In vielen meiner Interviews & Gespräche der letzten Monate zeichnete sich eine leicht erschreckende Tendenz ab: Immer mehr Personen, bei denen Musik im Rahmen von Konzerten, Festivals, aber auch Alben, eine immer große Rolle gespielt hatte, verloren gerade ihren Bezug. Das mag nun natürlich mit unserem Lieblingsthema Corona und den damit einhergehenden Restriktionen im Live-Sektor zusammenhängen. Aber vielleicht auch mit der schieren Reizüberflutung durch Tausende Releases, die uns zu jedem Release-Freitag frisch in die Streaming-Listen gezaubert werden. Gerade als ich mein eigenes wachsendes Desinteresse hinterfragte, trudelte eine Promo-Mail mit dem Song “Michelle Obama” ein. Den zugehörigen Song hörte ich wegen des charmanten Texts und dem zugehörigen Bandnamen, der zu einer falschen Lesart einlädt: Kapa Tult.
Einige Monate später schreibe ich der Band nun diesen kleinen Fanbrief zum Release der EP “Meinten Sie Katapult?”. So kann’s gehen.
Nimm das, Desinteresse!
Manchmal kann es eben doch ganz einfach sein: Ein absolut bescheuert-kreativer Text, lässiger Indie-Rock darunter und dazu noch eine Prise schöner Gesangsharmonien. Klingt erstmal wenig außergewöhnlich, ist im Falle von Kapa Tult aber wirklich eine extrem spaßige Angelegenheit. Vor allem, weil es das Quartett schafft, irgendwo zwischen den sehr poppigen Kochkraft durch KMA oder Blond und den etwas weniger wohlklingenden Schnipo Schranke zu landen. Ja, man kann die Refrains schon nach zwei Durchgängen nur noch mit geschärften Küchenmessern aus den Hörgängen kratzen. Aber nein, der Sound ist alles andere als glatt geschliffen und der Wort- und Ideenschatz der Kapa Tulter übersteigt dann doch das Arsenal der meisten Studi-Bands.
Das nicht so geheime Geheimrezept
Kapa Tult sind dabei vor allem eine dieser Bands, bei der man einfach reinhören sollte. Schließlich möchte ich all die schönen Wortspiele, Plot-Twists und irren Narrative nicht vorwegnehmen, die sich auf dieser fünf Song starken EP versammeln. Und nur Themen wie “Empowerment”, “Leistungsgesellschaft” und “Body Positivity” anzukratzen, hinkt eben auch einige Kilometer hinter den amüsanten Texten der Truppe. Wobei amüsant es auch nicht völlig umreißt – irgendwo meint es die Band dann doch ernst mit dem kleinen Protest. “Schokocreme” etwa mit seinen knirschenden Rhythmuswechseln und der gniedelnden Flöte zelebriert Nutella und Kekse, statt der Bowl-Mafia von Instagram zu folgen. “Michelle Obama” feiert Beinhaare, “Priority Lane” bringt das Elon Musk-Narrativ in den Kellercub: “Du sammelst Plastik, ich sammle Miles”. Unbekümmert und doch treffend.
Steile These: Vielleicht haben all die Leute nicht einfach ihr Interesse an Musik verloren, sondern viel zu lange keinen Song mehr über das Seepferdchen-Abzeichen gehört. Kapa Tult jedenfalls haben das Zeug, mit einfachen Mitteln wieder für Begeisterung zu sorgen. Lieben wir!
Und so hört sich das an:
Website / Facebook / Instagram
Rechte am Albumcover liegen bei Ladies & Ladys.
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