Diese Woche kracht es wieder mal richtig. Die Meinungen zu „Tragedy Will Find Us“ von Counterparts könnten nicht verschiedener sein. Auch wenn Emilia sich große Mühe gibt, kann sie die Begeisterung von Lucie für das Rumgeschreie absolut nicht nachvollziehen.
Lucie sagt dazu:
Als Counterparts 2015 ihr viertes Album veröffentlichten, konnte ich ehrlich gesagt noch gar nichts mit der Melodic-Hardcore Band anfangen. Die fünf Jungs zogen mich erst 2017 mit Nachfolger „You’re Not You Anymore“ in ihren Bann. Das Album ist nämlich deutlich eingängiger. Nach dem Support bei der Architects Tour und etlichen weiteren Konzerten, bei denen das Quintett natürlich auch viele ältere Lieder präsentierte, wuchs mir schließlich auch „Tragedy Will Find Us“ ans Herz.
Dadurch, dass die Songs selten einem typischen Aufbau folgen, sondern meist ohne sich wiederholenden Parts aufgebaut sind, verschwimmen Ende und Anfang aufeinanderfolgender Titel. So kann man sich sowohl live als auch beim Hören des Albums völlig verlieren und treiben lassen. Ich wunder mich zum Beispiel immer wieder, dass „Burn“ vorbei ist und „Tragedy“ schon halb durchgelaufen ist. Es ist dadurch allerdings schwer einzelne Lieder im Kopf zu behalten und sich die Namen zu merken. Ich entdecke die Songs also einfach bei jedem Durchlauf des Albums wieder neu.
Nichtsdestotrotz ist „Tragedy Will Find Us“ musikalisch komplex und abwechslungsreich. Hardcore muss nämlich keinesfalls stumpf sein. Das Album wird geleitet durch raffinierte Gitarrenmelodien und aufregende Riffs. Auch wenn es natürlich viele „Auf die Fresse“ Breakdowns gibt, werden die Lieder teilweise sehr ruhig und sanft. Mit Tempowechseln und sprunghaften Änderungen beweisen Counterparts etliche Male technisches Geschick. Ich finde das sehr beeindruckend und toll live zu beobachten!
Passend zu der fast schon strukturlosen Musik kommen auch die Inhalte der Lieder oft wie unsortierte Gedankengänge rüber. Zugegebenermaßen sind die Texte von Frontmann Brendan Murphy sehr dramatisch. Aber gerade diese rohe Direktheit macht Counterparts eben aus. Manchmal müssen Gefühle und Gedanken einfach geradewegs rausgeschrien werden. Ohne Verharmlosung und Umschreibung. „Tragedy Will Find Us“ – früher oder später auf die ein oder andere Weise. Leider kam mir diese Erkenntnis in den letzten zwei Jahren immer häufiger.
Aber in all der Düsterheit malt Murphy auch tolle Bilder und verwendet (schrecklich) schöne Metaphern: „So place your hand in mine, drag your feet across the tops of trees; Breathe easy knowing that the branches will support you“ („Tragedy”). Oder „A lucid dream where my chest will collapse from the weight of a fictitious ghost” („Burn”). Und „I remember every promise, I’ve carved them into my spine“ („Thread”). Auch hier kann man sich völlig drin verlieren.
Mein Counterparts Favorit bleibt zwar „You’re Not You Anymore”, aber bei entsprechender Stimmung geht nichts über „Tragedy Will Find Us“.
Emilia findet:
Es ist schon fast Tradition bei minutenmusik, dass ich in unserer Rubrik „Plattenkrach“ das Gegenstück zu nahezu jedem und jeder bin, der oder die das Album einer Band aus dem Hardcore-Bereich vorschlägt. So auch in dieser Runde wieder. Dieses Mal hat Lucie die Ehre, sich mit mir über „Tragedy Will Find Us“, das vierte Album der Band Counterparts zu streiten. Und ich sage mal so: Meine Begeisterung für diese Art der Musik konnte leider auch dieses Mal nicht entfacht werden. Aber lest selbst, wie ich die elf Songs auf 34 Minuten erlebt habe.
Los geht es im ersten Song „Stillborn“ mit eingängigen Drums und Gitarren – so weit so gut. Ich fange sogar gerade an, das Intro ganz gut zu finden, als nach 19 Sekunden plötzlich der Bruch kommt und der Sänger der Band mir ohne Vorwarnung ins Ohr brüllt. Wow. Erst mal den Sound meiner Kopfhörer etwas runterdrehen. Da habe ich mich wohl etwas zu früh gefreut. Auch den restlichen Song über will meine anfängliche Begeisterung nicht so recht zurückkehren. Zwar gibt es zwischendurch immer wieder Parts, die mir musikalisch zwar ganz gut gefallen – mit dem Shouting (Oder war es Growling? Oder Screaming?), welches diese Art von Musik ja gerade ausmacht, kann ich mich in diesem Ausmaß aber dann leider doch nicht anfreunden.
Leider zieht sich genau dieser Eindruck auch durch die nächsten Songs der Platte – musikalisch finde ich das alles gar nicht schlecht, die Drum-Solos und Gitarrenriffs gefallen mir sogar ganz gut. Aber die permanente Überstrapazierung der Stimmbänder des Sängers löst in mir leider nichts als Stress, mittelschwere Aggressionen und dezente Kopfschmerzen aus. Als ich beschließe, die Band zu googlen, während mittlerweile der fünfte von elf Songs im Hintergrund läuft, stoße ich schließlich auch auf eine Genre-Bezeichnung: Melodic-Hardcore. Interessant, denke ich mir. Denn was an der Musik melodisch sein soll, erschließt sich mir ehrlicherweise nicht so ganz.
Fairerweise muss ich wohl erwähnen, dass ich bereits etwas voreingenommen in diesen Plattenkrach hinein gegangen bin. Ich weiß ungefähr welche Musik Lucie gerne hört – und ich weiß auch, dass das leider so gar nicht die Musik ist, die ich gerne höre. Trotzdem habe ich versucht, so offen es geht, an das Counterparts-Album heranzugehen. So schlimm wird es schon nicht werden. Und ja, die gute halbe Stunde war schon in Ordnung und hätte definitiv schlimmer sein können (ich warte noch darauf, als Contra-Part für einen Schlager-Plattenkrach eingeteilt zu werden) – wiederholen muss ich diese Erfahrung aber definitiv nicht. Denn auch wenn mir die reinen Instrumentals einiger Songs, wie zum Beispiel „Collapse“ oder „Solace“, wirklich ganz gut gefallen, habe ich dann doch eher wenig Lust darauf, mich nochmal 34 Minuten am Stück anschreien zu lassen.
Mehr Plattenkrach: Hate it or love it – was für den einen ein lebensveränderndes Monumentalwerk ist, ist für die andere nur einen Stirnrunzler wert! Ein Album, zwei Autor*innen, ein Artikel, zwei Meinungen! Mehr Auseinandersetzungen findest du hier.
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