Die einen werden depressiver, andere offensichtlich optimistischer: Alex Vargas ist nun exakt in der Mitte zwischen 30 und 40 und hat damit ein Alter erreicht, was vielen immer etwas Angst macht. Jedoch scheint dem Musiker, der in einem kleinen verschlafenen Ort im Osten Dänemarks geboren wurde, das Älterwerden fröhlicher zu stimmen. Big Big Machine ist wahrscheinlich sein bisher poppigstes Werk.
Alex Vargas hat man, wenn man in der Szene etwas aufgepasst hat, seit spätestens 2017 auf dem Schirm. In dem Jahr liefen nämlich auch hierzulande seine zwei Singles “Solid Ground” und “Higher Love” von seinem Debütalbum “Cohere” immer mal wieder in ausgewählten alternativen Radioshows. Hat man dann auch noch bei Festivals die Augen offengehalten, konnte man den Künstler mit englischen wie uruguayischen Wurzeln auch live sehen. 2018 durften wir sogar in der Gegend in den Genuss kommen, eine ganze Show von ihm zu hören, und man muss sagen: Der kann was. Sogar echt viel.
Womöglich war aber nach viel zu viel Lockdown-Tristesse einfach auch mal gut mit dem Negativballast. Alex Vargas wagt sich auf Big Big Machine in vergleichsweise sehr große, raumausfüllende, strahlende Klänge, bei denen sich die ersten Sonnenblitzer zum Märzanfang gleich noch wärmer anfühlen. Besonders Liebhaber*innen seines vertrackten, komplexen elektronischen Soundwaben-Designs mit viel Dream-Pop-Anleihen müssen jetzt wohl tief schlucken, denn viel übrig ist davon nicht mehr. Stattdessen ist das neue Album eher Adult Pop. Nach vorne schauend, auch nicht komplett “Mir scheint die Sonne aus dem Arsch”, aber wesentlich leichter im Zugang und lieblicher im Abgang.
Alex hat sich von seinem großen Vorbild Prince inspirieren lassen, was man tatsächlich den elf Tracks auch anhören kann. Zugegeben: Prince ist eine Hausnummer, aber der Vergleich wird besonders bei dem überraschenden “Mama, I’ve Been Dying” als Opening erkennbar. Nach betäubenden sirenenartigen Sounds, wechselt man zunächst in eine melancholische Gitarren-Ballade, um dann in der zweiten Hälfte plötzlich gen 80s-Rock zu reiten. Das ist ziemlich cool gemacht und kommt einfach unerwartet gut.
Gesanglich ist die Stimme, die mehrere Oktaven umfasst, sowieso immer on point und hat durch ihren warmen Klang hohe internationale Fähigkeit, da gibt es überhaupt nichts zu beanstanden. Der Typ verkauft auch als Person richtig gut. Im Songwriting wird das Niveau der Hommage an Kultstars vergangener Jahrzehnte allerdings nur noch zweimal gehalten und gar getoppt. Wahnsinnig gut gelungen ist die Old-Schoolige-Pop-Ballade “Meant To Be Together”, die tief ins Herz trifft und klingt, als hätten Bon Jovi nochmal dahin zurückgefunden, wo sie eigentlich mal gut waren. Auch das zum Ende aufblinkende Melodiebrett “Shine Your Way Out” hat diesen Retrotouch, der mit viel Hall, Choreinsätzen, Brüchen und Drama sowie den Fähigkeiten einer 2023-Produktion voll ins Schwarze trifft.
Das war’s allerdings mit dem, was beweist, dass der Skandinavier so richtig was kann. Zwar gibt es unter den restlichen acht Nummern, wovon gleich zwei unter der Zwei-Minuten-Grenze bleiben, keinen einzigen wirklichen Fehltritt, nur eben keine Highlights. “Pages” hat Ohrwurmqualität, ist aber weitestgehend für die Möglichkeiten von Alex Vargas zu generisch. “Get Out Of My Will” beginnt wahnsinnig stark, fehlt es aber trotzdem an der zündenden Idee. “Youngazer” ist solide, hört man so aber von zu vielen Bands immer mal wieder.
Alex Vargas hat auf Big Big Machine viel Schwermut abgestreift. Das mag in einer sowieso schon erdrückenden Gegenwart auch sehr willkommen geheißen werden, hat aber dann natürlich nicht mehr ganz den bittersüßen Nachklang, um so richtig deep damit zu connecten. Akzeptabler, manchmal sogar richtig guter Singer/Songwriter-Indie-Pop bleibt es unterm Strich aber weiterhin.
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