männer zu starken Shouts.
Courtney LaPlante, Sängerin der kanadischen Band Spiritbox, bietet auf dem Debüt „Eternal Blue“ jedenfalls eine ehrwürdige Bandbreite an klarem Gesang und Shouts an. In neuer Formation kommt LaPlante hier mit Gitarrist Mike Stringer, der zuvor zusammen mit ihr in iwrestledabearonce gespielt hat, und Bassist Bill Crook (ehemals Living With Lions) zusammen. Die drei ambitionierten Musiker*innen verstricken gemeinsam ihre Erfahrungen aus unterschiedlichen Szenen zu etwas Neuem. Dabei experimentiert das Trio mit dem, was sich gerade gut anfühlt- ohne Genre-Formeln zu folgen.
So kommt es zu einem nahezu extremen Wechsel zwischen allen Facetten: Laut und leise, böse und lieblich, schnell und langsam sowie hart und ruhig. Spiritbox lassen sich beim Songwriting von ihren Gefühlen leiten. Die Songs spiegeln Momente und Einflüsse der letzten zwei Jahre wieder. „Eternal Blue“ (übrigens der Name eines Computer Virus) bekam währenddessen eine ganz eigene Bedeutung für LaPlante. Sie denkt dabei an eine verzweifelte, sterbende Welt. Diese Gedanken prägen also auch die Bilder, die die Tracks malen. Eine mystische, teilweise gespenstische Atmosphäre zieht sich daher durch die knapp 45 Minuten. Die Gruppe fesselt die Zuhörer*innen 12 Lieder lang durch hohes technischen Niveau und Gespür für Detail und zieht sie in eine andere Welt.
Das kommt gut an. Die Zahlen der Streaming-Dienste sprechen für sich: Alle 5 Vorab-Veröffentlichungen liegen bei mehreren Millionen Aufrufen. „Holy Roller“ wurde fast 10 Millionen Mal gehört. Der beliebteste Titel ist gleichzeitig auch der härtesten auf „Eternal Blue“; Mit jeder Menge weiblichen Screams. Respekt! Und wer hier doch nicht so ganz von überzeugt ist, sollte wenigstens mal in „Yellowjacket“ reinhören. Hier rundet nämlich Sam Carter (Architects) den futuristischen Metalcore-Sound ab. Spiritbox sorgen also mit „Eternal Blue“ für Abwechslung in der Szene und bekommen deshalb aktuell zurecht so viel Aufmerksamkeit. Die Musik trifft ins Herz und bleibt im Kopf. Offenbar kommt es endlich zu einem Umschwung, was das Ansehen einer Metal-Frontfrau angeht. Hoffentlich geht es zukünftig so weiter!
Das Album „Eternal Blue” kannst du hier (Vinyl) oder hier (digital) kaufen. *
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Die Rechte am Albumcover liegen bei Rise Records.
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