Knapp drei Wochen ist es her, dass der Frankfurter Rapper VEGA sein Album „Wieso sie Stürme nach Menschen benennen“ (kurz: „WSSNMB”) veröffentlich hat. Und so heißt auch der Name der gleichnamigen Tour, für die VEGA in den vergangenen Wochen stolze neun Tourtermine gespielt hat. Für minutenmusik durfte ich das Abschlusskonzert des Rappers in der Kölner Live Music Hall besuchen. Ein Tourabschluss, der nach zwei aufeinanderfolgenden Konzerten in der Frankfurter Batschkapp schon vor Konzertbeginn eine hohe Messlatte auferlegt bekommen sollte …
Kurz nach 20 Uhr erlöschen in der Kölner Live Music Hall alle Lichter. Ein junger Mann, dem man eine verblüffende Ähnlichkeit zu VEGA nicht abstreiten kann, betritt die Bühne. Es ist VEGAs jüngerer Bruder Nio, der als Voract die Menge anheizen soll. Mit eigenen Songs im Gepäck, die einem Teil des Publikums und wahren „Freunde(n) für Niemand“ aus den vorderen Reihen durchaus bekannt sind, springt der junge Rapper über die Bühne und hat sichtlich Freude auf seiner großen, eigenen Bühne.
Kurz darauf ist es dann so weit. Das Konzert, auf das circa 2.000 Menschen in der ausverkauften Live Music Hall sehnsüchtig gewartet haben, beginnt. Der Vorhang, der bis dato den Blick auf das imposante Bühnenbild, das einem kirchlichen Altar gleicht, verhüllt hat, fällt und VEGA betritt die Bühne. Sein Blick ist nachdenklich, doch seine Rap-Zeilen aus dem Introsong des Albums “WSSNMB” sind eindrucksvoll. Ein großer Moment, denn es ist der Beginn des letzten Konzerts aller Tourtage, was die Begrüßung des Publikums mit etwas Wehmut begleitet. Kann nach zwei Konzert-Heimspielen in Frankfurt genügend Stimmung aufkommen? Zugegeben: man sieht VEGA ein wenig an, dass die letzten Konzert- und Tourtage in seiner Heimat ihn viel Kraft und Energie gekostet haben. Trotzdem – er gibt er Vollgas, schließlich ist er Frankfurter und „Frankfurt ist rau“.
VEGA hat sich für seine Tour eine umfangreichte Setlist ausgesucht: Eine Mischung aus neuen Songs des Albums, aber auch alten Bangern. Vor allem bei seinen älteren Glanzstücken wie „Deloreen”, “König ohne Krone” und “Die Jungs von der Bushalte” singt das Publikum lautstark mit. Doch auch die nachdenklicheren Töne der aktuellen Tracks wie “Teleskop” oder “… als du gingst” berühren die Menschen in der Halle tief. Und tatsächlich: Wer kurz einen Moment innehält spürt förmlich, wie VEGA mit seinem Publikum eine emotionale Verbindung eingeht. Ein Hauch von Melancholie, der wie ein Schatten über der Halle liegt. Tja, VEGA schafft es, mit seiner Musik, seinen Emotionen und seinen authentischen, autobiographischen Texten unter die Haut zu gehen.
Beinahe überraschend ist es deswegen schon, dass VEGA seine sonstigen verbalen Angriffe gegenüber der Polizei zurückhält. Denn zugegeben: Wer den Frankfurter Rapper kennt oder schon einmal live gesehen hat, weiß um seine feuchtfröhliche Hassliebe mit den Ordnungshütern in Uniformen. Auch wenn er den alten Song “1312” mit einer geballten Ladung Power performt, geht er kaum auf die lautstarken ‘Alle Bullen sind Schweine’-Gesänge aus dem Publikum ein. Ob es daran liegt, dass VEGA bei seinem letzten Konzert in der Kölner Live Music Hall vor einigen Jahren nahezu vor einer Abmahnung mit lebenslangem Hausverbot stand, weil er mit Bengalos fast die Konzerthalle abgebrannt hätte? *Zwinker, Zwinker* Man weiß es nicht …
Wenn bei diesem Konzert schon nur wenig Platz geboten werden soll für Hass (ob gegen die Polizei oder eben auch generell strunzdoofe Menschen), so soll viel mehr auf die schönen Seiten des Lebens geguckt werden. Beim Song “Irgendjemand wie du” ruft VEGA deshalb alle Liebenden in der Halle auf, sich gegenseitig in den Arm zu nehmen und die Liebe zu gestehen. Hach, VEGA, du kleiner Romantiker.
