Real Friends kommen aus Vororten von Chicago, Illinois und machen Emo/Pop-Punk seit 2010. Sänger Dan und Bassist Kyle waren bei uns im Interview und verrieten uns einiges über ihre gemeinsame Vergangenheit, das Leben auf Tour und das Hinter-den-Kulissen der Band.
minutenmusik: “…And We’re Just Changing” hat es ins Set dieser Tour geschafft. Wieso erst jetzt und wieso spielt ihr den Song nur zur Hälfte? Könnt ihr ihn live nicht komplett spielen?
Kyle: Wir könnten ihn schon live spielen. Es war die Idee von Dave (dem Gitarristen), das zu machen. Wir waren uns auch etwas unsicher, ob den Song überhaupt jemand kennt, weil wir ihn eben nie gespielt haben. Es ist mal etwas anderes, vielleicht mehr ein fließender Übergang im Set. Und die Leute singen tatsächlich mit, also werden wir vielleicht in Zukunft mal den ganzen Song ins Set nehmen. Wer weiß?
minutenmusik: Ihr geht immer noch mit vielen Bands gemeinsam auf Tour. Habt ihr negative Erfahrungen als Vorband größerer Bands gemacht?
Dan: Nicht wirklich. Als wir anfingen, Bands zu supporten, war wirklich jeder sehr höflich. Wenn es den Leuten mal nicht gefallen hat, war das Schlimmste das passierte, dass sie anschließend etwas Fieses auf Twitter geschrieben haben. Aber nicht während der Show, da hat niemand gebuht oder Ähnliches. Und die Bands selbst haben uns sowieso immer sehr respektvoll behandelt, denn die wollten uns ja da. Wir hatten eigentlich wirklich immer eine gute Zeit.
minutenmusik: Welche Show habt ihr zuletzt besucht?
Dan: Zuletzt habe ich Circa Survive gesehen, die haben eine Tour gespielt zum 10-Jährigen von “On Letting Go”. Das war super!
Kyle: Wenn wir zu Hause sind, gehen wir tatsächlich zu vielen lokalen Konzerten. Da habe ich zuletzt dann Homesafe gesehen.
minutenmusik: Dave und du (Kyle) veranstaltet auch eure eigenen lokalen Konzerte. Was hat es damit auf sich?
Kyle: Damit wollen wir einfach unserer lokalen Musikszene helfen, so gut wir können. Wir haben gemerkt, dass da sehr viele gute Bands sind, aber es schwer für sie ist, wahrgenommen zu werden und sich einen Namen zu machen. Da wollen wir unsere Popularität als Real Friends ein bisschen nutzen, um die lokale Szene mehr ins Licht zu rücken. Das posten wir dann auch über den Real Friends Twitter-Account und die beiden Konzerte, die wir bisher gemacht machen, waren beide gut besucht. Das war natürlich sehr cool.
minutenmusik: Früher hast du (Kyle) eure Texte geschrieben. Seit “The Home Inside My Head” ist auch Dan am Lyrischen beteiligt. Wie läuft der Schreib-Prozess ab? Schreibt ihr fertige Songs und zeigt sie den anderen? Oder schreibt ihr eher Gedichte, die ihr gemeinsam zu Songs verarbeitet?
Dan: Normalerweise schreibt entweder Kyle einen ganzen Text oder ich. Dann überlegen sich Dave, Kyle und Eric die Musik dazu. Wenn Kyle einen Song schreibt, schickt er ihn mir und ich überlege mir noch ein paar Melodien dafür. Das fügen wir dann zusammen. Wenn alles fertig ist, kommt Kyle nochmal mit Verbesserungsvorschlägen bei den Gesangsmelodien und wir versuchen noch einen Extrateil oder so zu schreiben, um den Song abzurunden.
minutenmusik: Im Song “Stay In One Place” ist die Zeile “It’s nice to see that someone else is sad”, die ursprünglich in eurem Song “You Do What You Could” zu finden ist. Kommt es häufiger vor, dass ihr Ideen-Fetzen aus der Vergangenheit später erneut in Texten verpackt?
Dan: Wow, den haben wir nie aufgenommen! Und das passiert textlich nicht so oft. Musikalisch schon eher. Wenn wir einen Song haben, der nicht benutzt wurde. Kyle, Dan und Eric schreiben viel Musik, was würdest du sagen, wie ihr das dann macht?
