LaFee – Schatten & Licht

lafee schatten und licht

Als ob die Pubertät allein nicht schon anstrengend genug ist und das gesamte Gefühlschaos dich niederreißt, durfte Christina Klein in ihrer sensiblen Phase auch noch permanente Hetze ertragen. Nicht in der Schule, nein – in den Medien und im Netz. Als LaFee machte sie zwar schon früh ihr Konto ordentlich voll, musste dafür aber einen verdammt dicken Preis bezahlen. Fast 20 Jahre später ist alles, was damals kacke war, nun aber richtig gut. LaFee ist zurück, die Fans sind es auch und alle anderen halten nun die Klappe.

Mit fast einer Million verkauften Einheiten gehört LaFee zu den erfolgreichsten Teeniestars überhaupt. In der zweiten Hälfte der 2000er spiegelte die 1990 geborene Künstlerin den Zeitgeist wider. Sie war der weibliche Gegenentwurf zu den kurz vorher groß gewordenen Tokio Hotel, war das Sprachrohr, um Liebeskummer, Aggressionen, Unsicherheiten und Freundschaften in Songs zu verpacken. Das ist auf der einen Seite natürlich sehr willkommen, auf der anderen findet man das aber – besonders, wenn man drei, vier Jahre älter ist als die Zielgruppe – unglaublich fremdschämig. Es nicht zu mögen, ist ja auch legitim. Leider ist es zu dem Zeitpunkt aber auch legitim, das permanent zu kommunizieren. LaFee wird von vielen geliebt und von mindestens genauso vielen gehasst. Ihre markante Optik mit Smokey Eyes und Schläfen-Tattoo bieten dermaßen viel Angriffsfläche, dass auf ihr und ihren Fans ordentlich herumgehackt wird.

Die Erfolgsstory ist nach rund drei sehr erfolgreichen Jahren jedoch langsam auserzählt. Ab dem dritten Album gehen die Verkaufszahlen spürbar zurück. Ab 2012 probiert sich LaFee in anderen Bereichen aus, spielt Musical und schauspielert. 2021 erlaubt sie sich ihren größten musikalischen Fauxpas: „Zurück in die Zukunft“ ist zwar das erste Album nach zehn Jahren, beinhaltet aber ultra trashige Coverversionen großer 80s-Hits, die alle wie der Pausenfüller beim ZDF Fernsehgarten wirken. Wir tun jetzt einfach mal so, als ob dieser Fehltritt nie geschehen wäre – LaFee macht das selbst nämlich nicht viel anders und klammert gekonnt diese Ära aus.

Stattdessen ist die in Stolberg in der Nähe von Aachen geborene Sängerin seit gut einem Jahr ein richtig erfolgreicher Nostalgie-Act und macht sämtliche Hallen der Nation voll. Erst waren es nur eine Hand voll Gigs, nun steht schon der vierte Tour-Leg an, weil einfach so viele von Damals wieder – oder immer noch – Bock haben. Und LaFee selbst hat auch richtig Bock, wie wir selbst im Januar in Oberhausen mitbekamen. Es geht am Ende immer um den richtigen Moment. Dann, wenn ein bisschen Abstand gewonnen und Ruhe eingekehrt ist, Menschen gereift sind, aber das Gefühl von ihrem früheren Ich wiederholen wollen. Groß neue Anhänger*innen kommen zwar nicht dazu, was aber auch völlig egal ist, wenn die Gemeinde von damals solche Ausmaßen besitzt.

Wir sehen dann das neue Album, Schatten & Licht, einfach mal als erstes echtes LaFee-Album seit 2011 an. Auch wenn Liveauftritte fast schon ein Selbstläufer sind, weil man sein Best of präsentieren kann, so sind neue Songs oft das komplette Gegenteil. Sie lösen eben nicht den Nostalgie-Faktor aus, wirken oft konstruiert und gewollt retro, was schnell unauthentisch klingt. Außerdem hat LaFee es nicht so einfach, schließlich ist Deutsch-Rock aktuell nicht das erfolgreichste Genre.