Wie wertschätzend VEGA auch über die von ihm geliebten Personen sprechen kann, wird deutlich, als er seinen kleinen Bruder Nio auf die Bühne holt. Zu „Pech und Schwefel“ performen die Brüder als gäbe es kein Morgen mehr – und auch das Publikum wird von der geballten Brüder-Power mitgerissen.
Aber was wäre ein Konzert ohne einen kleinen Wettbewerb? Bei “In den Himmel hoch” testet der Frankfurter Rapper schließlich die kölsche Energie des Publikums, die – zugegeben – im ersten Anlauf noch nicht ganz das erwartete Niveau erreicht. Denn es geht darum, welches Publikum auf der Tour am lautesten und am Textsichersten ist. Der erste Durchgang enttäuscht offensichtlich, denn der Rapper vergibt Köln einen denkwürdigen 5. Platz – nach Frankfurt, München, Berlin und sogar Münster. Das kann und möchten die Kölner nicht auf sich sitzen lassen. VEGA versucht es also mit einem zweiten Anlauf und spielt den Song in voller Gänze noch einmal. Und tatsächlich: Das Kölner Publikum scheint sich ins Zeug zu legen. Aber welchen Platz sie nun wirklich im Lautstärke-Ranking der Tour erhalten, will VEGA trotzdem nicht preisgeben.
Kurz vor Ende des Konzerts gibt es für das Publikum dann noch Grund zur Freude: Denn niemand Geringeres als Rapper Bosca ist als Überraschungsact vorbeigekommen. Nach gemeinsamen Songs mit VEGA performt er sogar noch ein paar eigene Songs. Absolut gelungen, denn wer VEGA und Bosca schon einmal gemeinsam auf der Bühne erlebt hat weiß: Die beiden sind ein unschlagbares Team.
Bevor der Konzertabend und damit auch die ganze „WSSNMB“-Tour zu Ende geht, richtet sich VEGA noch einmal an seine Crew: Ein letztes Dankeschön an sein Team, dann erklingen noch die beiden Tracks “Gottes Sohn”, “Winter in Frankfurt” und das „Outro“ vom Album Vincent, bevor VEGA sich endgültig, etwas erschöpft, aber auch wahnsinnig dankbar vom Publikum verabschiedet.
Obwohl VEGA auf vergangenen Konzerten zugegeben schon mal energiegeladener auftrat, war es ein durchaus gelungenes Konzert – auch wenn es spürbar von mehr Melancholie gefüllt war. Alles in allem lässt sich sagen: VEGA hat beim Kölner Tourabschluss alles in seiner Machtstehende gegeben. Er konnte dem Publikum nahekommen und hat wieder einmal bewiesen, was für ein begabter und authentischer Rapper er ist. Ein Mann, der seine Gefühle nicht versteckt, auch mal Schwäche zulässt ohne aber andere dafür zu degradieren. Ein Musiker mit Leib und Seele, zu dem man aufblicken kann und den man für sein Künstlertum in hohen Tönen loben kann. Ich kann nur selbst von mir sagen: ich freue mich schon jetzt auf das nächste Konzert. Und wer weiß: Vielleicht glüht ja dann sogar neben der Stimmung auch wieder eine kleine, funkelnde Lichtfackel im Konzertsaal …
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