Kochkraft durch KMA – Alle Kinder sind tot

“Alle Kinder sind tot”. Und wenn das so weitergeht, nicht nur die. Das ist nicht nur der generelle Gesamteindruck beim aktuellen Weltgeschehen, sondern auch das nüchterne Fazit, das man aus dem berstenden Sound-Wall des neuen Kochkraft-durch-KMA-Albums ziehen könnte. Dabei geht es hier doch bei all der Gesellschaftskritik noch um etwas ganz anderes. Und diese Kombi hat dieses Jahr keine nationale Band so on point auf eine Platte gebannt wie das Electro-Punk-Quartett.

Naja, gut. Electro-Punk ist vielleicht schon der erste diskutable Punkt in diesem Text. Aber ganz ehrlich: Das mit den Genre-Schubladen mögen die Kochkraftis nicht. Brauchen sie auch gar nicht. Was aber im Vergleich zu den bisherigen Veröffentlichungen auffällt: Synchron zu den News-Berichten der letzten zwei Jahre hat sich auch über den Sound der Band eine dichte, fast undurchdringliche Schicht aus Morast, Schmutz und Zorn gelegt. Und so ist “Alle Kinder sind tot” auch so ein richtig schöner Schlag in die Magengrube. Wer hätte das bei dem Titel erwartet? Die Kunst ist eben: Das ist nicht alles.

Neben dem sicherlich auch irgendwo mitschwingendem Apokalypse-Gedankens ist der Name dieser Platte vor allem eine Anspielung auf die gesellschaftliche Abtrennung zwischen Erwachsensein und Kindheit, erzählt Sängerin Lana van da Vla. Ab der magischen Grenze von 18 Jahren ist das mit dem Spaß und der Lebensfreude dann nämlich plötzlich vor allem was für die, die mit ihrem Leben nicht klarkommen. Finden die Kochkraft durch KMA-Leute nicht gut – und ihr hoffentlich auch nicht.

Denn sonst ist diese Platte wahrscheinlich auch nichts für euch. Sie soll aufrütteln, klar. Das zeigt schon der Wände-zum-Beben-bringende-Industrial-Stampf vom Opener “Auf jungen Stuten lernt man fluten” (WTF?). Hier kriegen die Nazis einen auf den Deckel und auch andere Feindbilder der Marke Toxic Masculinity (“Mancave”) oder Alltags-Rassismus (“Was geht los da rein?” – Shoutout an Brigitte Nielsen an dieser Stelle) dürfen ein paar Schellen mitnehmen. So gut und wichtig, so oft gehört. Aber: Kochkraft durch KMA machen es doch anders. Sie reizen mit ihrem Sound, spalten mit absoluter Sicherheit die Geister und trumpfen mit einer mitreißenden Spielfreude auf.

Die hört man zum Beispiel im polternden “Wir fahren schnellerer”, das am Ende gegen eine Sound-Wall von Synthesizern und analogen Instrumenten kracht, oder auch im großartigen Closer “Liebe = Krokodil”, das wie eine schön abgeranzte Neuauflage der NDW klingt. Dabei geht es selten um Schönklang, immer eher um Krach, Frust, Spaß, Eskalation, Ansagen. Lana van da Vla stachelt ihre Mitstreiter zu immer stürmischeren Grenzgängen zwischen Elektronik und Punk-Post-Hardcore-Rap-Suppe an – und reißt dabei sogar unerwartet bekannte Stimmen mit.

So mischen unter anderem Newcomerinnen-Rap-Hype Liser, Post-Hardcore-Lieblinge Sperling oder auch die offensichtlichen Inspirationsgeber*innen von Grossstadtgeflüster mit – und noch viele andere spannende Stimmen. Wie sehr der diverse Sound der verschiedenen Features in diesem Reigen aus Parolen wie “Und wenn keine Menschen mehr da sind, kann die Welt wieder atmen” aufblüht und die energetische Meisterleistung noch in höhere Etagen hebt, ist grandios. Okay, die Kinder sind vielleicht tot und auch sonst sind die Themen der Platte alles andere als hoffnungsvoll. Aber wenn schon an den Krisen der Gegenwart verzweifeln, dann wenigstens so manisch tanzend, dass das innere Kind seine Freude hat. Danke dafür, Kochkraft durch KMA.

Das Album “Alle Kinder sind tot” kannst du hier kaufen.*

Und so hört sich das an:

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Kochkraft durch KMA live 2022

  • 06.10. Indra, Hamburg
  • 07.10. E-Werk, Köln (Support Grossstadtgeflüster)
  • 08.10. Kufa, Hildesheim
  • 09.10. Cassiopeia, Berlin
  • 14.10. Komplex Schüttorf
  • 15.10. artheater Köln
  • 19.10. Turbinenhalle Oberhausen (Support Grossstadtgeflüster)
  • 20.10. Schlachthof Wiesbaden
  • 21.10. Rotunde Bochum
  • 22.10. Pogen gegen Rechts Hannover

Kochkraft durch KMA live 2023

  • 23.03. backstage Club München
  • 25.03. Speicher Husum

Coverrechte liegen bei Uncle M.

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