Es ist erst 20:00 Uhr als das Licht in der Lanxess Arena erlischt und 808-Bässe und „K.I.Z“-Chöre die Luft zerschneiden. Auf dem Vorhang noch thront das Emblem der Rap-Band, das i mit seinen zwei Punkten an ein männliches Geschlechtsteil erinnernd. Eine angenehme Sprechstimme berichtet von einer neuen Art der Therapie, angeboten in der Birkenhain Nervenanstalt, einer fiktiven Institution im K.I.Z-Universum. Dann segelt der Vorhang gen Hallenboden und läutet einen partyträchtigen Konzertabend mit Überlänge ein.
Früh schon – es ist immerhin Freitag – stehen zuvor Lugatti & 9ine vor der sich zunehmend füllenden Arena. Ein Traum geht in Erfüllung für die zwei Rapper aus dem tiefen Kölner Süden: „Eines Tages Kölnarena“, rappt Lugatti im gemeinsamen Track „Checkin’ In“. „Eines Tages“ jedenfalls ist heute. Entsprechend enthusiastisch fordern die zwei – an den Decks steht ihr Kollege Traya – Moshpits, Hiphop-Hände, „KDK“- (Kinder der Küste) und „K.I.Z“-Chants. Gegen Ende der 30 Minuten wird diese Hartnäckigkeit zunehmend belohnt, auch wenn die Energie der Lugatti & 9ine-Solokonzerte unerreicht bleibt.
Groß auffordern müssen K.I.Z zu gar nichts. Der Innenraum ist im Dauerpogo. Dann, wenn es passt. Und auch dann, wenn es überhaupt nicht passt (etwa zum Tarek K.I.Z-Song „Kaputt wie ich“). Ja, die Existenz als oberkörperfreier „Mann Mann“ ist keine leichte (diese Energie gibt es als Kontrast zum Frauenkonzert, das tags zuvor an selbiger Stelle stattfand im Überdruss). Dabei drehen Nico, Tarek und Maxim – aka K.I.Z – Rollenklischees gerne ins Absurdum. „Viele sagen ja, dass Freundschaft unter Männern nicht möglich ist“, stellt Maxim über gleichgeschlechtliche Freundschaften fest (oft gesagt: das Gegenteil). Und auch einen Kommentar zum Frauenkonzert können sich die Rapper nicht verkneifen: „Dafür, dass heute Männer dabei sind, nicht so übel!“.
Die aalglatten oberkörperfrei Robben im Pogo lassen sich von derlei Witz nicht ihre Männlichkeit nehmen, hüpfen, schubsen, gröhlen weiter als bräuchten sie ihre Stimmen und Muskeln die nächsten Tage nicht mehr. Und auch die Tribünen wackeln ordentlich zu neu und alt. Ganz alt: „Das Rapdeutschlandkettensägenmassaker“. Mittelalt: Hits wie „Ein Affe und ein Pferd“, „Urlaub fürs Gehirn“ oder „Neuruppin“. Und neu: Sehr vieles. Etwa Songs vom der Tour ihren Namen gebendem „Rap Über Hass“ oder dessen Album zum Album. Und auch die großen Hymnen von „Hurra die Welt geht unter“. Über zwei Stunden (genau: 2:22h) geht das so, insgesamt 28 Songs lang. Die Spielzeit, sie erklärt den frühen Start.
Die drei Protagonisten – Nico, Tarek und Maxim – rufen ihr Programm routiniert ab, so als stünden sie vor 300 und nicht vor knapp 15.000 Menschen. Sie lassen sich selbst applaudieren, fordern die dringend nötige Rücksicht im Pogo (natürlich subtil auf K.I.Z-Art), grüßen den Oberrang und Männer auf den Schultern von anderen Männern. Dazu gibt es den ein oder anderen ironischen Spruch und natürlich: Viel Show. Es schießen Feuerfontänen und Konfetti von der als Flachbau in Szene gesetzten Bühne in die Luft. Dazu gibt es eine grelle Lichtshow, Hinsetz-Spielchen, Hiphop- und Wackelarme. Alles also, was ein Rap-Spektakel dieser Dimension erfordert. Ein Konzept verfolgt das Ganze dann aber doch nicht. Das Nervenanstalt-Motiv verschwindet nach wenigen Songs und das Bühnenbild passt sich chamäleonhaft anderen Kontexten an. Im Vordergrund nämlich steht die Party. Und davon gibt es genug.
Mehr K.I.Z gibt es hier.
Und so hört sich das an:
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K.I.Z live 2022:
01.10. – Hannover, ZAG Arena
02.10. – Bremen, ÖVB Arena
03.10. – Berlin, Max-Schmeling Halle
Foto von Jonas Horn.
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