Kyle: Also “Mokena” zum Beispiel ist ein ziemlich alter Song. Den hatten wir irgendwie schon vergessen. Ein paar Wochen bevor wir ins Studio gegangen sind, hab ich das Demo dazu auf einem Computer gefunden. Ich hab dann geguckt, von wann der ist und der wurde im Sommer 2014 geschrieben. Das ist echt interessant, denn jetzt ist es einer meiner Lieblingssongs der Platte geworden. Wir haben ihn natürlich noch aufgefrischt, die Zeilen und auch die Melodien.
Und das passiert bei mir auch mit den Texten. Wir hatten Zeiten, wo wir Texte für Songs geschrieben hatten, die wir dann komplett verwarfen, weil es mit der Musik nicht zusammen gepasst hat. Und dann hast du da diesen kompletten Song, den du nicht benutzt, den man dann manchmal nochmal für etwas aufbereitet. Wir sind kürzlich durch Demos gegangen, die bis 2013 zurückgingen und dachten teilweise: Hey, das war sogar ziemlich cool! Also musikalisch…
minutenmusik: Existieren fertige Songs, die ihr für eine Veröffentlichung aufgenommen aber nicht veröffentlicht habt?
Kyle: Nein. Wir hatten für “The Home Inside My Head” zwei Bonussongs, die auf die Deluxe Version gekommen sind. Die gibt’s bei Target und am Merchstand.
minutenmusik: Aber nichts von den älteren Releases? Dann wird es also keinen Real Friends Ausverkauf mit Deluxe Versionen geben, wenn ihr reich & berühmt seid…
Dan: Nein, das ist scheiße!
Kyle: Da hatten wir immer gerade genug. Und wir werden niemals reich & berühmt sein…
minutenmusik: Blicken wir auf euer bisheriges Schaffen zurück. Euer erstes Lebenszeichen war die EP “This Is Honesty”. Erinnert ihr euch noch daran, was ihr zu dem Zeitpunkt für Ziele hattet und was ihr als Band machen wolltet?
Kyle: Das Ding bei dieser EP ist, dass wir überhaupt nicht wussten, was wir zu machen versuchten. Mit “This Is Honesty” haben wir als Band zusammengefunden und gesagt: Ok, wir machen das einfach So-und-so und fertig. Und das in einem sehr begrenzten Rahmen. Das hat nicht funktioniert.
minutenmusik: “Skeletons” spielt ihr jedoch gelegentlich noch live. Weil ihr den Song selbst noch mögt oder eher, um den Fans einen besonderen Song im Set zu bieten?
Dan: Es ist ein bisschen von beidem. Mehr für die Fans eigentlich. Bei “This Is Honesty” dachten wir wirklich, wir wüssten was wir machen, aber wir wussten es eindeutig nicht!
Kyle: Nachdem wir die EP aufgenommen hatten, haben wir vielleicht zehn Auftritte gespielt und waren danach einfach nicht zufrieden. Die EP ist okay für das, was sie ist, aber das sind eben nicht wir. Wir haben dann zur darauffolgenden EP unseren Stil sehr verändert. Um den Bogen zu “Everyone That Dragged You Here” also zu spannen – da konnten wir sagen: Das sind wir. Das ist natürlich. Wenn wir zusammenkommen und Songs machen, dann kommt das hier dabei raus! Ohne jegliche Einschränkungen, die wir uns selbst aufsetzten.
Dan: Wir hatten mit Brian einen neuen Drummer und mit Eric einen zusätzlichen Gitarristen. Das fühlte sich dann einfach richtig an.
minutenmusik: Eine kleine Fanbase habt ihr auch dazu gewonnen. Wieso habt ihr euch danach gegen ein Debütalbum entschieden und stattdessen mit “Three Songs About The Past Year Of My Life” und “Put Yourself Back Together” weitere EPs veröffentlicht?