Und jetzt? Völlig wurscht. Schatten & Licht macht alles richtig, was „Zurück in die Zukunft“ vermurkst hat. Die mehr als Dreiviertelstunde voller neuer Musik wählt exakt den gewünschten Weg: LaFee klingt wie LaFee, verkörpert erneut ihre damalige Bühnenpersona, macht sich und anderen überhaupt nichts vor, streut ein paar aktuelle Sounds ein, aber bloß nicht zu viel und überträgt die Texte von vor zwei Dekaden ins Erwachsenenleben.

Natürlich ist das manchmal ein bisschen selbstreferentiell. Wie schon so viele zuvor, erzählt LaFee in ihrem Opener ihre Geschichte vom damaligen ersten Casting bis heute. Ganz passend heißt das Lied – Trommelwirbel – „LaFee“. Ja, why not? Sechseinhalb Minuten lang wird Atmosphäre aufgebaut, um die Brücke von 2011 ins Jetzt zu schlagen, was sofort funktioniert. „Königin der Nacht, Kriegerin am Tag“ ruft sie zur Begrüßung und schafft es damit natürlich etwas dramatisch, gleichzeitig aber auch nicht zu aufgesetzt zu wirken.

Auch der Titeltrack „Schatten & Licht“ sowie das als erste Single erschienene „Königin der Nacht“ setzen den biografischen Anteil konsequent fort. Dass Erfolg, Neid, Missgunst, Traurigkeit, Einsamkeit, Geld und Liebe oft ineinander übergehen, probiert sie rückblickend einzuordnen, währenddessen die bekannten Metal-Gitarren-Riffs durch die Boxen scheppern. Wer früher den Klang schon abschreckend fand, wird damit auch jetzt keine Freude haben. Lediglich die Stimme der „dunklen Fee“, wie sie sich nennt, ist angenehm gereift, hat mehr Tiefe und ordentlich Power, Wut und dennoch Sensibilität.

Am Ende gewinnen wie schon früher aber die Titel, bei denen die Hook zündet und knallt, gleichzeitig der Text aber nicht zu platt daherkommt. Und ganz ehrlich: Trivialer als die üblichen Deutsch-Pop-Platten diverser Künstler*innen ist das hier auch nicht! Stattdessen serviert LaFee weiterhin toxische Boys ab („Ich hass dich“, „Radioaktiv“) und mimt die empowernde Freundin für schlechte Tage („Benzin“). Dass sie selbst nicht den Anspruch an sich stellt, alles hervorragend zu machen, ist das Motto in „Heiligenschein“.

Ihren eigentlichen Hauptjob, nämlich den als Mutter, thematisiert auch und verscheucht die „Gespenster“, die ihrem Kind etwas antun können. In „Irgendwo noch ein Licht“ wird es besonders ruhig und nachdenklich, was nicht zuletzt an den emotionalen Lyrics liegt, die sich um Fehlgeburten drehen. In „Kriegerin“ prangert sie das Patriarchat an und regt sich über immer noch anherrschende Ungerechtigkeiten wie den Gender-Pay-Gap auf. Alles Referenzen, mit denen Endzwanziger und Ü30 bonden können.

Richtig Spaß machen ganz besonders das treibende „Radioaktiv“, die ansteckende Energie im durch Sprechgesang bretternden „Kriegerin“ und das nach vorne gehende Turbo-Highlight für Melodiefetischist*innen, „Herz aus Stacheldraht“. „Schwarze Rosen“ hätte exakt so auf ihren beiden ersten Alben Platz finden können und klingt mit dem epischen Klavier-Streicher-Intro herrlich old-schoolig. Dazwischen mischen sich auch nicht ganz so gelungene Filler wie „Nimmer wieder“ oder „Tief und Schwarz“, die aber in der eindeutigen Unterzahl bleiben.

Hat man jetzt nicht mit gerechnet, aber LaFee liefert auf Schatten & Licht fast durchgehend vertraut wirkendes, wohltuendes Material, das man ihr abkauft und das Repertoire würdig ergänzt. Das hätte komplett gegen die Wand fahren können, tut es aber nicht. Exakt so wie ihre Shows entwickelt die Künstlerin im Jahr 2025 mit ihrem Stil fast schon ein Alleinstellungsmerkmal. Kann man nicht mehr haten. Ersatzweise lieber: Chapeau fürs Aushalten, Durchhalten und Wiederkommen! Andere wären längst an PTBS krepiert.

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