Kyle: Das war auch eine finanzielle Sache. Wir hatten kein Label und dachten, es läuft für uns einfach gut, relativ regelmäßig ein bisschen Musik zu veröffentlichen. Von den EPs kennen die Leute auch immer noch jeden Song, von den Alben gibt es ein paar Songs, die bei den Leuten nicht so präsent sind. Das liegt nicht an uns, glaube ich, sondern daran, dass komplette Alben nicht mehr sind, was sie früher waren. Als wir jünger waren, ging es um komplette Alben. Deshalb finde ich auch Vinyl cool, weil es mich dazu bringt, Alben komplett zu hören. Und jetzt mit Spotify und Playlisten geht es einfach um Singles. Es gibt einige Leute, die sich nur einzelne Songs anhören.
minutenmusik: Hinzu kommt, dass die Leute ein paar Jahre brauchen, um ein Album als Gesamtes richtig einordnen zu können. “Maybe This Place Is The Same And We’re Just Changing” wurde zu Beginn sicher nicht von jedem geliebt – mittlerweile würde ich es als Klassiker zählen. “The Home Inside My Head” muss vielleicht auch eine Zeit existieren, bis die Leute es als das begreifen, was es ist.
Kyle: Das stimmt! Ich glaube auch, es dauert länger heutzutage, ein Album wirklich bewerten zu können.
minutenmusik: Als ihr “Maybe This Place […]” dann veröffentlicht habt, hieß es, dass ihr selbst damit komplett zufrieden seid. Denkt ihr darüber heute noch genauso?
Dan: Ich persönlich finde, dass mein Gesang deutlich besser hätte sein können. Während der gesamten Aufnahmen war ich krank. Und wenn ich das Album höre, kann ich nicht aufhören, daran zu denken, wie ich es hätte besser machen können. Was natürlich nicht in meiner Macht stand und die Vergangenheit ist sowieso vergangen. Aber das ist mein Gedanke: Ich war krank, ich konnte nicht alles rausholen. Und dann haben wir “The Home Inside My Head” gemacht und ich war am Start und in der Lage, das rüberzubringen, was ich wollte.
Kyle: Unsere Musik hat sich immer weiterentwickelt. Man hört die natürliche Entwicklung auch. Es gibt Bands, die kehren bestimmten Alben von sich klar den Rücken. Das funktioniert bei vielen auch, es gibt da ja kein Richtig oder Falsch. Aber bei uns ist es so, dass wir an allem gewachsen sind und zwischen unseren beiden Alben hat diese Weiterentwicklung auch stattgefunden.
minutenmusik: Euer Schaffen ist auch ein Gesamtwerk für sich. Ein Teil davon sind die textlichen Referenzen zu anderen Songs, auf “Mess” heißt es zum Beispiel “I’m still a lost boy” [als Referenz zum Song “Lost Boy”]. Jetzt habt ihr angefangen, Songs für das dritte Album zu schreiben – gibt es eine Idee, wie es sich in das Gesamtwerk einreihen soll?
Dan: Um das sagen zu können, ist es noch zu früh. Wir haben noch nicht so viele Songs dafür fertig, wo auch die Texte stehen. Es gibt auch keine Vision vorher – normalerweise haben mehrere Songs eine gemeinsame Thematik. An dem Punkt sind wir nur noch nicht.
Kyle: Interessant war beim letzten Album, dass Dan und ich jeder genau die Hälfte der Songs geschrieben hatten. Wir haben vorher nicht darüber gesprochen und hatten trotzdem sehr oft die gleichen Thematiken. Was auch natürlich ist, da Dan und ich seit fast sieben Jahren zusammen rumhängen.
Wir sind aber keine Band, die sich hinsetzt und fragt: Jungs, was ist die Vision? Eher so, wie wir es über “Everyone That Dragged You Here” gesagt haben: Das sind die Songs, die wir schreiben wollten, das ist wie wir denken. Und das ist mittlerweile offensichtlich mehr. Hinzukommt, dass ich, wenn ich an einem neuen Song arbeite, überlege: Ist das besser als die anderen Refrains, die wir in all den anderen Songs schon haben? Wenn nicht, dann muss es weg. Man will eigentlich immer besser sein.
minutenmusik: Was sind eure Lieblingsalben anderer Bands?
Dan: “Direction” von The Starting Line, “Bring Me Your Love” von City & Colour und “On Letting Go” von Circa Survive.
Kyle: Das erste “American Football” von American Football und “Based On A True Story” von The Starting Line.
minutenmusik: Was denkt ihr über das neue [zweite] “American Football” Album?
Kyle: Es ist super.
Dan: Ich liebe es!
Kyle: Ich liebe es tatsächlich genauso sehr wie das erste.
minutenmusik: Ihr veröffentlicht ständig lustige Videos über die sozialen Medien. Gibt es auch ernste Momente, wenn ihr aufeinander trefft? Seid ihr auf Tour manchmal voneinander genervt?
Kyle: Schon. Wir machen das aber mittlerweile lange genug, dass wir realisieren, sobald wir Zeit und Raum für uns brauchen. Früher haben wir an einem Offday noch überlegt, was die eine Sache ist, die wir alle gemeinsam machen. Heute merkt man, vor allem in Amerika, dass es auch gut ist, etwas alleine zu machen. Auseinandersetzungen haben wir aber nie wirklich.
Dan: Wenn man mit Leuten zusammenlebt, hält man sich manchmal an winzigen Dingen auf, die sie machen, die dich stören könnten. Aber das können sie nicht ändern und man sollte einsehen, dass man ebenso Dinge tut, die sie nerven.
Kyle: Es ist tatsächlich sehr familiär.
minutenmusik: Denkt ihr, dass die sozialen Medien heutzutage alles sind, was frische Bands benötigen, um Aufmerksamkeit zu generieren?
Kyle: Es ist wichtig. Keine Ahnung, ob es das Allerwichtigste ist. Es gibt ja auch Bands, die erfolgreich sind, ohne sich stark darauf zu fokussieren. Aber die waren eigentlich bereits erfolgreich, bevor es das alles so gab. Bands aus der Jimmy Eat World-Ära. Wir nutzen die sozialen Medien täglich und stehen somit in Kontakt zu unseren Fans. Damit können wir zeigen, dass wir auch nur normale Menschen sind. Für unsere Band ist es daher schon wichtig, für alle Bands gilt das sicher nicht.
minutenmusik: Gibt es eine bestimmte Sache in eurer Vergangenheit, die ihr bereut? Und was würdet ihr wiederum als beste Entscheidung, die ihr als Band bislang getroffen habt, bezeichnen?
Kyle: Das ist eine gute Frage. Wir haben nicht wirklich etwas gemacht, das wir bereuten. Vielleicht denken einige an unsere erste EP, weil wir unseren Stil danach komplett geändert haben. Aber das war uns eine wichtige Lektion.
Dan: Wenn es etwas gibt, würde ich schon sagen, die erste EP. Aber durch diese Lektion haben wir gefunden, was wir machen wollen. Das Beste, was wir gemacht haben ist, die Band überhaupt zu gründen. Was dann wiederum zu der EP führte. Diese verflixte, erste EP ist also die beste und schlimmste Sache an Real Friends.
Kyle: Es gab schon Angebote, die wir abgelehnt haben, weil sie nicht zu uns gepasst haben. Wir wollen eben bleiben, was wir sind, egal ob das bedeutet, dass man mehr oder weniger erfolgreich ist. Das waren aber keine besonders verrückten Angeboten, von daher gibt es nichts zu bereuen.
minutenmusik: Gab es schon Anfragen von Bands, die euch mit auf Tour nehmen wollten, denen ihr abgesagt habt, weil es vielleicht nicht zu euch gepasst hat?
Kyle: Nein, sowas hatten wir nicht, glaube ich.
Dan: Wir gehen sehr respektvoll mit den Möglichkeiten um, die wir bekommen. Und wenn etwas nichts für uns ist, dann ist das eben so. Da sind keine großen Gefühle im Spiel.
minutenmusik: Heute Abend spielt ihr zum zweiten Mal im Kölner MTC. Erinnert ihr euch an euer Konzert vor drei Jahren? Herrscht heute mehr Normalität bzgl. dem Bandleben als damals noch?
Kyle: Wir erinnern uns! Wir machen das schon seit einer langen Zeit, deshalb fühlt es sich ziemlich normal an. Ich bin hier heute reingelaufen und wusste noch genau, wo dieser Raum war. Wir sind immer noch die gleiche Band, die wir immer waren, daher fühlt es sich nicht viel anders an.
minutenmusik: Vielen Dank für eure Zeit und die ausführlichen Antworten!
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